sonificiren. Daher die Hölle und der Teufel. Der Magnetismus im menschlichen Geiste -- kein neues, magisches, sondern ein natürliches und wirksames Princip, nämlich das bekannte Streben nach Effect, welches nicht eher ruht, als bis die Gegensätze zu ihrem Maximum ge- steigert sind, -- macht sich überall Pole, auch wo man keine sieht; wie hätte er den Gegenpol des Himmels weglassen können? Platons Lehre nun ist nichts als die äusserste Milderung dieser Polarität. Hingegen der freye Abfall der bösen Geister, (eine förmliche Rebellion im Reiche Gottes,) ist deren schärfste und härteste Spitze; nicht bloss Gegensatz, sondern Trotz wider den Allerhöchsten! Gewiss ein poetischer Trotz! Aber consequent ist dessen Zulassung für den Begriff des heiligsten Wesens eben so wenig, als der Pantheismus; vielmehr muss man eingestehen, dass die Langmuth gegen den Fürsten der Fin- sterniss, um das Gelindeste zu sagen, die unbe- greiflichste aller göttlichen Eigenschaften, das geheimste der Geheimnisse seyn würde.
Wir blicken jetzt zurück auf jene streiten- den Partheyen, und überlegen, welches Schick- sal sie wohl der Philosophie bereiten mögen? Jede von beyden will siegen; aber schon der erste Anfang des Streits konnte zeigen, dass die Burg des Pantheismus eben so vergeblich bela- gert als vertheidigt wurde. Vergebens schmei- chelt man sich, die Schellingische Schule werde allmählig verstummen; denn lange vor Schelling, und unabhängig von Lessing, ha- ben sehr ausgezeichnete Köpfe das vergötterte Weltall des Spinoza für den erhabensten Ge-
sonificiren. Daher die Hölle und der Teufel. Der Magnetismus im menschlichen Geiste — kein neues, magisches, sondern ein natürliches und wirksames Princip, nämlich das bekannte Streben nach Effect, welches nicht eher ruht, als bis die Gegensätze zu ihrem Maximum ge- steigert sind, — macht sich überall Pole, auch wo man keine sieht; wie hätte er den Gegenpol des Himmels weglassen können? Platons Lehre nun ist nichts als die äuſserste Milderung dieser Polarität. Hingegen der freye Abfall der bösen Geister, (eine förmliche Rebellion im Reiche Gottes,) ist deren schärfste und härteste Spitze; nicht bloſs Gegensatz, sondern Trotz wider den Allerhöchsten! Gewiſs ein poetischer Trotz! Aber consequent ist dessen Zulassung für den Begriff des heiligsten Wesens eben so wenig, als der Pantheismus; vielmehr muſs man eingestehen, daſs die Langmuth gegen den Fürsten der Fin- sterniſs, um das Gelindeste zu sagen, die unbe- greiflichste aller göttlichen Eigenschaften, das geheimste der Geheimnisse seyn würde.
Wir blicken jetzt zurück auf jene streiten- den Partheyen, und überlegen, welches Schick- sal sie wohl der Philosophie bereiten mögen? Jede von beyden will siegen; aber schon der erste Anfang des Streits konnte zeigen, daſs die Burg des Pantheismus eben so vergeblich bela- gert als vertheidigt wurde. Vergebens schmei- chelt man sich, die Schellingische Schule werde allmählig verstummen; denn lange vor Schelling, und unabhängig von Lessing, ha- ben sehr ausgezeichnete Köpfe das vergötterte Weltall des Spinoza für den erhabensten Ge-
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[IX/0016]
sonificiren. Daher die Hölle und der Teufel.
Der Magnetismus im menschlichen Geiste —
kein neues, magisches, sondern ein natürliches
und wirksames Princip, nämlich das bekannte
Streben nach Effect, welches nicht eher ruht,
als bis die Gegensätze zu ihrem Maximum ge-
steigert sind, — macht sich überall Pole, auch
wo man keine sieht; wie hätte er den Gegenpol
des Himmels weglassen können? Platons Lehre
nun ist nichts als die äuſserste Milderung dieser
Polarität. Hingegen der freye Abfall der bösen
Geister, (eine förmliche Rebellion im Reiche
Gottes,) ist deren schärfste und härteste Spitze;
nicht bloſs Gegensatz, sondern Trotz wider den
Allerhöchsten! Gewiſs ein poetischer Trotz! Aber
consequent ist dessen Zulassung für den Begriff
des heiligsten Wesens eben so wenig, als der
Pantheismus; vielmehr muſs man eingestehen,
daſs die Langmuth gegen den Fürsten der Fin-
sterniſs, um das Gelindeste zu sagen, die unbe-
greiflichste aller göttlichen Eigenschaften, das
geheimste der Geheimnisse seyn würde.
Wir blicken jetzt zurück auf jene streiten-
den Partheyen, und überlegen, welches Schick-
sal sie wohl der Philosophie bereiten mögen?
Jede von beyden will siegen; aber schon der
erste Anfang des Streits konnte zeigen, daſs die
Burg des Pantheismus eben so vergeblich bela-
gert als vertheidigt wurde. Vergebens schmei-
chelt man sich, die Schellingische Schule
werde allmählig verstummen; denn lange vor
Schelling, und unabhängig von Lessing, ha-
ben sehr ausgezeichnete Köpfe das vergötterte
Weltall des Spinoza für den erhabensten Ge-
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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825, S. IX. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie02_1825/16>, abgerufen am 21.11.2024.
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