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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825.

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Wie es einer Vorstellung vermöge ihrer Verbindun-
gen und der hinzukommenden Aufregungen begegnen
kann, dass sie sich als Begierde äussert, eben so trifft
es sich wohl auch, dass mit ihren verschiedenen Stellun-
gen im Bewusstseyn heute Lust, morgen Unlust verbun-
den ist, ohne dass darum sie selbst etwas mehr als ein
gleichgültiges Object ins Bewusstseyn zu bringen hätte.
Dergleichen bemerken wir bey allen Gegenständen unsrer
Beschäfftigung; sie kommen uns bald gelegen, bald un-
gelegen, nach den Umständen.

Ganz anders verhält es sich mit dem eigentlich An-
genehmen und Unangenehmen. Wem es in diesem Au-
genblicke völlig ungelegen ist, sich zu baden, der kann
gleichwohl mit dem eingetauchten Finger prüfen, ob das
schon bereitete Bad eine angenehme Wärme habe. Wer
Wohlgerüche scheut, als ungesund, oder sie verachtet,
der kann dennoch einen Ausspruch darüber thun, ob dies
oder jenes angenehmer rieche. Wer einen körperlichen
Schmerz höchst gelassen erduldet, wird ihn dennoch un-
angenehm nennen, so dass der Schmerz ein Prädicat be-
kommt, was vom Erdulden desselben unabhängig besteht.

Auf diese Weise giebt es eine, nicht eben gar grosse,
Anzahl von Gefühlen, denen ihre Annehmlichkeit oder
Unannehmlichkeit wesentlich zugehört. Jede solche
Annehmlichkeit oder Unannehmlichkeit ist von eigner
Art
, jede hat ihren eignen Grad; der darum nicht grö-
sser noch kleiner wird, ob man ihr viel oder wenig
Wichtigkeit beylege; wofern nicht etwa die Empfänglich-
keit des Fühlenden sich ändert, welches nicht hieher
gehört.

Es fehlt nicht viel daran, dass die Aussage von sol-
cher Annehmlichkeit oder Unannehmlichkeit die Form
eines Urtheils bekomme. Wirklich spricht man oft: die-
ser Wind ist unangenehm, der elektrische Schlag ist un-
angenehm. Allein bey genauer Prüfung zeigt sich ein
Fehler im Subjecte solcher Sätze. Nicht der bewegten
Luft, nicht dem hervorspringenden Funken, kommt jenes

Wie es einer Vorstellung vermöge ihrer Verbindun-
gen und der hinzukommenden Aufregungen begegnen
kann, daſs sie sich als Begierde äuſsert, eben so trifft
es sich wohl auch, daſs mit ihren verschiedenen Stellun-
gen im Bewuſstseyn heute Lust, morgen Unlust verbun-
den ist, ohne daſs darum sie selbst etwas mehr als ein
gleichgültiges Object ins Bewuſstseyn zu bringen hätte.
Dergleichen bemerken wir bey allen Gegenständen unsrer
Beschäfftigung; sie kommen uns bald gelegen, bald un-
gelegen, nach den Umständen.

Ganz anders verhält es sich mit dem eigentlich An-
genehmen und Unangenehmen. Wem es in diesem Au-
genblicke völlig ungelegen ist, sich zu baden, der kann
gleichwohl mit dem eingetauchten Finger prüfen, ob das
schon bereitete Bad eine angenehme Wärme habe. Wer
Wohlgerüche scheut, als ungesund, oder sie verachtet,
der kann dennoch einen Ausspruch darüber thun, ob dies
oder jenes angenehmer rieche. Wer einen körperlichen
Schmerz höchst gelassen erduldet, wird ihn dennoch un-
angenehm nennen, so daſs der Schmerz ein Prädicat be-
kommt, was vom Erdulden desselben unabhängig besteht.

Auf diese Weise giebt es eine, nicht eben gar groſse,
Anzahl von Gefühlen, denen ihre Annehmlichkeit oder
Unannehmlichkeit wesentlich zugehört. Jede solche
Annehmlichkeit oder Unannehmlichkeit ist von eigner
Art
, jede hat ihren eignen Grad; der darum nicht grö-
ſser noch kleiner wird, ob man ihr viel oder wenig
Wichtigkeit beylege; wofern nicht etwa die Empfänglich-
keit des Fühlenden sich ändert, welches nicht hieher
gehört.

Es fehlt nicht viel daran, daſs die Aussage von sol-
cher Annehmlichkeit oder Unannehmlichkeit die Form
eines Urtheils bekomme. Wirklich spricht man oft: die-
ser Wind ist unangenehm, der elektrische Schlag ist un-
angenehm. Allein bey genauer Prüfung zeigt sich ein
Fehler im Subjecte solcher Sätze. Nicht der bewegten
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[111/0146] Wie es einer Vorstellung vermöge ihrer Verbindun- gen und der hinzukommenden Aufregungen begegnen kann, daſs sie sich als Begierde äuſsert, eben so trifft es sich wohl auch, daſs mit ihren verschiedenen Stellun- gen im Bewuſstseyn heute Lust, morgen Unlust verbun- den ist, ohne daſs darum sie selbst etwas mehr als ein gleichgültiges Object ins Bewuſstseyn zu bringen hätte. Dergleichen bemerken wir bey allen Gegenständen unsrer Beschäfftigung; sie kommen uns bald gelegen, bald un- gelegen, nach den Umständen. Ganz anders verhält es sich mit dem eigentlich An- genehmen und Unangenehmen. Wem es in diesem Au- genblicke völlig ungelegen ist, sich zu baden, der kann gleichwohl mit dem eingetauchten Finger prüfen, ob das schon bereitete Bad eine angenehme Wärme habe. Wer Wohlgerüche scheut, als ungesund, oder sie verachtet, der kann dennoch einen Ausspruch darüber thun, ob dies oder jenes angenehmer rieche. Wer einen körperlichen Schmerz höchst gelassen erduldet, wird ihn dennoch un- angenehm nennen, so daſs der Schmerz ein Prädicat be- kommt, was vom Erdulden desselben unabhängig besteht. Auf diese Weise giebt es eine, nicht eben gar groſse, Anzahl von Gefühlen, denen ihre Annehmlichkeit oder Unannehmlichkeit wesentlich zugehört. Jede solche Annehmlichkeit oder Unannehmlichkeit ist von eigner Art, jede hat ihren eignen Grad; der darum nicht grö- ſser noch kleiner wird, ob man ihr viel oder wenig Wichtigkeit beylege; wofern nicht etwa die Empfänglich- keit des Fühlenden sich ändert, welches nicht hieher gehört. Es fehlt nicht viel daran, daſs die Aussage von sol- cher Annehmlichkeit oder Unannehmlichkeit die Form eines Urtheils bekomme. Wirklich spricht man oft: die- ser Wind ist unangenehm, der elektrische Schlag ist un- angenehm. Allein bey genauer Prüfung zeigt sich ein Fehler im Subjecte solcher Sätze. Nicht der bewegten Luft, nicht dem hervorspringenden Funken, kommt jenes

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Zitationshilfe: Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie02_1825/146>, abgerufen am 21.11.2024.