Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 1. Königsberg, 1824.

Bild:
<< vorherige Seite

res seyn *). Dieses ist wiederum in der Erfahrung völ-
lig bekannt; wir schreiben allen unsern Auffassungen ur-
sprünglich einen Grad zu.

Verbinden wir nun diese Gradbestimmung mit jener,
also den Unterschied der Vorstellungen ihrer Stärke
noch mit der Grösse ihres Gegensatzes unter einander:
so muss sich daraus ergeben, wie gross in jedem Falle
die Verdunkelung, die Hemmung, das Streben, und auch
das noch übrige wirkliche Vorstellen seyn werde. Hier
findet die Rechnung einen ihr angemessenen Stoff; und
es kommt darauf an, uns von der Form solcher Rechnung
einen allgemeinen Begriff zu bilden; womit die Ueber-
sicht über die nachfolgenden Untersuchungen zusammen-
hängt.

§. 40.

Die Verdunkelung der Vorstellungen, vollends wenn
sie successiv durch verschiedene Grade fortläuft, hat so
viel Aehnlichkeit mit einer Bewegung, dass es gar nicht
befremdend seyn kann, wenn die Theorie von den Ge-
setzen der Verdunkelung, und der ihr entgegenstehenden
Erhellung, oder dem Wieder-Hervortreten der Vorstel-
lungen ins Bewusstseyn, sich der Theorie von den Be-
wegungsgesetzen der Körper im Ganzen ähnlich gestal-
tet. Wenigstens die Sprache muss von da her ihre Aus-
drücke entlehnen, falls nicht eine neue, und deshalb un-
verständliche Sprache unnützer Weise soll erfunden wer-
den. Nur einige Benennungen, welche als Metaphern
neu sind, wird man sich müssen gefallen lassen, damit
die neuen Begriffe eine Bezeichnung erhalten können.

Zu allererst werden wir den Unterschied der Statik

*) Es ist jedoch nur die logische Möglichkeit verschiedener
Grade der Stärke und des Gegensatzes, welche hier nachgewiesen wor-
den. Bey einem Gegenstande, worüber die Erfahrung so deutlich
spricht, mag dies zum Beginnen der Untersuchung hinreichen. Die
reale Möglichkeit folgt aus allgemein-metaphysischen Betrachtungen
über die zufälligen Ansichten der Wesen, und über das Zusammen
derselben, als Bedingungen der Störungen und Selbsterhaltungen.

res seyn *). Dieses ist wiederum in der Erfahrung völ-
lig bekannt; wir schreiben allen unsern Auffassungen ur-
sprünglich einen Grad zu.

Verbinden wir nun diese Gradbestimmung mit jener,
also den Unterschied der Vorstellungen ihrer Stärke
noch mit der Gröſse ihres Gegensatzes unter einander:
so muſs sich daraus ergeben, wie groſs in jedem Falle
die Verdunkelung, die Hemmung, das Streben, und auch
das noch übrige wirkliche Vorstellen seyn werde. Hier
findet die Rechnung einen ihr angemessenen Stoff; und
es kommt darauf an, uns von der Form solcher Rechnung
einen allgemeinen Begriff zu bilden; womit die Ueber-
sicht über die nachfolgenden Untersuchungen zusammen-
hängt.

§. 40.

Die Verdunkelung der Vorstellungen, vollends wenn
sie successiv durch verschiedene Grade fortläuft, hat so
viel Aehnlichkeit mit einer Bewegung, daſs es gar nicht
befremdend seyn kann, wenn die Theorie von den Ge-
setzen der Verdunkelung, und der ihr entgegenstehenden
Erhellung, oder dem Wieder-Hervortreten der Vorstel-
lungen ins Bewuſstseyn, sich der Theorie von den Be-
wegungsgesetzen der Körper im Ganzen ähnlich gestal-
tet. Wenigstens die Sprache muſs von da her ihre Aus-
drücke entlehnen, falls nicht eine neue, und deshalb un-
verständliche Sprache unnützer Weise soll erfunden wer-
den. Nur einige Benennungen, welche als Metaphern
neu sind, wird man sich müssen gefallen lassen, damit
die neuen Begriffe eine Bezeichnung erhalten können.

