Es ist nämlich klar, dass auch die innere Wahr- nehmung, wenn sie durch die äussere nicht gestört wird, und wenn der Wechsel der aufsteigenden Vorstellungen einigermaassen lebhaft ist, -- ihre Reihen bilden muss, die aus der Succession und Verschmelzung jener Vor- stellungen entspringen; gerade so wie die äussere Wahr- nehmung diejenigen Reihen bildet, die uns die Aussen- welt bereitet. Nur hängt das innere Erscheinen der Vor- stellungen vom psychologischen Mechanismus ab, dessen continuirliche Bewegung keine so scharf abgeschnittenen, so plötzlich ganz hervortretenden, und in grosser Fülle gleichzeitig beharrenden Objecte liefern kann, wie sich dergleichen, den äussern Sinnen, und besonders dem Auge, darzubieten pflegen. Dagegen wird die Reihe des- sen, was im Innern erscheint, gleichmässiger fortlaufend die Zeit ausfüllen können; statt dass auf eine ganz un- bestimmte Weise die Aussendinge bald sehr rasch wech- selnd, bald wieder ohne irgend eine merkliche Abände- rung während mehrerer Stunden, kommen und gehen, oder stehen und beharren.
Auch werden sich Reihen aus dem was innerlich erscheint, und dem was äusserlich hinzukommt, zusam- mensetzen, wenn das letztere den Fluss des Vorherge- henden zwar unterbrechend, aber doch nicht gewaltsam verderbend, sich einmischt. Die stärkeren Vorstellungs- massen werden alsdann Eins mit dem Andern appercipi- ren und formen. -- Unterbrechungen der Art entstehen natürlich dann, wann etwas gesehen, gehört, gefühlt wird, das mit den eben in Bewegung begriffenen Vorstellungs- reihen sich näher verbinden kann.
Gesetzt nun, es gäbe für diese, entweder ganz oder zum Theil aus dem innern Flusse der Vorstellungen er- zeugten Reihen, ähnliche Gesetze, wie für die, welche gemäss der Succession der Empfindungen zusammenschmel- zen: so würden für dieselben Reihen nicht bloss Zustände der Involution und Evolution eintreten; sondern auch eine vielfältige Reproduction und Verschmelzung solcher Rei-
Es ist nämlich klar, daſs auch die innere Wahr- nehmung, wenn sie durch die äuſsere nicht gestört wird, und wenn der Wechsel der aufsteigenden Vorstellungen einigermaaſsen lebhaft ist, — ihre Reihen bilden muſs, die aus der Succession und Verschmelzung jener Vor- stellungen entspringen; gerade so wie die äuſsere Wahr- nehmung diejenigen Reihen bildet, die uns die Auſsen- welt bereitet. Nur hängt das innere Erscheinen der Vor- stellungen vom psychologischen Mechanismus ab, dessen continuirliche Bewegung keine so scharf abgeschnittenen, so plötzlich ganz hervortretenden, und in groſser Fülle gleichzeitig beharrenden Objecte liefern kann, wie sich dergleichen, den äuſsern Sinnen, und besonders dem Auge, darzubieten pflegen. Dagegen wird die Reihe des- sen, was im Innern erscheint, gleichmäſsiger fortlaufend die Zeit ausfüllen können; statt daſs auf eine ganz un- bestimmte Weise die Auſsendinge bald sehr rasch wech- selnd, bald wieder ohne irgend eine merkliche Abände- rung während mehrerer Stunden, kommen und gehen, oder stehen und beharren.
Auch werden sich Reihen aus dem was innerlich erscheint, und dem was äuſserlich hinzukommt, zusam- mensetzen, wenn das letztere den Fluſs des Vorherge- henden zwar unterbrechend, aber doch nicht gewaltsam verderbend, sich einmischt. Die stärkeren Vorstellungs- massen werden alsdann Eins mit dem Andern appercipi- ren und formen. — Unterbrechungen der Art entstehen natürlich dann, wann etwas gesehen, gehört, gefühlt wird, das mit den eben in Bewegung begriffenen Vorstellungs- reihen sich näher verbinden kann.
Gesetzt nun, es gäbe für diese, entweder ganz oder zum Theil aus dem innern Flusse der Vorstellungen er- zeugten Reihen, ähnliche Gesetze, wie für die, welche gemäſs der Succession der Empfindungen zusammenschmel- zen: so würden für dieselben Reihen nicht bloſs Zustände der Involution und Evolution eintreten; sondern auch eine vielfältige Reproduction und Verschmelzung solcher Rei-
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Es ist nämlich klar, daſs auch die innere Wahr-
nehmung, wenn sie durch die äuſsere nicht gestört wird,
und wenn der Wechsel der aufsteigenden Vorstellungen
einigermaaſsen lebhaft ist, — ihre Reihen bilden muſs,
die aus der Succession und Verschmelzung jener Vor-
stellungen entspringen; gerade so wie die äuſsere Wahr-
nehmung diejenigen Reihen bildet, die uns die Auſsen-
welt bereitet. Nur hängt das innere Erscheinen der Vor-
stellungen vom psychologischen Mechanismus ab, dessen
continuirliche Bewegung keine so scharf abgeschnittenen,
so plötzlich ganz hervortretenden, und in groſser Fülle
gleichzeitig beharrenden Objecte liefern kann, wie sich
dergleichen, den äuſsern Sinnen, und besonders dem
Auge, darzubieten pflegen. Dagegen wird die Reihe des-
sen, was im Innern erscheint, gleichmäſsiger fortlaufend
die Zeit ausfüllen können; statt daſs auf eine ganz un-
bestimmte Weise die Auſsendinge bald sehr rasch wech-
selnd, bald wieder ohne irgend eine merkliche Abände-
rung während mehrerer Stunden, kommen und gehen,
oder stehen und beharren.
Auch werden sich Reihen aus dem was innerlich
erscheint, und dem was äuſserlich hinzukommt, zusam-
mensetzen, wenn das letztere den Fluſs des Vorherge-
henden zwar unterbrechend, aber doch nicht gewaltsam
verderbend, sich einmischt. Die stärkeren Vorstellungs-
massen werden alsdann Eins mit dem Andern appercipi-
ren und formen. — Unterbrechungen der Art entstehen
natürlich dann, wann etwas gesehen, gehört, gefühlt wird,
das mit den eben in Bewegung begriffenen Vorstellungs-
reihen sich näher verbinden kann.
Gesetzt nun, es gäbe für diese, entweder ganz oder
zum Theil aus dem innern Flusse der Vorstellungen er-
zeugten Reihen, ähnliche Gesetze, wie für die, welche
gemäſs der Succession der Empfindungen zusammenschmel-
zen: so würden für dieselben Reihen nicht bloſs Zustände
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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie02_1825/282>, abgerufen am 22.11.2024.
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