formalen Bestimmungen durch Begriffe, oder durch Raum und Zeit: lediglich hingegeben der Materie der Empfin- dung, wie den Tönen, oder den Auffassungen des Ge- schmacks, Geruchs, Gefühls. (Der Gesichtssinn würde kein ganz passendes Beyspiel liefern, oder wenigstens wäre ein solches einem Misverständniss ausgesetzt, weil man bey den Farben immer sogleich irgend etwas von Gestalt und Grösse hinzudenkt.) Die Forderung ist nun, dass dies unser Vorstellendes übergehe zum Vorstellen seiner selbst; aber, wie wir gesehen haben, nicht durch einen absoluten Act, sondern einzig und allein bestimmt durch die Beschaffenheit derjenigen Vorstellungen, wel- che wir bey ihm schon vorausgesetzt haben.
Da also die Vorstellung Ich nicht hinzukommen, sondern werden soll aus dem was schon da ist, so kann dieses Vorhandene nicht ein solches Vorgestelltes bleiben, dergleichen es jetzt ist, sondern es muss auf allen Fall ein Anderes werden.
Allein hier würde es uns nichts helfen, wenn eine objective Bestimmung überginge in eine andere. Man setze, die Vorstellung Roth gehe über in die Vorstellung Blau, oder die eines hohen Tons verwandele sich in die eines tiefen Tons, so ist das Blaue und der tiefe Ton für die Vorstellung Ich (welche entstehen soll) eben so fremdartig, als die Vorstellungen des Rothen und des hö- heren Tones. Mit einer solchen Abänderung wäre also nichts gewonnen.
Oder wollte man sagen, die objectiven Vorstellun- gen müssten ganz aus ihrer Art herausgehn, um statt ei- nes Nicht-Ich vielmehr das Ich darzubieten: so wäre die- ses, auch abgesehen von der Frage nach der Möglich- keit, dem Probleme gar nicht angemessen. Denn wir haben gesehen, dass die nackte Ichheit ein Widerspruch ist; und jene Forderung hiesse demnach nichts anderes als, die Vorstellungen sollten aus der Art des Vorstell- baren hinübergehen in die Art des Undenkbaren und Un- gereimten.
formalen Bestimmungen durch Begriffe, oder durch Raum und Zeit: lediglich hingegeben der Materie der Empfin- dung, wie den Tönen, oder den Auffassungen des Ge- schmacks, Geruchs, Gefühls. (Der Gesichtssinn würde kein ganz passendes Beyspiel liefern, oder wenigstens wäre ein solches einem Misverständniſs ausgesetzt, weil man bey den Farben immer sogleich irgend etwas von Gestalt und Gröſse hinzudenkt.) Die Forderung ist nun, daſs dies unser Vorstellendes übergehe zum Vorstellen seiner selbst; aber, wie wir gesehen haben, nicht durch einen absoluten Act, sondern einzig und allein bestimmt durch die Beschaffenheit derjenigen Vorstellungen, wel- che wir bey ihm schon vorausgesetzt haben.
Da also die Vorstellung Ich nicht hinzukommen, sondern werden soll aus dem was schon da ist, so kann dieses Vorhandene nicht ein solches Vorgestelltes bleiben, dergleichen es jetzt ist, sondern es muſs auf allen Fall ein Anderes werden.
Allein hier würde es uns nichts helfen, wenn eine objective Bestimmung überginge in eine andere. Man setze, die Vorstellung Roth gehe über in die Vorstellung Blau, oder die eines hohen Tons verwandele sich in die eines tiefen Tons, so ist das Blaue und der tiefe Ton für die Vorstellung Ich (welche entstehen soll) eben so fremdartig, als die Vorstellungen des Rothen und des hö- heren Tones. Mit einer solchen Abänderung wäre also nichts gewonnen.
Oder wollte man sagen, die objectiven Vorstellun- gen müſsten ganz aus ihrer Art herausgehn, um statt ei- nes Nicht-Ich vielmehr das Ich darzubieten: so wäre die- ses, auch abgesehen von der Frage nach der Möglich- keit, dem Probleme gar nicht angemessen. Denn wir haben gesehen, daſs die nackte Ichheit ein Widerspruch ist; und jene Forderung hieſse demnach nichts anderes als, die Vorstellungen sollten aus der Art des Vorstell- baren hinübergehen in die Art des Undenkbaren und Un- gereimten.
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formalen Bestimmungen durch Begriffe, oder durch Raum
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dung, wie den Tönen, oder den Auffassungen des Ge-
schmacks, Geruchs, Gefühls. (Der Gesichtssinn würde
kein ganz passendes Beyspiel liefern, oder wenigstens
wäre ein solches einem Misverständniſs ausgesetzt, weil
man bey den Farben immer sogleich irgend etwas von
Gestalt und Gröſse hinzudenkt.) Die Forderung ist nun,
daſs dies unser Vorstellendes übergehe zum Vorstellen
seiner selbst; aber, wie wir gesehen haben, nicht durch
einen absoluten Act, sondern einzig und allein bestimmt
durch die Beschaffenheit derjenigen Vorstellungen, wel-
che wir bey ihm schon vorausgesetzt haben.
Da also die Vorstellung Ich nicht hinzukommen,
sondern werden soll aus dem was schon da ist, so kann
dieses Vorhandene nicht ein solches Vorgestelltes bleiben,
dergleichen es jetzt ist, sondern es muſs auf allen Fall
ein Anderes werden.
Allein hier würde es uns nichts helfen, wenn eine
objective Bestimmung überginge in eine andere. Man
setze, die Vorstellung Roth gehe über in die Vorstellung
Blau, oder die eines hohen Tons verwandele sich in die
eines tiefen Tons, so ist das Blaue und der tiefe Ton
für die Vorstellung Ich (welche entstehen soll) eben so
fremdartig, als die Vorstellungen des Rothen und des hö-
heren Tones. Mit einer solchen Abänderung wäre also
nichts gewonnen.
Oder wollte man sagen, die objectiven Vorstellun-
gen müſsten ganz aus ihrer Art herausgehn, um statt ei-
nes Nicht-Ich vielmehr das Ich darzubieten: so wäre die-
ses, auch abgesehen von der Frage nach der Möglich-
keit, dem Probleme gar nicht angemessen. Denn wir
haben gesehen, daſs die nackte Ichheit ein Widerspruch
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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 1. Königsberg, 1824, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie01_1824/166>, abgerufen am 21.11.2024.
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