treibenden Kräfte. Wir haben dagegen hier eine Menge ganz andrer Grundbegriffe, welche die Mechanik der Kör- per nicht kennt, und auch dann nicht kennen würde, wenn sie, um sich der Analogie der Geistes-Mechanik anzubequemen, die gegenseitigen Drückungen einer Menge von elastischen Körpern untersuchen wollte, (denn der- gleichen liesse sich mit den Vorstellungen noch am er- sten vergleichen). Statt der Schwere, welche die Körper nach unten drängt, haben wir hier das natürliche und beständige Aufstreben aller Vorstellungen, um in ihren ungehemmten Zustand zurückzukehren; dieses jedoch ist vielmehr eine Aehnlichkeit als eine Verschiedenheit, in- dem es einen inwohnenden Trieb nach einer bestimm- ten Richtung anzeigt, welcher in jedem Augenblick so viel wirkt, als ihm die Umstände gestatten.
Doch wir wollen diese vorläufigen und oberflächli- chen Vergleichungen nicht weiter fortsetzen, sondern zur Sache kommen. Im Begriff, die ersten Linien der Sta- tik und Mechanik des Geistes vorzulegen, kann ich nicht unterlassen, die Nachsicht der Leser anzurufen, welcher das Unternehmen eines blossen Liebhabers der Mathe- matik, bey einer so neuen Untersuchung, ohne Zweifel bedürfen wird.
treibenden Kräfte. Wir haben dagegen hier eine Menge ganz andrer Grundbegriffe, welche die Mechanik der Kör- per nicht kennt, und auch dann nicht kennen würde, wenn sie, um sich der Analogie der Geistes-Mechanik anzubequemen, die gegenseitigen Drückungen einer Menge von elastischen Körpern untersuchen wollte, (denn der- gleichen lieſse sich mit den Vorstellungen noch am er- sten vergleichen). Statt der Schwere, welche die Körper nach unten drängt, haben wir hier das natürliche und beständige Aufstreben aller Vorstellungen, um in ihren ungehemmten Zustand zurückzukehren; dieses jedoch ist vielmehr eine Aehnlichkeit als eine Verschiedenheit, in- dem es einen inwohnenden Trieb nach einer bestimm- ten Richtung anzeigt, welcher in jedem Augenblick so viel wirkt, als ihm die Umstände gestatten.
Doch wir wollen diese vorläufigen und oberflächli- chen Vergleichungen nicht weiter fortsetzen, sondern zur Sache kommen. Im Begriff, die ersten Linien der Sta- tik und Mechanik des Geistes vorzulegen, kann ich nicht unterlassen, die Nachsicht der Leser anzurufen, welcher das Unternehmen eines bloſsen Liebhabers der Mathe- matik, bey einer so neuen Untersuchung, ohne Zweifel bedürfen wird.
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treibenden Kräfte. Wir haben dagegen hier eine Menge
ganz andrer Grundbegriffe, welche die Mechanik der Kör-
per nicht kennt, und auch dann nicht kennen würde,
wenn sie, um sich der Analogie der Geistes-Mechanik
anzubequemen, die gegenseitigen Drückungen einer Menge
von elastischen Körpern untersuchen wollte, (denn der-
gleichen lieſse sich mit den Vorstellungen noch am er-
sten vergleichen). Statt der Schwere, welche die Körper
nach unten drängt, haben wir hier das natürliche und
beständige Aufstreben aller Vorstellungen, um in ihren
ungehemmten Zustand zurückzukehren; dieses jedoch ist
vielmehr eine Aehnlichkeit als eine Verschiedenheit, in-
dem es einen inwohnenden Trieb nach einer bestimm-
ten Richtung anzeigt, welcher in jedem Augenblick so
viel wirkt, als ihm die Umstände gestatten.
Doch wir wollen diese vorläufigen und oberflächli-
chen Vergleichungen nicht weiter fortsetzen, sondern zur
Sache kommen. Im Begriff, die ersten Linien der Sta-
tik und Mechanik des Geistes vorzulegen, kann ich nicht
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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 1. Königsberg, 1824, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie01_1824/177>, abgerufen am 24.11.2024.
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