Zu allererst werden wir den Unterschied der Statik

*) Es ist jedoch nur die logische Möglichkeit verschiedener
Grade der Stärke und des Gegensatzes, welche hier nachgewiesen wor-
den. Bey einem Gegenstande, worüber die Erfahrung so deutlich
spricht, mag dies zum Beginnen der Untersuchung hinreichen. Die
reale Möglichkeit folgt aus allgemein-metaphysischen Betrachtungen
über die zufälligen Ansichten der Wesen, und über das Zusammen
derselben, als Bedingungen der Störungen und Selbsterhaltungen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0175" n="155"/>
res seyn <note place="foot" n="*)">Es ist jedoch nur die <hi rendition="#g">logische</hi> Möglichkeit verschiedener<lb/>
Grade der Stärke und des Gegensatzes, welche hier nachgewiesen wor-<lb/>
den. Bey einem Gegenstande, worüber die Erfahrung so deutlich<lb/>
spricht, mag dies zum Beginnen der Untersuchung hinreichen. Die<lb/><hi rendition="#g">reale</hi> Möglichkeit folgt aus allgemein-metaphysischen Betrachtungen<lb/>
über die zufälligen Ansichten der Wesen, und über das Zusammen<lb/>
derselben, als Bedingungen der Störungen und Selbsterhaltungen.</note>. Dieses ist wiederum in der Erfahrung völ-<lb/>
lig bekannt; wir schreiben allen unsern Auffassungen ur-<lb/>
sprünglich einen Grad zu.</p><lb/>
              <p>Verbinden wir nun diese Gradbestimmung mit jener,<lb/>
also den Unterschied der Vorstellungen ihrer <hi rendition="#g">Stärke</hi><lb/>
noch mit der Grö&#x017F;se ihres Gegensatzes unter einander:<lb/>
so mu&#x017F;s sich daraus ergeben, wie gro&#x017F;s in jedem Falle<lb/>
die Verdunkelung, die Hemmung, das Streben, und auch<lb/>
das noch übrige wirkliche Vorstellen seyn werde. Hier<lb/>
findet die Rechnung einen ihr angemessenen Stoff; und<lb/>
es kommt darauf an, uns von der Form solcher Rechnung<lb/>
einen allgemeinen Begriff zu bilden; womit die Ueber-<lb/>
sicht über die nachfolgenden Untersuchungen zusammen-<lb/>
hängt.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>§. 40.</head><lb/>
              <p>Die Verdunkelung der Vorstellungen, vollends wenn<lb/>
sie successiv durch verschiedene Grade fortläuft, hat so<lb/>
viel Aehnlichkeit mit einer <hi rendition="#g">Bewegung</hi>, da&#x017F;s es gar nicht<lb/>
befremdend seyn kann, wenn die Theorie von den Ge-<lb/>
setzen der Verdunkelung, und der ihr entgegenstehenden<lb/>
Erhellung, oder dem Wieder-Hervortreten der Vorstel-<lb/>
lungen ins Bewu&#x017F;stseyn, sich der Theorie von den Be-<lb/>
wegungsgesetzen der Körper im Ganzen ähnlich gestal-<lb/>
tet. Wenigstens die Sprache mu&#x017F;s von da her ihre Aus-<lb/>
drücke entlehnen, falls nicht eine neue, und deshalb un-<lb/>
verständliche Sprache unnützer Weise soll erfunden wer-<lb/>
den. Nur einige Benennungen, welche als Metaphern<lb/>
neu sind, wird man sich müssen gefallen lassen, damit<lb/>
die neuen Begriffe eine Bezeichnung erhalten können.</p><lb/>
              <p>Zu allererst werden wir den Unterschied der <hi rendition="#g">Statik</hi><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[155/0175] res seyn *). Dieses ist wiederum in der Erfahrung völ- lig bekannt; wir schreiben allen unsern Auffassungen ur- sprünglich einen Grad zu. Verbinden wir nun diese Gradbestimmung mit jener, also den Unterschied der Vorstellungen ihrer Stärke noch mit der Gröſse ihres Gegensatzes unter einander: so muſs sich daraus ergeben, wie groſs in jedem Falle die Verdunkelung, die Hemmung, das Streben, und auch das noch übrige wirkliche Vorstellen seyn werde. Hier findet die Rechnung einen ihr angemessenen Stoff; und es kommt darauf an, uns von der Form solcher Rechnung einen allgemeinen Begriff zu bilden; womit die Ueber- sicht über die nachfolgenden Untersuchungen zusammen- hängt. §. 40. Die Verdunkelung der Vorstellungen, vollends wenn sie successiv durch verschiedene Grade fortläuft, hat so viel Aehnlichkeit mit einer Bewegung, daſs es gar nicht befremdend seyn kann, wenn die Theorie von den Ge- setzen der Verdunkelung, und der ihr entgegenstehenden Erhellung, oder dem Wieder-Hervortreten der Vorstel- lungen ins Bewuſstseyn, sich der Theorie von den Be- wegungsgesetzen der Körper im Ganzen ähnlich gestal- tet. Wenigstens die Sprache muſs von da her ihre Aus- drücke entlehnen, falls nicht eine neue, und deshalb un- verständliche Sprache unnützer Weise soll erfunden wer- den. Nur einige Benennungen, welche als Metaphern neu sind, wird man sich müssen gefallen lassen, damit die neuen Begriffe eine Bezeichnung erhalten können. Zu allererst werden wir den Unterschied der Statik *) Es ist jedoch nur die logische Möglichkeit verschiedener Grade der Stärke und des Gegensatzes, welche hier nachgewiesen wor- den. Bey einem Gegenstande, worüber die Erfahrung so deutlich spricht, mag dies zum Beginnen der Untersuchung hinreichen. Die reale Möglichkeit folgt aus allgemein-metaphysischen Betrachtungen über die zufälligen Ansichten der Wesen, und über das Zusammen derselben, als Bedingungen der Störungen und Selbsterhaltungen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie01_1824
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie01_1824/175
Zitationshilfe: Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 1. Königsberg, 1824, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie01_1824/175>, abgerufen am 21.11.2024.