seyn könne, leuchtet von selbst ein. Gleichwohl hat der ästhetische Werth der Ideen einen sichtbaren Einfluss auf Platons Welt-Ansicht gehabt, nach welcher die Ideen, wie das Vornehmste, so auch das eigentliche Reale sind, wozu unsre sogenannte wirkliche Welt nur den Widerschein hinzufügt. -- Vielleicht findet man ei- nen Einwurf in solchen Bildern, die aus kostbaren Stof- fen bestehen; dergleichen ein goldenes Kalb seyn würde. Aber hier ist das Gold nicht das Bild, und das Bild nicht das Gold, sondern überhaupt eine todte, träge Masse, und als solche weit unter der Würde des leben- den Thieres. Indessen könnte Einer die Sache umge- kehrt betrachten; verliebt in die grosse Masse Goldes, und durch jedes lebende Kalb an sie erinnert, könnte er auch alle Kälber als Bilder jener Masse ansehn. -- Es giebt auch Bilder; die den Originalen zum Erschrecken ähnlich sind, wie bemalte Statuen und Wachsfiguren, todte Körper, die sich, Gespenstern gleich, in den Kreis der Menschen drängen, und die Vorstellung des Abgebil- deten so stark hervorheben, dass die Erwartung mensch- lichen Handelns, Sprechens, Fühlens, gewaltsam wider die starren Bilder anstossen muss. Doch hierin ist vieles abhängig von der Gewohnheit. Wer die Bilder als Bil- der betrachtet, erschrickt nicht; hingegen Kinder erschrek- ken selbst vor Gemälden, weil sie nicht einmal hier da- hin gelangen, die Distanz von dem Menschen zu der be- malten Leinwand zu durchlaufen, sondern sich von den Augen des Bildes wirklich gesehen glauben. --
Bey bloss ähnlichen Gegenständen, von welchen nicht mit Bestimmtheit einer als das Bild des andern angese- hen wird, geht die Vergleichung rückwärts und vorwärts; das heisst, es wird zufälliger weise der eine als der zweyte aufgefasst, welcher an den andern, den ersten, erinnere; und so wechselsweise. Dies lässt sich leicht erkennen bey den Abweichungen von der Aehnlichkeit. Hier ist der eine Gegenstand ein abweichender, wenn der andre die Regel giebt, wornach er müsste verändert werden,
seyn könne, leuchtet von selbst ein. Gleichwohl hat der ästhetische Werth der Ideen einen sichtbaren Einfluſs auf Platons Welt-Ansicht gehabt, nach welcher die Ideen, wie das Vornehmste, so auch das eigentliche Reale sind, wozu unsre sogenannte wirkliche Welt nur den Widerschein hinzufügt. — Vielleicht findet man ei- nen Einwurf in solchen Bildern, die aus kostbaren Stof- fen bestehen; dergleichen ein goldenes Kalb seyn würde. Aber hier ist das Gold nicht das Bild, und das Bild nicht das Gold, sondern überhaupt eine todte, träge Masse, und als solche weit unter der Würde des leben- den Thieres. Indessen könnte Einer die Sache umge- kehrt betrachten; verliebt in die groſse Masse Goldes, und durch jedes lebende Kalb an sie erinnert, könnte er auch alle Kälber als Bilder jener Masse ansehn. — Es giebt auch Bilder; die den Originalen zum Erschrecken ähnlich sind, wie bemalte Statuen und Wachsfiguren, todte Körper, die sich, Gespenstern gleich, in den Kreis der Menschen drängen, und die Vorstellung des Abgebil- deten so stark hervorheben, daſs die Erwartung mensch- lichen Handelns, Sprechens, Fühlens, gewaltsam wider die starren Bilder anstoſsen muſs. Doch hierin ist vieles abhängig von der Gewohnheit. Wer die Bilder als Bil- der betrachtet, erschrickt nicht; hingegen Kinder erschrek- ken selbst vor Gemälden, weil sie nicht einmal hier da- hin gelangen, die Distanz von dem Menschen zu der be- malten Leinwand zu durchlaufen, sondern sich von den Augen des Bildes wirklich gesehen glauben. —
Bey bloſs ähnlichen Gegenständen, von welchen nicht mit Bestimmtheit einer als das Bild des andern angese- hen wird, geht die Vergleichung rückwärts und vorwärts; das heiſst, es wird zufälliger weise der eine als der zweyte aufgefaſst, welcher an den andern, den ersten, erinnere; und so wechselsweise. Dies läſst sich leicht erkennen bey den Abweichungen von der Aehnlichkeit. Hier ist der eine Gegenstand ein abweichender, wenn der andre die Regel giebt, wornach er müſste verändert werden,
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seyn könne, leuchtet von selbst ein. Gleichwohl hat der
ästhetische Werth der Ideen einen sichtbaren Einfluſs
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Ideen, wie das Vornehmste, so auch das eigentliche
Reale sind, wozu unsre sogenannte wirkliche Welt nur
den Widerschein hinzufügt. — Vielleicht findet man ei-
nen Einwurf in solchen Bildern, die aus kostbaren Stof-
fen bestehen; dergleichen ein goldenes Kalb seyn würde.
Aber hier ist das Gold nicht das Bild, und das Bild
nicht das Gold, sondern überhaupt eine todte, träge
Masse, und als solche weit unter der Würde des leben-
den Thieres. Indessen könnte Einer die Sache umge-
kehrt betrachten; verliebt in die groſse Masse Goldes,
und durch jedes lebende Kalb an sie erinnert, könnte er
auch alle Kälber als Bilder jener Masse ansehn. — Es
giebt auch Bilder; die den Originalen zum Erschrecken
ähnlich sind, wie bemalte Statuen und Wachsfiguren,
todte Körper, die sich, Gespenstern gleich, in den Kreis
der Menschen drängen, und die Vorstellung des Abgebil-
deten so stark hervorheben, daſs die Erwartung mensch-
lichen Handelns, Sprechens, Fühlens, gewaltsam wider
die starren Bilder anstoſsen muſs. Doch hierin ist vieles
abhängig von der Gewohnheit. Wer die Bilder als Bil-
der betrachtet, erschrickt nicht; hingegen Kinder erschrek-
ken selbst vor Gemälden, weil sie nicht einmal hier da-
hin gelangen, die Distanz von dem Menschen zu der be-
malten Leinwand zu durchlaufen, sondern sich von den
Augen des Bildes wirklich gesehen glauben. —
Bey bloſs ähnlichen Gegenständen, von welchen nicht
mit Bestimmtheit einer als das Bild des andern angese-
hen wird, geht die Vergleichung rückwärts und vorwärts;
das heiſst, es wird zufälliger weise der eine als der zweyte
aufgefaſst, welcher an den andern, den ersten, erinnere;
und so wechselsweise. Dies läſst sich leicht erkennen
bey den Abweichungen von der Aehnlichkeit. Hier ist
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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie02_1825/240>, abgerufen am 23.11.2024.
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