ich nicht jedes einzelne von diesen Urtheilen genau kennte, nicht geübt wäre, die vorgeblichen Aussprüche des moralischen Gefühls auf sie zurückzuführen, nicht aus den nämlichen Gründen die Tugend als ein Ganzes verschiedener Bestandtheile erkannt hätte, die zum Theil gelehrt, zum Theil geübt werden, zum Theil vor aller Lehre und Uebung voraus, unter Begünstigung einer glücklichen Organisation im Menschen entstehn müssen; wenn ich nicht auf diese Weise einer Menge von psy- chologischen Fragen, mit denen Andre sich quälen, im Voraus überhoben gewesen wäre: so möchte leicht der psychologische Mechanismus mich mit eben dem Schrek- ken erfüllt haben, mit welchem so Viele vor ihm die Au- gen verschliessen, die eben so wenig vertragen, ins In- nere des menschlichen Geistes zu schauen, als sie das Innere des Leibes ohne Grauen betrachten können. --
Nach diesen Erinnerungen kehre ich zur Hauptsache zurück.
Von der Grundlegung zu einer Wissenschaft erwar- tet man, dass sie die dahin gehörigen Untersuchungen in Gang setze; und weit genug fortführe, um die Möglich- keit der Wissenschaft, und das in derselben zu beob- achtende Verfahren, vor Augen zu stellen. Sie soll dem- nach die verschiedenen Erkenntnissgründe dieser Wis- senschaft, wofern es deren mehrere giebt, durchmustern, und an jedem derselben den Anfang der Forschung zei- gen; sey es nun, dass jedes eigne Aufschlüsse ertheile, oder dass die verschiedenen auf einerley Resultat führen, in welchem Falle sie immer noch dienen, die Intension der Ueberzeugung zu verstärken.
Von der Psychologie ist nach 11--13. anzunehmen, dass sie mehrere Erkenntnissgründe besitze, und zwar nicht eben in dem Sinne, als ob dieselben gleich Vorder- sätzen zu Schlüssen unter einander zu verknüpfen wären; sondern so, dass jedes für sich ein Factum des Bewusst- seyns darstelle, wovon, als dem Bedingten, auf die Be-
ich nicht jedes einzelne von diesen Urtheilen genau kennte, nicht geübt wäre, die vorgeblichen Aussprüche des moralischen Gefühls auf sie zurückzuführen, nicht aus den nämlichen Gründen die Tugend als ein Ganzes verschiedener Bestandtheile erkannt hätte, die zum Theil gelehrt, zum Theil geübt werden, zum Theil vor aller Lehre und Uebung voraus, unter Begünstigung einer glücklichen Organisation im Menschen entstehn müssen; wenn ich nicht auf diese Weise einer Menge von psy- chologischen Fragen, mit denen Andre sich quälen, im Voraus überhoben gewesen wäre: so möchte leicht der psychologische Mechanismus mich mit eben dem Schrek- ken erfüllt haben, mit welchem so Viele vor ihm die Au- gen verschlieſsen, die eben so wenig vertragen, ins In- nere des menschlichen Geistes zu schauen, als sie das Innere des Leibes ohne Grauen betrachten können. —
Nach diesen Erinnerungen kehre ich zur Hauptsache zurück.
Von der Grundlegung zu einer Wissenschaft erwar- tet man, daſs sie die dahin gehörigen Untersuchungen in Gang setze; und weit genug fortführe, um die Möglich- keit der Wissenschaft, und das in derselben zu beob- achtende Verfahren, vor Augen zu stellen. Sie soll dem- nach die verschiedenen Erkenntniſsgründe dieser Wis- senschaft, wofern es deren mehrere giebt, durchmustern, und an jedem derselben den Anfang der Forschung zei- gen; sey es nun, daſs jedes eigne Aufschlüsse ertheile, oder daſs die verschiedenen auf einerley Resultat führen, in welchem Falle sie immer noch dienen, die Intension der Ueberzeugung zu verstärken.
Von der Psychologie ist nach 11—13. anzunehmen, daſs sie mehrere Erkenntniſsgründe besitze, und zwar nicht eben in dem Sinne, als ob dieselben gleich Vorder- sätzen zu Schlüssen unter einander zu verknüpfen wären; sondern so, daſs jedes für sich ein Factum des Bewuſst- seyns darstelle, wovon, als dem Bedingten, auf die Be-
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ich nicht jedes einzelne von diesen Urtheilen genau
kennte, nicht geübt wäre, die vorgeblichen Aussprüche
des moralischen Gefühls auf sie zurückzuführen, nicht
aus den nämlichen Gründen die Tugend als ein Ganzes
verschiedener Bestandtheile erkannt hätte, die zum Theil
gelehrt, zum Theil geübt werden, zum Theil vor aller
Lehre und Uebung voraus, unter Begünstigung einer
glücklichen Organisation im Menschen entstehn müssen;
wenn ich nicht auf diese Weise einer Menge von psy-
chologischen Fragen, mit denen Andre sich quälen, im
Voraus überhoben gewesen wäre: so möchte leicht der
psychologische Mechanismus mich mit eben dem Schrek-
ken erfüllt haben, mit welchem so Viele vor ihm die Au-
gen verschlieſsen, die eben so wenig vertragen, ins In-
nere des menschlichen Geistes zu schauen, als sie das
Innere des Leibes ohne Grauen betrachten können. —
Nach diesen Erinnerungen kehre ich zur Hauptsache
zurück.
Von der Grundlegung zu einer Wissenschaft erwar-
tet man, daſs sie die dahin gehörigen Untersuchungen in
Gang setze; und weit genug fortführe, um die Möglich-
keit der Wissenschaft, und das in derselben zu beob-
achtende Verfahren, vor Augen zu stellen. Sie soll dem-
nach die verschiedenen Erkenntniſsgründe dieser Wis-
senschaft, wofern es deren mehrere giebt, durchmustern,
und an jedem derselben den Anfang der Forschung zei-
gen; sey es nun, daſs jedes eigne Aufschlüsse ertheile,
oder daſs die verschiedenen auf einerley Resultat führen,
in welchem Falle sie immer noch dienen, die Intension
der Ueberzeugung zu verstärken.
Von der Psychologie ist nach 11—13. anzunehmen,
daſs sie mehrere Erkenntniſsgründe besitze, und zwar
nicht eben in dem Sinne, als ob dieselben gleich Vorder-
sätzen zu Schlüssen unter einander zu verknüpfen wären;
sondern so, daſs jedes für sich ein Factum des Bewuſst-
seyns darstelle, wovon, als dem Bedingten, auf die Be-
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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 1. Königsberg, 1824, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie01_1824/99>, abgerufen am 21.11.2024.
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