Redensart, der Verstand vom Affecte verdunkelt wird, da ist nicht eine gewisse Kraft, Verstand genannt, un- wirksam geworden, sondern grossentheils sind es die Vorstellungen selbst, welche sonst ganz ruhig ihr Vor- gestelltes ins Bewusstseyn bringen und alsdann Begriffe heissen, jetzt aber vermöge einer Spannung, in die sie gerathen, nach ganz anderen Gesetzen wirken, als nach solchen, die sich aus den logischen Verhältnissen ihrer Vorgestellten würden erklären lassen.
Man sieht hieraus, was es für eine Aufgabe ist, Ver- stand zu haben; vollends wenn wir noch hinzunehmen, dass auch das Denken, oder der fortgehende Fluss unse- rer Begriffe, sich nach der Qualität des Gedachten, oder der Begriffe im logischen Sinne, richten soll.
§. 121.
Alles Bisherige diente nur, die blosse Frage nach dem Ursprung der Begriffe deutlich zu machen. Jetzt müssen wir die Mechanik des Geistes zu Rathe ziehn, um zu vernehmen, wie viel wohl der psychologische Me- chanismus, so weit wir ihn bis jetzt kennen, für die Er- zeugung der Begriffe thun möge.
Im §. 99. haben wir gesehn, dass, wenn einerley Vorstellung vielemal mit solchen Pausen gegeben wird, in denen die frühere Auffassung jedesmal zur statischen Schwelle sinken kann; alsdann die während jeder Pause erneuerte Empfänglichkeit zwar anfänglich einen beträcht- lichen Zuwachs durch neue Auffassung gestattet, aber endlich die Empfänglichkeit beynahe plötzlich wieder er- lischt, weil eine sehr beträchtliche Summe des Vorstellens aus den früheren Wahrnehmungen sich sogleich beym Eintritte der neuen Wahrnehmung her- vordrängt.
Hiemit wollen wir verbinden, was wir von den Com- plicationen und Verschmelzungen wissen; dergleichen bey jeder einzelnen unter den wiederhohlten gleichartigen Wahrnehmungen werden vorgekommen seyn, und zwar bey jeder auf andre Weise, weil zu verschiedenen Zei-
Redensart, der Verstand vom Affecte verdunkelt wird, da ist nicht eine gewisse Kraft, Verstand genannt, un- wirksam geworden, sondern groſsentheils sind es die Vorstellungen selbst, welche sonst ganz ruhig ihr Vor- gestelltes ins Bewuſstseyn bringen und alsdann Begriffe heiſsen, jetzt aber vermöge einer Spannung, in die sie gerathen, nach ganz anderen Gesetzen wirken, als nach solchen, die sich aus den logischen Verhältnissen ihrer Vorgestellten würden erklären lassen.
Man sieht hieraus, was es für eine Aufgabe ist, Ver- stand zu haben; vollends wenn wir noch hinzunehmen, daſs auch das Denken, oder der fortgehende Fluſs unse- rer Begriffe, sich nach der Qualität des Gedachten, oder der Begriffe im logischen Sinne, richten soll.
§. 121.
Alles Bisherige diente nur, die bloſse Frage nach dem Ursprung der Begriffe deutlich zu machen. Jetzt müssen wir die Mechanik des Geistes zu Rathe ziehn, um zu vernehmen, wie viel wohl der psychologische Me- chanismus, so weit wir ihn bis jetzt kennen, für die Er- zeugung der Begriffe thun möge.
Im §. 99. haben wir gesehn, daſs, wenn einerley Vorstellung vielemal mit solchen Pausen gegeben wird, in denen die frühere Auffassung jedesmal zur statischen Schwelle sinken kann; alsdann die während jeder Pause erneuerte Empfänglichkeit zwar anfänglich einen beträcht- lichen Zuwachs durch neue Auffassung gestattet, aber endlich die Empfänglichkeit beynahe plötzlich wieder er- lischt, weil eine sehr beträchtliche Summe des Vorstellens aus den früheren Wahrnehmungen sich sogleich beym Eintritte der neuen Wahrnehmung her- vordrängt.
Hiemit wollen wir verbinden, was wir von den Com- plicationen und Verschmelzungen wissen; dergleichen bey jeder einzelnen unter den wiederhohlten gleichartigen Wahrnehmungen werden vorgekommen seyn, und zwar bey jeder auf andre Weise, weil zu verschiedenen Zei-
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Redensart, der Verstand vom Affecte verdunkelt wird,
da ist nicht eine gewisse Kraft, Verstand genannt, un-
wirksam geworden, sondern groſsentheils sind es die
Vorstellungen selbst, welche sonst ganz ruhig ihr Vor-
gestelltes ins Bewuſstseyn bringen und alsdann Begriffe
heiſsen, jetzt aber vermöge einer Spannung, in die sie
gerathen, nach ganz anderen Gesetzen wirken, als nach
solchen, die sich aus den logischen Verhältnissen ihrer
Vorgestellten würden erklären lassen.
Man sieht hieraus, was es für eine Aufgabe ist, Ver-
stand zu haben; vollends wenn wir noch hinzunehmen,
daſs auch das Denken, oder der fortgehende Fluſs unse-
rer Begriffe, sich nach der Qualität des Gedachten, oder
der Begriffe im logischen Sinne, richten soll.
§. 121.
Alles Bisherige diente nur, die bloſse Frage nach
dem Ursprung der Begriffe deutlich zu machen. Jetzt
müssen wir die Mechanik des Geistes zu Rathe ziehn,
um zu vernehmen, wie viel wohl der psychologische Me-
chanismus, so weit wir ihn bis jetzt kennen, für die Er-
zeugung der Begriffe thun möge.
Im §. 99. haben wir gesehn, daſs, wenn einerley
Vorstellung vielemal mit solchen Pausen gegeben wird,
in denen die frühere Auffassung jedesmal zur statischen
Schwelle sinken kann; alsdann die während jeder Pause
erneuerte Empfänglichkeit zwar anfänglich einen beträcht-
lichen Zuwachs durch neue Auffassung gestattet, aber
endlich die Empfänglichkeit beynahe plötzlich wieder er-
lischt, weil eine sehr beträchtliche Summe des
Vorstellens aus den früheren Wahrnehmungen sich
sogleich beym Eintritte der neuen Wahrnehmung her-
vordrängt.
Hiemit wollen wir verbinden, was wir von den Com-
plicationen und Verschmelzungen wissen; dergleichen bey
jeder einzelnen unter den wiederhohlten gleichartigen
Wahrnehmungen werden vorgekommen seyn, und zwar
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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie02_1825/216>, abgerufen am 24.11.2024.
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