nun hängt dies Quantum des Gehemmten, und der Gleich- gewichtspunct, bey welchem die Hemmung still steht, da- von ab, wie weit die Bewegungsgesetze der Vorstellun- gen die Verschmelzung zur Reife gelangen lassen. Fol- gendes sind die Puncte, worauf es hier ankommt.
Erstlich, die Hemmungssumme sinkt allmählig.
Zweytens, in der nämlichen Zeit ändert sich das Hemmungsverhältniss allmählig, indem das Streben zur Verschmelzung wider die Gegensätze sich aufarbeitet.
Drittens, hieraus folgt, dass in jedem Augenblicke die bis dahin vollbrachte Hemmung von dem jetzigen Hemmungsverhältniss um etwas abweicht, und dass also jene sich diesem gemäss berichtigt.
Viertens, diese Berichtigung muss zwar damit endi- gen, dass die Vorstellungen sich nach demjenigen Hem- mungsverhältniss ins Gleichgewicht setzen, welches nach gesunkener Hemmungssumme sich zuletzt ausbildet. Aber eben das letzte Hemmungsverhältniss hängt von dem Grade der Verschmelzung ab, welchen die fortschreitende Hem- mung gestattete. Denn die Vorstellungen können nicht verschmelzen, in so fern sie schon gehemmt sind; (ein Punct, über den wir schon im §. 57. gesprochen haben.) Je schneller sie also von Anfang an niedergedrückt wer- den, desto mehr geht von derjenigen Verschmelzung ver- loren, welche entstehen würde, wenn es möglich wäre, dass von der doppelten Wirkung der Gegensätze, näm- lich die Vorstellungen sinken zu machen und ihre Ver- schmelzung aufzuhalten, die erste so lange aufgeschoben würde, bis die zweyte ihr Ende erreicht hätte.
Am gegenwärtigen Orte können diese Betrachtungen nur dazu dienen, den Gegenstand in die Mechanik des Geistes zu verweisen.
Hier aber ist besonders zu bedenken, was schon vor- hin angedeutet wurde, dass die nämlichen Betrachtungen in die Nachforschungen der vorigen Capitel zurückgreifen müssen. Schon im dritten Capitel durften wir, Falls die Untersuchung vollständig seyn sollte, das Hemmungsver-
nun hängt dies Quantum des Gehemmten, und der Gleich- gewichtspunct, bey welchem die Hemmung still steht, da- von ab, wie weit die Bewegungsgesetze der Vorstellun- gen die Verschmelzung zur Reife gelangen lassen. Fol- gendes sind die Puncte, worauf es hier ankommt.
Erstlich, die Hemmungssumme sinkt allmählig.
Zweytens, in der nämlichen Zeit ändert sich das Hemmungsverhältniſs allmählig, indem das Streben zur Verschmelzung wider die Gegensätze sich aufarbeitet.
Drittens, hieraus folgt, daſs in jedem Augenblicke die bis dahin vollbrachte Hemmung von dem jetzigen Hemmungsverhältniſs um etwas abweicht, und daſs also jene sich diesem gemäſs berichtigt.
Viertens, diese Berichtigung muſs zwar damit endi- gen, daſs die Vorstellungen sich nach demjenigen Hem- mungsverhältniſs ins Gleichgewicht setzen, welches nach gesunkener Hemmungssumme sich zuletzt ausbildet. Aber eben das letzte Hemmungsverhältniſs hängt von dem Grade der Verschmelzung ab, welchen die fortschreitende Hem- mung gestattete. Denn die Vorstellungen können nicht verschmelzen, in so fern sie schon gehemmt sind; (ein Punct, über den wir schon im §. 57. gesprochen haben.) Je schneller sie also von Anfang an niedergedrückt wer- den, desto mehr geht von derjenigen Verschmelzung ver- loren, welche entstehen würde, wenn es möglich wäre, daſs von der doppelten Wirkung der Gegensätze, näm- lich die Vorstellungen sinken zu machen und ihre Ver- schmelzung aufzuhalten, die erste so lange aufgeschoben würde, bis die zweyte ihr Ende erreicht hätte.
Am gegenwärtigen Orte können diese Betrachtungen nur dazu dienen, den Gegenstand in die Mechanik des Geistes zu verweisen.
Hier aber ist besonders zu bedenken, was schon vor- hin angedeutet wurde, daſs die nämlichen Betrachtungen in die Nachforschungen der vorigen Capitel zurückgreifen müssen. Schon im dritten Capitel durften wir, Falls die Untersuchung vollständig seyn sollte, das Hemmungsver-
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nun hängt dies Quantum des Gehemmten, und der Gleich-
gewichtspunct, bey welchem die Hemmung still steht, da-
von ab, wie weit die Bewegungsgesetze der Vorstellun-
gen die Verschmelzung zur Reife gelangen lassen. Fol-
gendes sind die Puncte, worauf es hier ankommt.
Erstlich, die Hemmungssumme sinkt allmählig.
Zweytens, in der nämlichen Zeit ändert sich das
Hemmungsverhältniſs allmählig, indem das Streben zur
Verschmelzung wider die Gegensätze sich aufarbeitet.
Drittens, hieraus folgt, daſs in jedem Augenblicke
die bis dahin vollbrachte Hemmung von dem jetzigen
Hemmungsverhältniſs um etwas abweicht, und daſs also
jene sich diesem gemäſs berichtigt.
Viertens, diese Berichtigung muſs zwar damit endi-
gen, daſs die Vorstellungen sich nach demjenigen Hem-
mungsverhältniſs ins Gleichgewicht setzen, welches nach
gesunkener Hemmungssumme sich zuletzt ausbildet. Aber
eben das letzte Hemmungsverhältniſs hängt von dem Grade
der Verschmelzung ab, welchen die fortschreitende Hem-
mung gestattete. Denn die Vorstellungen können nicht
verschmelzen, in so fern sie schon gehemmt sind; (ein
Punct, über den wir schon im §. 57. gesprochen haben.)
Je schneller sie also von Anfang an niedergedrückt wer-
den, desto mehr geht von derjenigen Verschmelzung ver-
loren, welche entstehen würde, wenn es möglich wäre,
daſs von der doppelten Wirkung der Gegensätze, näm-
lich die Vorstellungen sinken zu machen und ihre Ver-
schmelzung aufzuhalten, die erste so lange aufgeschoben
würde, bis die zweyte ihr Ende erreicht hätte.
Am gegenwärtigen Orte können diese Betrachtungen
nur dazu dienen, den Gegenstand in die Mechanik des
Geistes zu verweisen.
Hier aber ist besonders zu bedenken, was schon vor-
hin angedeutet wurde, daſs die nämlichen Betrachtungen
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müssen. Schon im dritten Capitel durften wir, Falls die
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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 1. Königsberg, 1824, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie01_1824/256>, abgerufen am 24.11.2024.
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