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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825.

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herbeygeführt wurden; er hielt die Dinge, (wie
man gegen Spinoza durchaus thun muss,) dem
Seyn nach ausser Gott; und doch in Hinsicht
dessen, was sie sind, wenigstens was sie für
uns
sind, bedeuten, und werth sind, -- un-
terwarf er sie der Vorsehung. So war der Pan-
theismus, dieser gefährliche Feind, den die Kirche
unvermerkt in ihrem eignen Schoosse hervor-
bringt und ernährt, vermieden. Nun wird zwar
wohl die Kirche niemals die Sprache des Pla-
ton
reden; sie kennt aus der Geschichte die
Misdeutungen, welche daraus entstehn können.
Aber wenn einmal nicht gefragt wird, was man
in Reden, die sich an Viele wenden, sagen solle,
sondern was die Denkenden denken werden,
dann findet es sich, dass die Lehre des Platon
besser ist, während die des Spinoza besser
klingt. Und dieses findet sich um desto gewis-
ser, da die Kirche nicht bloss dem Pantheismus
abgeneigt ist, welcher das Princip der Endlich-
keit in Gott hineinversetzt, sondern auch, und
zwar nicht minder, demjenigen überspannten
Theismus, der, um jenes für lästig gehaltene
Princip zu verflüchtigen, oder vielmehr zu igno-
riren, (denn das Verflüchtigen gelingt nicht,)
sich von der Erfahrung absichtlich hinwegwen-
det, und in allerley Formen sich durch eine
vorgeschützte Unwissenheit zu helfen sucht. Kann
die Kirche eine solche Hülfe annehmen? Sie
will ja leben und wirken in unserer Welt! Sie
weiss sehr gut, dass sie auf dem irdischen Bo-
den steht; ja noch mehr, sie hat eine alte, noch
jetzt nicht ganz erloschene Neigung, das Princip
der Endlichkeit sogar zu idealisiren und zu per-

herbeygeführt wurden; er hielt die Dinge, (wie
man gegen Spinoza durchaus thun muſs,) dem
Seyn nach auſser Gott; und doch in Hinsicht
dessen, was sie sind, wenigstens was sie für
uns
sind, bedeuten, und werth sind, — un-
terwarf er sie der Vorsehung. So war der Pan-
theismus, dieser gefährliche Feind, den die Kirche
unvermerkt in ihrem eignen Schooſse hervor-
bringt und ernährt, vermieden. Nun wird zwar
wohl die Kirche niemals die Sprache des Pla-
ton
reden; sie kennt aus der Geschichte die
Misdeutungen, welche daraus entstehn können.
Aber wenn einmal nicht gefragt wird, was man
in Reden, die sich an Viele wenden, sagen solle,
sondern was die Denkenden denken werden,
dann findet es sich, daſs die Lehre des Platon
besser ist, während die des Spinoza besser
klingt. Und dieses findet sich um desto gewis-
ser, da die Kirche nicht bloſs dem Pantheismus
abgeneigt ist, welcher das Princip der Endlich-
keit in Gott hineinversetzt, sondern auch, und
zwar nicht minder, demjenigen überspannten
Theismus, der, um jenes für lästig gehaltene
Princip zu verflüchtigen, oder vielmehr zu igno-
riren, (denn das Verflüchtigen gelingt nicht,)
sich von der Erfahrung absichtlich hinwegwen-
det, und in allerley Formen sich durch eine
vorgeschützte Unwissenheit zu helfen sucht. Kann
die Kirche eine solche Hülfe annehmen? Sie
will ja leben und wirken in unserer Welt! Sie
weiſs sehr gut, daſs sie auf dem irdischen Bo-
den steht; ja noch mehr, sie hat eine alte, noch
jetzt nicht ganz erloschene Neigung, das Princip
der Endlichkeit sogar zu idealisiren und zu per-

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[VIII/0015] herbeygeführt wurden; er hielt die Dinge, (wie man gegen Spinoza durchaus thun muſs,) dem Seyn nach auſser Gott; und doch in Hinsicht dessen, was sie sind, wenigstens was sie für uns sind, bedeuten, und werth sind, — un- terwarf er sie der Vorsehung. So war der Pan- theismus, dieser gefährliche Feind, den die Kirche unvermerkt in ihrem eignen Schooſse hervor- bringt und ernährt, vermieden. Nun wird zwar wohl die Kirche niemals die Sprache des Pla- ton reden; sie kennt aus der Geschichte die Misdeutungen, welche daraus entstehn können. Aber wenn einmal nicht gefragt wird, was man in Reden, die sich an Viele wenden, sagen solle, sondern was die Denkenden denken werden, dann findet es sich, daſs die Lehre des Platon besser ist, während die des Spinoza besser klingt. Und dieses findet sich um desto gewis- ser, da die Kirche nicht bloſs dem Pantheismus abgeneigt ist, welcher das Princip der Endlich- keit in Gott hineinversetzt, sondern auch, und zwar nicht minder, demjenigen überspannten Theismus, der, um jenes für lästig gehaltene Princip zu verflüchtigen, oder vielmehr zu igno- riren, (denn das Verflüchtigen gelingt nicht,) sich von der Erfahrung absichtlich hinwegwen- det, und in allerley Formen sich durch eine vorgeschützte Unwissenheit zu helfen sucht. Kann die Kirche eine solche Hülfe annehmen? Sie will ja leben und wirken in unserer Welt! Sie weiſs sehr gut, daſs sie auf dem irdischen Bo- den steht; ja noch mehr, sie hat eine alte, noch jetzt nicht ganz erloschene Neigung, das Princip der Endlichkeit sogar zu idealisiren und zu per-

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Zitationshilfe: Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825, S. VIII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie02_1825/15>, abgerufen am 21.11.2024.