Ich freue mich, daß du mit mir auf gleichen Lebenspfaden gehst; und also leichter an meinen Schicksalen Theil nehmen kannst: nur ist deine Chiara von ganz andrer Art, als meine Fior- dimona; sie hat mich nicht so lange schmachten lassen, ihrer Macht und Herrlichkeit bewußt. Das hab ich noch nicht erfahren, in der Liebe so von einem Weibe überflogen zu werden. Ich habe Nebenbuhler, und vielleicht glückliche Ne- benbuhler: nur schein ich der glücklichste zu seyn; und dieß fesselt mich an ihren Triumphwagen, worauf die stolze junge Römerin einherzieht wie ein alter Sylla, nach den Siegen über die größ- ten Könige der Erden, und die ersten Helden sei- nes Vaterlandes. Und ich fühl es, ach ich fühl es, daß sie mich so ganz unaussprechlich liebt! Was das für eine Empfindung ist, und wie es mein Wesen in vollen Schlägen durchkreuzt,
kann
Rom, November.
Ich freue mich, daß du mit mir auf gleichen Lebenspfaden gehſt; und alſo leichter an meinen Schickſalen Theil nehmen kannſt: nur iſt deine Chiara von ganz andrer Art, als meine Fior- dimona; ſie hat mich nicht ſo lange ſchmachten laſſen, ihrer Macht und Herrlichkeit bewußt. Das hab ich noch nicht erfahren, in der Liebe ſo von einem Weibe uͤberflogen zu werden. Ich habe Nebenbuhler, und vielleicht gluͤckliche Ne- benbuhler: nur ſchein ich der gluͤcklichſte zu ſeyn; und dieß feſſelt mich an ihren Triumphwagen, worauf die ſtolze junge Roͤmerin einherzieht wie ein alter Sylla, nach den Siegen uͤber die groͤß- ten Koͤnige der Erden, und die erſten Helden ſei- nes Vaterlandes. Und ich fuͤhl es, ach ich fuͤhl es, daß ſie mich ſo ganz unausſprechlich liebt! Was das fuͤr eine Empfindung iſt, und wie es mein Weſen in vollen Schlaͤgen durchkreuzt,
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Rom, November.
Ich freue mich, daß du mit mir auf gleichen
Lebenspfaden gehſt; und alſo leichter an meinen
Schickſalen Theil nehmen kannſt: nur iſt deine
Chiara von ganz andrer Art, als meine Fior-
dimona; ſie hat mich nicht ſo lange ſchmachten
laſſen, ihrer Macht und Herrlichkeit bewußt.
Das hab ich noch nicht erfahren, in der Liebe ſo
von einem Weibe uͤberflogen zu werden. Ich
habe Nebenbuhler, und vielleicht gluͤckliche Ne-
benbuhler: nur ſchein ich der gluͤcklichſte zu ſeyn;
und dieß feſſelt mich an ihren Triumphwagen,
worauf die ſtolze junge Roͤmerin einherzieht wie
ein alter Sylla, nach den Siegen uͤber die groͤß-
ten Koͤnige der Erden, und die erſten Helden ſei-
nes Vaterlandes. Und ich fuͤhl es, ach ich fuͤhl
es, daß ſie mich ſo ganz unausſprechlich liebt!
Was das fuͤr eine Empfindung iſt, und wie es
mein Weſen in vollen Schlaͤgen durchkreuzt,
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[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 2. Lemgo, 1787, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello02_1787/50>, abgerufen am 09.11.2024.
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