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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 1. Königsberg, 1824.

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hältniss nicht bloss von den Hemmungsgraden und von
der Stärke der Vorstellungen abhängig machen. Dort, und
dann ferner bey den Complexionen, deren Elemente aus
einerley Continuum ebenfalls der Verschmelzung schon
vor der Hemmung (oder vielmehr, wie wir nun sehen,
während derselben), unterworfen sind, musste auf die
daraus hervorgehende Abänderung des Hemmungsverhält-
nisses Rücksicht genommen werden.

Würde dieses als ein Vorwurf gegen den bisherigen
Vortrag angesehen: so läge die Antwort in der einzigen
Erinnerung, dass die Aufstellung der Elementarbegriffe
nicht mit so verwickelten Fragen belastet werden durfte,
wie die vom Einfluss der Verschmelzung auf die Hem-
mung.

Ueberdies aber ist der Einfluss der Verschmelzung
nicht von so grossem Umfange, als es Anfangs scheinen
muss. Und die gehörige Begränzung dieses Einflusses ist
nun das nächste, was zu bestimmen uns obliegt.

§. 72.

Zuvörderst: die Stärke des Strebens zur Verschmel-
zung ist von dem Hemmungsgrade zweyer Vorstellungen,
und von der schwächeren, nicht aber von der stärkeren
unter beyden, abhängig.

Der Hemmungsgrad sey m, ein ächter Bruch; so ist
1--m das Gleichartige beyder Vorstellungen. Gleichar-
tigkeit aber ist nichts, was einer für sich allein zukäme,
sie ist nur Eine für beyde Vorstellungen, während das
Entgegengesetzte allemal zweyerley Verschiedenes ist, in-
dem es auf zweyen Eigenthümlichkeiten zweyer Vorstel-
lungen beruht. Die Gleichartigkeit, und mit ihr das Stre-
ben nach Verschmelzung, wächst nun ohne Zweifel in
demselben arithmetischen Verhältnisse, in welchem der
Hemmungsgrad abnimmt. Sie wächst auch, wenn zwey
gleich starke Vorstellungen gleichmässig wachsen oder
abnehmen; nämlich die Gleichartigkeit ist alsdann gleich-
sam in einer grösseren oder geringeren Masse realisirt,
daher auch das Streben nach Verschmelzung in einer

hältniſs nicht bloſs von den Hemmungsgraden und von
der Stärke der Vorstellungen abhängig machen. Dort, und
dann ferner bey den Complexionen, deren Elemente aus
einerley Continuum ebenfalls der Verschmelzung schon
vor der Hemmung (oder vielmehr, wie wir nun sehen,
während derselben), unterworfen sind, muſste auf die
daraus hervorgehende Abänderung des Hemmungsverhält-
nisses Rücksicht genommen werden.

Würde dieses als ein Vorwurf gegen den bisherigen
Vortrag angesehen: so läge die Antwort in der einzigen
Erinnerung, daſs die Aufstellung der Elementarbegriffe
nicht mit so verwickelten Fragen belastet werden durfte,
wie die vom Einfluſs der Verschmelzung auf die Hem-
mung.

Ueberdies aber ist der Einfluſs der Verschmelzung
nicht von so groſsem Umfange, als es Anfangs scheinen
muſs. Und die gehörige Begränzung dieses Einflusses ist
nun das nächste, was zu bestimmen uns obliegt.

§. 72.

Zuvörderst: die Stärke des Strebens zur Verschmel-
zung ist von dem Hemmungsgrade zweyer Vorstellungen,
und von der schwächeren, nicht aber von der stärkeren
unter beyden, abhängig.

Der Hemmungsgrad sey m, ein ächter Bruch; so ist
1—m das Gleichartige beyder Vorstellungen. Gleichar-
tigkeit aber ist nichts, was einer für sich allein zukäme,
sie ist nur Eine für beyde Vorstellungen, während das
Entgegengesetzte allemal zweyerley Verschiedenes ist, in-
dem es auf zweyen Eigenthümlichkeiten zweyer Vorstel-
lungen beruht. Die Gleichartigkeit, und mit ihr das Stre-
ben nach Verschmelzung, wächst nun ohne Zweifel in
demselben arithmetischen Verhältnisse, in welchem der
Hemmungsgrad abnimmt. Sie wächst auch, wenn zwey
gleich starke Vorstellungen gleichmäſsig wachsen oder
abnehmen; nämlich die Gleichartigkeit ist alsdann gleich-
sam in einer gröſseren oder geringeren Masse realisirt,
daher auch das Streben nach Verschmelzung in einer

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[237/0257] hältniſs nicht bloſs von den Hemmungsgraden und von der Stärke der Vorstellungen abhängig machen. Dort, und dann ferner bey den Complexionen, deren Elemente aus einerley Continuum ebenfalls der Verschmelzung schon vor der Hemmung (oder vielmehr, wie wir nun sehen, während derselben), unterworfen sind, muſste auf die daraus hervorgehende Abänderung des Hemmungsverhält- nisses Rücksicht genommen werden. Würde dieses als ein Vorwurf gegen den bisherigen Vortrag angesehen: so läge die Antwort in der einzigen Erinnerung, daſs die Aufstellung der Elementarbegriffe nicht mit so verwickelten Fragen belastet werden durfte, wie die vom Einfluſs der Verschmelzung auf die Hem- mung. Ueberdies aber ist der Einfluſs der Verschmelzung nicht von so groſsem Umfange, als es Anfangs scheinen muſs. Und die gehörige Begränzung dieses Einflusses ist nun das nächste, was zu bestimmen uns obliegt. §. 72. Zuvörderst: die Stärke des Strebens zur Verschmel- zung ist von dem Hemmungsgrade zweyer Vorstellungen, und von der schwächeren, nicht aber von der stärkeren unter beyden, abhängig. Der Hemmungsgrad sey m, ein ächter Bruch; so ist 1—m das Gleichartige beyder Vorstellungen. Gleichar- tigkeit aber ist nichts, was einer für sich allein zukäme, sie ist nur Eine für beyde Vorstellungen, während das Entgegengesetzte allemal zweyerley Verschiedenes ist, in- dem es auf zweyen Eigenthümlichkeiten zweyer Vorstel- lungen beruht. Die Gleichartigkeit, und mit ihr das Stre- ben nach Verschmelzung, wächst nun ohne Zweifel in demselben arithmetischen Verhältnisse, in welchem der Hemmungsgrad abnimmt. Sie wächst auch, wenn zwey gleich starke Vorstellungen gleichmäſsig wachsen oder abnehmen; nämlich die Gleichartigkeit ist alsdann gleich- sam in einer gröſseren oder geringeren Masse realisirt, daher auch das Streben nach Verschmelzung in einer

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Zitationshilfe: Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 1. Königsberg, 1824, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie01_1824/257>, abgerufen am 24.11.2024.