und welch ein schöner kniender Akt! Wie kräftig der Kopf des heiligen Hieronymus gemahlt, und in welchem feyerlichen Ernste von Betrach- tung! Johannes ist ein ächter wilder Eremit, der sich nicht auf bürgerliche Höflichkeiten ver- steht, und dreust sagt, was er denkt. Der Kar- dinal bloß Porträt voll Bewunderung.
Der Engel unten mit dem Täfelchen ist treflich gemahlt, nur weiß man nicht, was er soll, weil man vergessen hat, es darauf zu schreiben.
Das Kolorit in den Köpfen ist täuschend abgewechselt, wie die Natur thut. Die Figu- ren sind alle in Lebensgröße, und die Madonna noch darüber, um sie zur ersten Person zu erhe- ben. Sie ist am lebendigsten, und wirft Glanz um sich, wie Sonne. Unten ist freyes Feld und ein Flecken, wo die Heiligen sich beysammen befinden, sie anrufen und anbeten, und in Be- trachtung verloren sind.
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und welch ein ſchoͤner kniender Akt! Wie kraͤftig der Kopf des heiligen Hieronymus gemahlt, und in welchem feyerlichen Ernſte von Betrach- tung! Johannes iſt ein aͤchter wilder Eremit, der ſich nicht auf buͤrgerliche Hoͤflichkeiten ver- ſteht, und dreuſt ſagt, was er denkt. Der Kar- dinal bloß Portraͤt voll Bewunderung.
Der Engel unten mit dem Taͤfelchen iſt treflich gemahlt, nur weiß man nicht, was er ſoll, weil man vergeſſen hat, es darauf zu ſchreiben.
Das Kolorit in den Koͤpfen iſt taͤuſchend abgewechſelt, wie die Natur thut. Die Figu- ren ſind alle in Lebensgroͤße, und die Madonna noch daruͤber, um ſie zur erſten Perſon zu erhe- ben. Sie iſt am lebendigſten, und wirft Glanz um ſich, wie Sonne. Unten iſt freyes Feld und ein Flecken, wo die Heiligen ſich beyſammen befinden, ſie anrufen und anbeten, und in Be- trachtung verloren ſind.
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und welch ein ſchoͤner kniender Akt! Wie kraͤftig
der Kopf des heiligen Hieronymus gemahlt,
und in welchem feyerlichen Ernſte von Betrach-
tung! Johannes iſt ein aͤchter wilder Eremit,
der ſich nicht auf buͤrgerliche Hoͤflichkeiten ver-
ſteht, und dreuſt ſagt, was er denkt. Der Kar-
dinal bloß Portraͤt voll Bewunderung.
Der Engel unten mit dem Taͤfelchen iſt
treflich gemahlt, nur weiß man nicht, was er
ſoll, weil man vergeſſen hat, es darauf zu
ſchreiben.
Das Kolorit in den Koͤpfen iſt taͤuſchend
abgewechſelt, wie die Natur thut. Die Figu-
ren ſind alle in Lebensgroͤße, und die Madonna
noch daruͤber, um ſie zur erſten Perſon zu erhe-
ben. Sie iſt am lebendigſten, und wirft Glanz
um ſich, wie Sonne. Unten iſt freyes Feld
und ein Flecken, wo die Heiligen ſich beyſammen
befinden, ſie anrufen und anbeten, und in Be-
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[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 2. Lemgo, 1787, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello02_1787/266>, abgerufen am 22.11.2024.
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