nicht die engste Gränze, worin die Abänderung des Hem- mungs-Verhältnisses durch die Verschmelzung vor der Hemmung, muss eingeschlossen werden.
Die Vorstellungen sind ursprünglich unverschmolzen. Wenn sie nun auch einander nahe genug, oder gleich- artig genug, sind, damit nicht, nach der eben geführten Rechnung, die Energie des Verschmelzens gänzlich über- wunden werde von dem entgegengesetzten Eigenthümli- chen einer jeden einzelnen Vorstellung: so fragt es sich dennoch, ob irgend etwas von wirklicher Verschmelzung zu Stande kommen könne? Dazu gehört, dass die Ener- gie der Gleichartigkeit, welche ursprünglich in beyden Vorstellungen nur Eine ist, sich in zwey gleiche Kräfte theile. Denn sie muss die eine Vorstellung mit der an- dern, und auch die andere mit jener, verschmelzen.
Nun sind aber die Vorstellungen nicht einerley; und es kann auch in keiner von beyden das Gleichartige vom Entgegengesetzten wirklich losgerissen werden, um sich mit der andern zu vereinigen. Also bleibt nichts übrig, als dass mit jeder von beyden sich die andre in einem gewissen, beschränkten Grade verbinde. Jede einzelne Vorstellung wird gleichsam ein Subject, mit welchem sich die andre, so weit sie kann, als Prädicat vereinigen soll. Demnach giebt es nicht eine, sondern zwey Verknüpfun- gen; und die eine, verschmelzende Kraft theilt sich nicht bloss in zwey Kräfte, sondern diese beyden Kräfte sind auch unter einander in vollem Widerstreite, in so fern sie auf umgekehrte Weise eine der beyden Vorstellun- gen als eine solche setzen, mit welcher die andre un- vollkommen verbunden werde. Fragt man aber, wie sich die eine, verschmelzende Kraft theilen könne? so ist die Antwort: sie liegt ursprünglich eben so wohl in der ei- nen als in der andern der beyden Vorstellungen, da zur Gleichheit derselben gewiss beyde nöthig sind; und nur in ihren beyden Aeusserungen ist sie mit sich selbst im Streite. -- In dieser Beziehung sind nun offenbar vier
Kräfte
nicht die engste Gränze, worin die Abänderung des Hem- mungs-Verhältnisses durch die Verschmelzung vor der Hemmung, muſs eingeschlossen werden.
Die Vorstellungen sind ursprünglich unverschmolzen. Wenn sie nun auch einander nahe genug, oder gleich- artig genug, sind, damit nicht, nach der eben geführten Rechnung, die Energie des Verschmelzens gänzlich über- wunden werde von dem entgegengesetzten Eigenthümli- chen einer jeden einzelnen Vorstellung: so fragt es sich dennoch, ob irgend etwas von wirklicher Verschmelzung zu Stande kommen könne? Dazu gehört, daſs die Ener- gie der Gleichartigkeit, welche ursprünglich in beyden Vorstellungen nur Eine ist, sich in zwey gleiche Kräfte theile. Denn sie muſs die eine Vorstellung mit der an- dern, und auch die andere mit jener, verschmelzen.
Nun sind aber die Vorstellungen nicht einerley; und es kann auch in keiner von beyden das Gleichartige vom Entgegengesetzten wirklich losgerissen werden, um sich mit der andern zu vereinigen. Also bleibt nichts übrig, als daſs mit jeder von beyden sich die andre in einem gewissen, beschränkten Grade verbinde. Jede einzelne Vorstellung wird gleichsam ein Subject, mit welchem sich die andre, so weit sie kann, als Prädicat vereinigen soll. Demnach giebt es nicht eine, sondern zwey Verknüpfun- gen; und die eine, verschmelzende Kraft theilt sich nicht bloſs in zwey Kräfte, sondern diese beyden Kräfte sind auch unter einander in vollem Widerstreite, in so fern sie auf umgekehrte Weise eine der beyden Vorstellun- gen als eine solche setzen, mit welcher die andre un- vollkommen verbunden werde. Fragt man aber, wie sich die eine, verschmelzende Kraft theilen könne? so ist die Antwort: sie liegt ursprünglich eben so wohl in der ei- nen als in der andern der beyden Vorstellungen, da zur Gleichheit derselben gewiſs beyde nöthig sind; und nur in ihren beyden Aeuſserungen ist sie mit sich selbst im Streite. — In dieser Beziehung sind nun offenbar vier
Kräfte
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nicht die engste Gränze, worin die Abänderung des Hem-
mungs-Verhältnisses durch die Verschmelzung vor der
Hemmung, muſs eingeschlossen werden.
Die Vorstellungen sind ursprünglich unverschmolzen.
Wenn sie nun auch einander nahe genug, oder gleich-
artig genug, sind, damit nicht, nach der eben geführten
Rechnung, die Energie des Verschmelzens gänzlich über-
wunden werde von dem entgegengesetzten Eigenthümli-
chen einer jeden einzelnen Vorstellung: so fragt es sich
dennoch, ob irgend etwas von wirklicher Verschmelzung
zu Stande kommen könne? Dazu gehört, daſs die Ener-
gie der Gleichartigkeit, welche ursprünglich in beyden
Vorstellungen nur Eine ist, sich in zwey gleiche Kräfte
theile. Denn sie muſs die eine Vorstellung mit der an-
dern, und auch die andere mit jener, verschmelzen.
Nun sind aber die Vorstellungen nicht einerley; und
es kann auch in keiner von beyden das Gleichartige vom
Entgegengesetzten wirklich losgerissen werden, um sich
mit der andern zu vereinigen. Also bleibt nichts übrig,
als daſs mit jeder von beyden sich die andre in einem
gewissen, beschränkten Grade verbinde. Jede einzelne
Vorstellung wird gleichsam ein Subject, mit welchem sich
die andre, so weit sie kann, als Prädicat vereinigen soll.
Demnach giebt es nicht eine, sondern zwey Verknüpfun-
gen; und die eine, verschmelzende Kraft theilt sich nicht
bloſs in zwey Kräfte, sondern diese beyden Kräfte sind
auch unter einander in vollem Widerstreite, in so fern
sie auf umgekehrte Weise eine der beyden Vorstellun-
gen als eine solche setzen, mit welcher die andre un-
vollkommen verbunden werde. Fragt man aber, wie sich
die eine, verschmelzende Kraft theilen könne? so ist die
Antwort: sie liegt ursprünglich eben so wohl in der ei-
nen als in der andern der beyden Vorstellungen, da zur
Gleichheit derselben gewiſs beyde nöthig sind; und nur
in ihren beyden Aeuſserungen ist sie mit sich selbst im
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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 1. Königsberg, 1824, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie01_1824/260>, abgerufen am 27.11.2024.
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