Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825.

Bild:
<< vorherige Seite

der §§. 81--91. und besonders noch des §. 112. sich
gegenwärtig erhalten muss.) Wiefern nun zwischen bey-
den Vorstellungsreihen etwas entgegengesetztes ist, folgt
Anfangs jene erstere, mehr aufgeregte, ihrem eigenen
Zuge; sie drängt die andre zurück, nämlich in Hinsicht
auf diejenigen Elemente, die gerade den Gegensatz bil-
den; eben dadurch aber setzt sie dieselbe in Spannung,
und nur um so kräftiger dringt nun die andre, ohnehin
aufgerufen durch das Gleichartige beyder, hervor; jetzt
formt sie die erstere nach sich, indem sie an den
gleichartigen, mit ihr verschmelzenden Elementen sie
gleichsam vesthält, in andern Puncten sie zurücktreibt,
und ihr dadurch eine Menge von passiven Bewegungen
ertheilt, bey denen dieselbe weder hoch ins Bewusstseyn
emporsteigen, noch gegen die Schwelle herabsinken kann,
sondern still stehen muss; während die stärkere sich nach
eigenen Gesetzen entwickelt, und von immer mehreren
Seiten an die erstere anschlägt.

So geschieht es, wenn wir einen plötzlichen Einfall,
den irgend ein verborgener psychologischer Mechanismus
hervortreibt, (man sehe zum Beyspiel §. 85. gegen das
Ende,) näher besehen, ihn wie ein Object fixiren, ihn
der Prüfung unterwerfen. So geschieht es, wenn ein
Affect anfängt sich abzukühlen, (vergl. §. 106.); wenn
nun die durch ihn zurückgedrängten Vorstellungen ihren
Platz wieder einnehmen, aber zugleich aus der schon
schwindenden Vorstellungsmasse des Affects die gleich-
artigen Elemente hervorhohlen, und damit die ganze
Masse in ihrer sinkenden Bewegung anhalten, sie wieder
vorführen, ohne sie doch ihrer eigenen Entwickelung zu
überlassen; woraus eine Menge von peinlichen Ge-
fühlen
entstehen kann, indem nur alle Elemente, die
zu der Vorstellungsmasse des Affects gehören, einge-
klemmt sind zwischen den andern der gleichen Masse (die
durch alle ihre Complicationen und Verschmelzungen ei-
nen beständigen Einfluss auf einander auszuüben streben,)
und zwischen der überwiegenden Gewalt der wiederge-

der §§. 81—91. und besonders noch des §. 112. sich
gegenwärtig erhalten muſs.) Wiefern nun zwischen bey-
den Vorstellungsreihen etwas entgegengesetztes ist, folgt
Anfangs jene erstere, mehr aufgeregte, ihrem eigenen
Zuge; sie drängt die andre zurück, nämlich in Hinsicht
auf diejenigen Elemente, die gerade den Gegensatz bil-
den; eben dadurch aber setzt sie dieselbe in Spannung,
und nur um so kräftiger dringt nun die andre, ohnehin
aufgerufen durch das Gleichartige beyder, hervor; jetzt
formt sie die erstere nach sich, indem sie an den
gleichartigen, mit ihr verschmelzenden Elementen sie
gleichsam vesthält, in andern Puncten sie zurücktreibt,
und ihr dadurch eine Menge von passiven Bewegungen
ertheilt, bey denen dieselbe weder hoch ins Bewuſstseyn
emporsteigen, noch gegen die Schwelle herabsinken kann,
sondern still stehen muſs; während die stärkere sich nach
eigenen Gesetzen entwickelt, und von immer mehreren
Seiten an die erstere anschlägt.

