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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825.

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(ein Punct, wovon anderwärts *) die Rede seyn wird,)
um ihn theilweise wieder frey zu lassen, und ihn mit hin-
reichender Energie nach verschiedenen Richtungen zu
spalten, zu verbreiten, nach mancherley Wechseln wie-
der zu sammeln und in einem geräumigen Bette fortflie-
ssen zu lassen. Fortwährend ist hier die Apperception
thätig gewesen; immer hat das Neue gepasst zum Frühe-
ren, immer war es darauf eingerichtet, die aufgeregten
Fragen zu beantworten **), um uns in neue Fragen zu
verwickeln; nie war das Eine gleichgültig für das Andere;
und indem selbst anscheinende Kleinigkeiten späterhin die
Anknüpfungspuncte für wichtige Folgen abgaben, gewann
dadurch die nämliche Vorstellungsmasse eine neue Wir-
kungsart, und eine andre Form ihrer Verwebung, um sich
das Hinzukommende in vielen Puncten zugleich anzueig-
nen. -- Dass nun eine solche Apperception nicht bloss
eine äussere seyn kann, sondern auch eine innere: be-
darf nach dem, was zuvor über den innern Sinn gesagt
worden, keiner Erläuterung mehr. Ohne Zweifel musste
sie bey dem Dichter früher eine innere seyn, ehe sie für
den Leser eine äussere werden konnte. Hätte nicht der
Dichter seine zuströmenden Gedanken appercipirt, so
hätte er nicht wählen, verwerfen, nicht ordnen und aus-
bilden können, und der Leser würde in ihm nur den ge-
schmacklosen Phantasten erblicken.

Die vorhergehenden Capitel wiesen hin auf das All-
gemeine, was der psychologische Mechanismus schon
bloss darum aus den Empfindungen bereitet, weil die ver-
schiedenen Klassen derselben in der Einen Seele mit

*) Im §. 150.
**) Wenn Erwartung mit dem Merken verbunden ist, so wird
durch die ins Bewusstseyn getretenen Vorstellungen, welche innerhalb
der Sphäre der Erwartung liegen, ein beträchtlicher Theil der Em-
pfänglichkeit im Voraus erschöpft, hingegen wird der Gegensatz ver-
mindert, nämlich für den Fall, wenn die Erfolge der Erwartung ent-
sprechen. Ein unerwarteter Erfolg findet mehr Gegensatz, aber auch
mehr Empfänglichkeit. Vergl. §. 98.
P 2

(ein Punct, wovon anderwärts *) die Rede seyn wird,)
um ihn theilweise wieder frey zu lassen, und ihn mit hin-
reichender Energie nach verschiedenen Richtungen zu
spalten, zu verbreiten, nach mancherley Wechseln wie-
der zu sammeln und in einem geräumigen Bette fortflie-
ſsen zu lassen. Fortwährend ist hier die Apperception
thätig gewesen; immer hat das Neue gepaſst zum Frühe-
ren, immer war es darauf eingerichtet, die aufgeregten
Fragen zu beantworten **), um uns in neue Fragen zu
verwickeln; nie war das Eine gleichgültig für das Andere;
und indem selbst anscheinende Kleinigkeiten späterhin die
Anknüpfungspuncte für wichtige Folgen abgaben, gewann
dadurch die nämliche Vorstellungsmasse eine neue Wir-
kungsart, und eine andre Form ihrer Verwebung, um sich
das Hinzukommende in vielen Puncten zugleich anzueig-
nen. — Daſs nun eine solche Apperception nicht bloſs
eine äuſsere seyn kann, sondern auch eine innere: be-
darf nach dem, was zuvor über den innern Sinn gesagt
worden, keiner Erläuterung mehr. Ohne Zweifel muſste
sie bey dem Dichter früher eine innere seyn, ehe sie für
den Leser eine äuſsere werden konnte. Hätte nicht der
Dichter seine zuströmenden Gedanken appercipirt, so
hätte er nicht wählen, verwerfen, nicht ordnen und aus-
bilden können, und der Leser würde in ihm nur den ge-
schmacklosen Phantasten erblicken.

Die vorhergehenden Capitel wiesen hin auf das All-
gemeine, was der psychologische Mechanismus schon
bloſs darum aus den Empfindungen bereitet, weil die ver-
schiedenen Klassen derselben in der Einen Seele mit

*) Im §. 150.
**) Wenn Erwartung mit dem Merken verbunden ist, so wird
durch die ins Bewuſstseyn getretenen Vorstellungen, welche innerhalb
der Sphäre der Erwartung liegen, ein beträchtlicher Theil der Em-
pfänglichkeit im Voraus erschöpft, hingegen wird der Gegensatz ver-
mindert, nämlich für den Fall, wenn die Erfolge der Erwartung ent-
sprechen. Ein unerwarteter Erfolg findet mehr Gegensatz, aber auch
mehr Empfänglichkeit. Vergl. §. 98.
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[227/0262] (ein Punct, wovon anderwärts *) die Rede seyn wird,) um ihn theilweise wieder frey zu lassen, und ihn mit hin- reichender Energie nach verschiedenen Richtungen zu spalten, zu verbreiten, nach mancherley Wechseln wie- der zu sammeln und in einem geräumigen Bette fortflie- ſsen zu lassen. Fortwährend ist hier die Apperception thätig gewesen; immer hat das Neue gepaſst zum Frühe- ren, immer war es darauf eingerichtet, die aufgeregten Fragen zu beantworten **), um uns in neue Fragen zu verwickeln; nie war das Eine gleichgültig für das Andere; und indem selbst anscheinende Kleinigkeiten späterhin die Anknüpfungspuncte für wichtige Folgen abgaben, gewann dadurch die nämliche Vorstellungsmasse eine neue Wir- kungsart, und eine andre Form ihrer Verwebung, um sich das Hinzukommende in vielen Puncten zugleich anzueig- nen. — Daſs nun eine solche Apperception nicht bloſs eine äuſsere seyn kann, sondern auch eine innere: be- darf nach dem, was zuvor über den innern Sinn gesagt worden, keiner Erläuterung mehr. Ohne Zweifel muſste sie bey dem Dichter früher eine innere seyn, ehe sie für den Leser eine äuſsere werden konnte. Hätte nicht der Dichter seine zuströmenden Gedanken appercipirt, so hätte er nicht wählen, verwerfen, nicht ordnen und aus- bilden können, und der Leser würde in ihm nur den ge- schmacklosen Phantasten erblicken. Die vorhergehenden Capitel wiesen hin auf das All- gemeine, was der psychologische Mechanismus schon bloſs darum aus den Empfindungen bereitet, weil die ver- schiedenen Klassen derselben in der Einen Seele mit *) Im §. 150. **) Wenn Erwartung mit dem Merken verbunden ist, so wird durch die ins Bewuſstseyn getretenen Vorstellungen, welche innerhalb der Sphäre der Erwartung liegen, ein beträchtlicher Theil der Em- pfänglichkeit im Voraus erschöpft, hingegen wird der Gegensatz ver- mindert, nämlich für den Fall, wenn die Erfolge der Erwartung ent- sprechen. Ein unerwarteter Erfolg findet mehr Gegensatz, aber auch mehr Empfänglichkeit. Vergl. §. 98. P 2

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Zitationshilfe: Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie02_1825/262>, abgerufen am 22.11.2024.