Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 2. Lemgo, 1787.

Bild:
<< vorherige Seite

daß man ohne Form alles nur einerley, Ein We-
sen denken muß.

Alle Form ist ferner Wirkung, und kann
seyn und nicht seyn; das Wesen allein ist noth-
wendig und ewig.

Wie dieß Eins aus seiner Formlosigkeit zu
Form gekommen wäre, und sich in unendliche
Gestalten verwandelt? Wie gesagt, durch Stre-
ben nach Genuß, um lebendig zu seyn, aus Ekel
vor Tod, an sonst unendlicher langer Weile;
durch Bewegung, Ausdehnung und Anziehung,
bis ins innerste uns freylich unbegreiflich, die
wir jedoch durch die ganze Natur wahrnehmen,
und Forscher bis auf den Embryon verfolgen,
wo sie Sinn und Erfahrung verläßt. Wenn
wir Anfang von Zeit annehmen wollen: so ginge
sie hier aus der Ewigkeit hervor, und es hätte
seine Richtigkeit: Gott schuf die Welt aus
Nichts.

Das

daß man ohne Form alles nur einerley, Ein We-
ſen denken muß.

Alle Form iſt ferner Wirkung, und kann
ſeyn und nicht ſeyn; das Weſen allein iſt noth-
wendig und ewig.

Wie dieß Eins aus ſeiner Formloſigkeit zu
Form gekommen waͤre, und ſich in unendliche
Geſtalten verwandelt? Wie geſagt, durch Stre-
ben nach Genuß, um lebendig zu ſeyn, aus Ekel
vor Tod, an ſonſt unendlicher langer Weile;
durch Bewegung, Ausdehnung und Anziehung,
bis ins innerſte uns freylich unbegreiflich, die
wir jedoch durch die ganze Natur wahrnehmen,
und Forſcher bis auf den Embryon verfolgen,
wo ſie Sinn und Erfahrung verlaͤßt. Wenn
wir Anfang von Zeit annehmen wollen: ſo ginge
ſie hier aus der Ewigkeit hervor, und es haͤtte
ſeine Richtigkeit: Gott ſchuf die Welt aus
Nichts.

Das
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0227" n="219"/>
daß man ohne Form alles nur einerley, Ein We-<lb/>
&#x017F;en denken muß.</p><lb/>
          <p>Alle Form i&#x017F;t ferner Wirkung, und kann<lb/>
&#x017F;eyn und nicht &#x017F;eyn; das We&#x017F;en allein i&#x017F;t noth-<lb/>
wendig und ewig.</p><lb/>
          <p>Wie dieß Eins aus &#x017F;einer Formlo&#x017F;igkeit zu<lb/>
Form gekommen wa&#x0364;re, und &#x017F;ich in unendliche<lb/>
Ge&#x017F;talten verwandelt? Wie ge&#x017F;agt, durch Stre-<lb/>
ben nach Genuß, um lebendig zu &#x017F;eyn, aus Ekel<lb/>
vor Tod, an &#x017F;on&#x017F;t unendlicher langer Weile;<lb/>
durch Bewegung, Ausdehnung und Anziehung,<lb/>
bis ins inner&#x017F;te uns freylich unbegreiflich, die<lb/>
wir jedoch durch die ganze Natur wahrnehmen,<lb/>
und For&#x017F;cher bis auf den Embryon verfolgen,<lb/>
wo &#x017F;ie Sinn und Erfahrung verla&#x0364;ßt. Wenn<lb/>
wir Anfang von Zeit annehmen wollen: &#x017F;o ginge<lb/>
&#x017F;ie hier aus der Ewigkeit hervor, und es ha&#x0364;tte<lb/>
&#x017F;eine Richtigkeit: Gott &#x017F;chuf die Welt aus<lb/>
Nichts.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Das</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[219/0227] daß man ohne Form alles nur einerley, Ein We- ſen denken muß. Alle Form iſt ferner Wirkung, und kann ſeyn und nicht ſeyn; das Weſen allein iſt noth- wendig und ewig. Wie dieß Eins aus ſeiner Formloſigkeit zu Form gekommen waͤre, und ſich in unendliche Geſtalten verwandelt? Wie geſagt, durch Stre- ben nach Genuß, um lebendig zu ſeyn, aus Ekel vor Tod, an ſonſt unendlicher langer Weile; durch Bewegung, Ausdehnung und Anziehung, bis ins innerſte uns freylich unbegreiflich, die wir jedoch durch die ganze Natur wahrnehmen, und Forſcher bis auf den Embryon verfolgen, wo ſie Sinn und Erfahrung verlaͤßt. Wenn wir Anfang von Zeit annehmen wollen: ſo ginge ſie hier aus der Ewigkeit hervor, und es haͤtte ſeine Richtigkeit: Gott ſchuf die Welt aus Nichts. Das

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello02_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello02_1787/227
Zitationshilfe: [Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 2. Lemgo, 1787, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello02_1787/227>, abgerufen am 17.05.2024.