So geschieht es, wenn wir einen plötzlichen Einfall,
den irgend ein verborgener psychologischer Mechanismus
hervortreibt, (man sehe zum Beyspiel §. 85. gegen das
Ende,) näher besehen, ihn wie ein Object fixiren, ihn
der Prüfung unterwerfen. So geschieht es, wenn ein
Affect anfängt sich abzukühlen, (vergl. §. 106.); wenn
nun die durch ihn zurückgedrängten Vorstellungen ihren
Platz wieder einnehmen, aber zugleich aus der schon
schwindenden Vorstellungsmasse des Affects die gleich-
artigen Elemente hervorhohlen, und damit die ganze
Masse in ihrer sinkenden Bewegung anhalten, sie wieder
vorführen, ohne sie doch ihrer eigenen Entwickelung zu
überlassen; woraus eine Menge von peinlichen Ge-
fühlen
entstehen kann, indem nur alle Elemente, die
zu der Vorstellungsmasse des Affects gehören, einge-
klemmt sind zwischen den andern der gleichen Masse (die
durch alle ihre Complicationen und Verschmelzungen ei-
nen beständigen Einfluſs auf einander auszuüben streben,)
und zwischen der überwiegenden Gewalt der wiederge-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0252" n="217"/>
der §§. 81&#x2014;91. und besonders noch des §. 112. sich<lb/>
gegenwärtig erhalten mu&#x017F;s.) Wiefern nun zwischen bey-<lb/>
den Vorstellungsreihen etwas entgegengesetztes ist, folgt<lb/>
Anfangs jene erstere, mehr aufgeregte, ihrem eigenen<lb/>
Zuge; sie drängt die andre zurück, nämlich in Hinsicht<lb/>
auf diejenigen Elemente, die gerade den Gegensatz bil-<lb/>
den; eben dadurch aber setzt sie dieselbe in Spannung,<lb/>
und nur um so kräftiger dringt nun die andre, ohnehin<lb/>
aufgerufen durch das Gleichartige beyder, hervor; jetzt<lb/><hi rendition="#g">formt sie die erstere nach sich</hi>, indem sie an den<lb/>
gleichartigen, mit ihr verschmelzenden Elementen sie<lb/>
gleichsam vesthält, in andern Puncten sie zurücktreibt,<lb/>
und ihr dadurch eine Menge von passiven Bewegungen<lb/>
ertheilt, bey denen dieselbe weder hoch ins Bewu&#x017F;stseyn<lb/>
emporsteigen, noch gegen die Schwelle herabsinken kann,<lb/>
sondern still stehen mu&#x017F;s; während die stärkere sich nach<lb/>
eigenen Gesetzen entwickelt, und von immer mehreren<lb/>
Seiten an die erstere anschlägt.</p><lb/>
              <p>So geschieht es, wenn wir einen plötzlichen Einfall,<lb/>
den irgend ein verborgener psychologischer Mechanismus<lb/>
hervortreibt, (man sehe zum Beyspiel §. 85. gegen das<lb/>
Ende,) näher besehen, ihn wie ein Object fixiren, ihn<lb/>
der Prüfung unterwerfen. So geschieht es, wenn ein<lb/>
Affect anfängt sich abzukühlen, (vergl. §. 106.); wenn<lb/>
nun die durch ihn zurückgedrängten Vorstellungen ihren<lb/>
Platz wieder einnehmen, aber zugleich aus der schon<lb/>
schwindenden Vorstellungsmasse des Affects die gleich-<lb/>
artigen Elemente hervorhohlen, und damit die ganze<lb/>
Masse in ihrer sinkenden Bewegung anhalten, sie wieder<lb/>
vorführen, ohne sie doch ihrer eigenen Entwickelung zu<lb/>
überlassen; woraus eine Menge von <hi rendition="#g">peinlichen Ge-<lb/>
fühlen</hi> entstehen kann, indem nur alle Elemente, die<lb/>
zu der Vorstellungsmasse des Affects gehören, einge-<lb/>
klemmt sind zwischen den andern der gleichen Masse (die<lb/>
durch alle ihre Complicationen und Verschmelzungen ei-<lb/>
nen beständigen Einflu&#x017F;s auf einander auszuüben streben,)<lb/>
und zwischen der überwiegenden Gewalt der wiederge-<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[217/0252] der §§. 81—91. und besonders noch des §. 112. sich gegenwärtig erhalten muſs.) Wiefern nun zwischen bey- den Vorstellungsreihen etwas entgegengesetztes ist, folgt Anfangs jene erstere, mehr aufgeregte, ihrem eigenen Zuge; sie drängt die andre zurück, nämlich in Hinsicht auf diejenigen Elemente, die gerade den Gegensatz bil- den; eben dadurch aber setzt sie dieselbe in Spannung, und nur um so kräftiger dringt nun die andre, ohnehin aufgerufen durch das Gleichartige beyder, hervor; jetzt formt sie die erstere nach sich, indem sie an den gleichartigen, mit ihr verschmelzenden Elementen sie gleichsam vesthält, in andern Puncten sie zurücktreibt, und ihr dadurch eine Menge von passiven Bewegungen ertheilt, bey denen dieselbe weder hoch ins Bewuſstseyn emporsteigen, noch gegen die Schwelle herabsinken kann, sondern still stehen muſs; während die stärkere sich nach eigenen Gesetzen entwickelt, und von immer mehreren Seiten an die erstere anschlägt. So geschieht es, wenn wir einen plötzlichen Einfall, den irgend ein verborgener psychologischer Mechanismus hervortreibt, (man sehe zum Beyspiel §. 85. gegen das Ende,) näher besehen, ihn wie ein Object fixiren, ihn der Prüfung unterwerfen. So geschieht es, wenn ein Affect anfängt sich abzukühlen, (vergl. §. 106.); wenn nun die durch ihn zurückgedrängten Vorstellungen ihren Platz wieder einnehmen, aber zugleich aus der schon schwindenden Vorstellungsmasse des Affects die gleich- artigen Elemente hervorhohlen, und damit die ganze Masse in ihrer sinkenden Bewegung anhalten, sie wieder vorführen, ohne sie doch ihrer eigenen Entwickelung zu überlassen; woraus eine Menge von peinlichen Ge- fühlen entstehen kann, indem nur alle Elemente, die zu der Vorstellungsmasse des Affects gehören, einge- klemmt sind zwischen den andern der gleichen Masse (die durch alle ihre Complicationen und Verschmelzungen ei- nen beständigen Einfluſs auf einander auszuüben streben,) und zwischen der überwiegenden Gewalt der wiederge-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie02_1825
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie02_1825/252
Zitationshilfe: Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie02_1825/252>, abgerufen am 22.11.2024.