die Anmerkung des §. 27. verglichen werden; wenn man hinzudenkt, dass die Merkmale m n o p in ihren verschie- denen Reihen liegen.
§. 136.
Jetzt wollen wir versuchen, das Selbstbewusstseyn zu beschreiben, wie es wirklich ist; nur nicht etwan wie es seyn müsste, um ein Reales (die Substanz der Seele) zur Erkenntniss zu bringen. -- Wir verhehlen uns hiebey nicht, dass das wirkliche Ich ein Raum- und Zeit-We- sen ist; aber mit folgenden nähern Bestimmungen:
1) In wiefern der eigne Leib zum Ich gerechnet wird, befindet sich die Vorstellung desselben nicht im Zu- stande der Evolution, sondern der Involution.
Man weiss aus der Lehre vom Raume, dass alle Räumlichkeit auf Verwebung von Reihen beruht. Wenn diese sich evolviren, so werden die Theile des Räumli- chen auseinander gesetzt, sie kommen als ein Vieles ne- ben einander zum Bewusstseyn. Geschieht dies in An- sehung des Leibes, so kommen Vorstellungen, wie: mein Kopf, mein Arm, mein Fuss, zum Vorschein. Keiner dieser Theile ist je für das Ich gehalten worden; sondern diese Vereinzelung hat auf die Frage vom Sitze des Ich, des Geistes, der Seele geführt. Und je bestimm- ter ein solcher Theil sich einzeln ausgedehnt und beweg- lich zeigt, desto weniger wird man ertragen, ihn als den Sitz der Seele zu betrachten. Der Mensch sucht densel- ben nicht auf der Oberfläche, die er sieht, sondern in- wendig; und am liebsten im Kopfe, den das Auge un- mittelbar nicht gewahr wird. -- Involvirte Reihen dagegen gelten für Einheiten, wie schon im §. 100. (in der An- merkung) gesagt wurde. Und wer von Sich redet, der denkt in der Regel nicht an jene Frage vom Sitze der Seele; unterscheidet auch nicht Leib und Seele.
2) Als Zeitwesen hat Jeder seine Lebensgeschichte, aber die Vorstellung Ich erzählt keine Geschichte; zu ihr gehört das Präsens: Ich bin! Demnach steht sie in der Gegenwart; aber nicht als ein Neues, sondern als ein
die Anmerkung des §. 27. verglichen werden; wenn man hinzudenkt, daſs die Merkmale m n o p in ihren verschie- denen Reihen liegen.
§. 136.
Jetzt wollen wir versuchen, das Selbstbewuſstseyn zu beschreiben, wie es wirklich ist; nur nicht etwan wie es seyn müſste, um ein Reales (die Substanz der Seele) zur Erkenntniſs zu bringen. — Wir verhehlen uns hiebey nicht, daſs das wirkliche Ich ein Raum- und Zeit-We- sen ist; aber mit folgenden nähern Bestimmungen:
1) In wiefern der eigne Leib zum Ich gerechnet wird, befindet sich die Vorstellung desselben nicht im Zu- stande der Evolution, sondern der Involution.
Man weiſs aus der Lehre vom Raume, daſs alle Räumlichkeit auf Verwebung von Reihen beruht. Wenn diese sich evolviren, so werden die Theile des Räumli- chen auseinander gesetzt, sie kommen als ein Vieles ne- ben einander zum Bewuſstseyn. Geschieht dies in An- sehung des Leibes, so kommen Vorstellungen, wie: mein Kopf, mein Arm, mein Fuſs, zum Vorschein. Keiner dieser Theile ist je für das Ich gehalten worden; sondern diese Vereinzelung hat auf die Frage vom Sitze des Ich, des Geistes, der Seele geführt. Und je bestimm- ter ein solcher Theil sich einzeln ausgedehnt und beweg- lich zeigt, desto weniger wird man ertragen, ihn als den Sitz der Seele zu betrachten. Der Mensch sucht densel- ben nicht auf der Oberfläche, die er sieht, sondern in- wendig; und am liebsten im Kopfe, den das Auge un- mittelbar nicht gewahr wird. — Involvirte Reihen dagegen gelten für Einheiten, wie schon im §. 100. (in der An- merkung) gesagt wurde. Und wer von Sich redet, der denkt in der Regel nicht an jene Frage vom Sitze der Seele; unterscheidet auch nicht Leib und Seele.
2) Als Zeitwesen hat Jeder seine Lebensgeschichte, aber die Vorstellung Ich erzählt keine Geschichte; zu ihr gehört das Präsens: Ich bin! Demnach steht sie in der Gegenwart; aber nicht als ein Neues, sondern als ein
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die Anmerkung des §. 27. verglichen werden; wenn man
hinzudenkt, daſs die Merkmale m n o p in ihren verschie-
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§. 136.
Jetzt wollen wir versuchen, das Selbstbewuſstseyn zu
beschreiben, wie es wirklich ist; nur nicht etwan wie es
seyn müſste, um ein Reales (die Substanz der Seele) zur
Erkenntniſs zu bringen. — Wir verhehlen uns hiebey
nicht, daſs das wirkliche Ich ein Raum- und Zeit-We-
sen ist; aber mit folgenden nähern Bestimmungen:
1) In wiefern der eigne Leib zum Ich gerechnet
wird, befindet sich die Vorstellung desselben nicht im Zu-
stande der Evolution, sondern der Involution.
Man weiſs aus der Lehre vom Raume, daſs alle
Räumlichkeit auf Verwebung von Reihen beruht. Wenn
diese sich evolviren, so werden die Theile des Räumli-
chen auseinander gesetzt, sie kommen als ein Vieles ne-
ben einander zum Bewuſstseyn. Geschieht dies in An-
sehung des Leibes, so kommen Vorstellungen, wie:
mein Kopf, mein Arm, mein Fuſs, zum Vorschein.
Keiner dieser Theile ist je für das Ich gehalten worden;
sondern diese Vereinzelung hat auf die Frage vom Sitze
des Ich, des Geistes, der Seele geführt. Und je bestimm-
ter ein solcher Theil sich einzeln ausgedehnt und beweg-
lich zeigt, desto weniger wird man ertragen, ihn als den
Sitz der Seele zu betrachten. Der Mensch sucht densel-
ben nicht auf der Oberfläche, die er sieht, sondern in-
wendig; und am liebsten im Kopfe, den das Auge un-
mittelbar nicht gewahr wird. — Involvirte Reihen dagegen
gelten für Einheiten, wie schon im §. 100. (in der An-
merkung) gesagt wurde. Und wer von Sich redet, der
denkt in der Regel nicht an jene Frage vom Sitze der
Seele; unterscheidet auch nicht Leib und Seele.
2) Als Zeitwesen hat Jeder seine Lebensgeschichte,
aber die Vorstellung Ich erzählt keine Geschichte; zu ihr
gehört das Präsens: Ich bin! Demnach steht sie in
der Gegenwart; aber nicht als ein Neues, sondern als ein
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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie02_1825/314>, abgerufen am 22.11.2024.
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