"der zu gleicher Zeit gelb und schmelzbar ist, und der "Capelle widersteht, so halte ich diesen Körper für ei- "nen solchen, dessen specifisches Wesen, so unbe- "kannt es uns auch seiner innern Beschaffen- "heit nach seyn mag, diese Eigenschaften als "Grundeigenschaften enthält, und durch sie we- "nigstens verworren erkannt werden kann*)."
Leibnitz muss durch Locke's Weitläuftigkeit ge- hindert seyn, sich in dem, von ihm zwar ausgezogenen Werke genau umzusehn; sonst würden ihm mehrere Stellen, unter andern folgende aufgestossen seyn, aus der er sehen konnte, dass sein Gegner wenigstens einen Theil dessen wohl wusste, was er ihn lehren wollte: It is evi- dent, that the bulk, figure, and motion of several bodies about us, produce in us several sensations, as of colours, sounds, tastes, smells, pleasure, and pain, etc.**). Trotz dem sagt Leibnitz: "Sie scheinen noch immer anzuneh- "men, dass die sinnlichen Beschaffenheiten, oder, um mich "besser auszudrücken, dass unsre Ideen davon, nicht von "den Figuren und natürlichen Bewegungen, sondern le- "diglich von dem freyen Belieben Gottes, der "uns diese Ideen giebt, abhängen ***)." So misver- stand Leibnitz einige von den frommen Aeusserungen Locke's! -- Aber Locke fährt in jener Stelle folgen- dermaassen fort: These mechanical affections of bodies having no affinity at all with those ideas they produce in us, etc. Wenn solche Behauptungen dem Erfinder der prästabilirten Harmonie nicht zusagten (weil nach der letzteren kein Uebergang von jenen mechanischen Affe- ctionen zu unserer Erkenntniss statt findet): so sind sie gleichwohl viel leidlicher, als jene verworrene Kennt-
*) S. 329. im zweyten Bande der Uebersetzung der Raspeschen Sammlung, von Ulrich.
**)Book IV. Chap. VI. §. 28.
***)Ulrichs angeführte Uebersetzung. Bd. 2. S. 325.
„der zu gleicher Zeit gelb und schmelzbar ist, und der „Capelle widersteht, so halte ich diesen Körper für ei- „nen solchen, dessen specifisches Wesen, so unbe- „kannt es uns auch seiner innern Beschaffen- „heit nach seyn mag, diese Eigenschaften als „Grundeigenschaften enthält, und durch sie we- „nigstens verworren erkannt werden kann*).“
Leibnitz muſs durch Locke’s Weitläuftigkeit ge- hindert seyn, sich in dem, von ihm zwar ausgezogenen Werke genau umzusehn; sonst würden ihm mehrere Stellen, unter andern folgende aufgestoſsen seyn, aus der er sehen konnte, daſs sein Gegner wenigstens einen Theil dessen wohl wuſste, was er ihn lehren wollte: It is evi- dent, that the bulk, figure, and motion of ſeveral bodies about us, produce in us ſeveral ſenſations, as of colours, ſounds, taſtes, ſmells, pleaſure, and pain, etc.**). Trotz dem sagt Leibnitz: „Sie scheinen noch immer anzuneh- „men, daſs die sinnlichen Beschaffenheiten, oder, um mich „besser auszudrücken, daſs unsre Ideen davon, nicht von „den Figuren und natürlichen Bewegungen, sondern le- „diglich von dem freyen Belieben Gottes, der „uns diese Ideen giebt, abhängen ***).“ So misver- stand Leibnitz einige von den frommen Aeuſserungen Locke’s! — Aber Locke fährt in jener Stelle folgen- dermaaſsen fort: Theſe mechanical affections of bodies having no affinity at all with those ideas they produce in us, etc. Wenn solche Behauptungen dem Erfinder der prästabilirten Harmonie nicht zusagten (weil nach der letzteren kein Uebergang von jenen mechanischen Affe- ctionen zu unserer Erkenntniſs statt findet): so sind sie gleichwohl viel leidlicher, als jene verworrene Kennt-
*) S. 329. im zweyten Bande der Uebersetzung der Raspeschen Sammlung, von Ulrich.
**)Book IV. Chap. VI. §. 28.
***)Ulrichs angeführte Uebersetzung. Bd. 2. S. 325.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0338"n="303"/>„der zu gleicher Zeit gelb und schmelzbar ist, und der<lb/>„Capelle widersteht, so halte ich diesen Körper für ei-<lb/>„nen solchen, dessen specifisches Wesen, <hirendition="#g">so unbe-<lb/>„kannt es uns auch seiner innern Beschaffen-<lb/>„heit nach seyn mag, diese Eigenschaften als<lb/>„Grundeigenschaften enthält, und durch sie we-<lb/>„nigstens verworren erkannt werden kann</hi><noteplace="foot"n="*)">S. 329. im zweyten Bande der Uebersetzung der <hirendition="#g">Raspeschen</hi><lb/>
Sammlung, von <hirendition="#g">Ulrich</hi>.</note>.“</p><lb/><p><hirendition="#g">Leibnitz</hi> muſs durch <hirendition="#g">Locke’s</hi> Weitläuftigkeit ge-<lb/>
hindert seyn, sich in dem, von ihm zwar ausgezogenen<lb/>
Werke genau umzusehn; sonst würden ihm mehrere<lb/>
Stellen, unter andern folgende aufgestoſsen seyn, aus der<lb/>
er sehen konnte, daſs sein Gegner wenigstens einen Theil<lb/>
dessen wohl wuſste, was er ihn lehren wollte: <hirendition="#i">It is evi-<lb/>
dent, that the bulk, figure, and motion of ſeveral bodies<lb/>
about us, produce in us ſeveral ſenſations, as of colours,<lb/>ſounds, taſtes, ſmells, pleaſure, and pain, etc.</hi><noteplace="foot"n="**)"><hirendition="#i">Book IV. Chap. VI.</hi> §. 28.</note>. Trotz<lb/>
dem sagt <hirendition="#g">Leibnitz</hi>: „Sie scheinen noch immer anzuneh-<lb/>„men, daſs die sinnlichen Beschaffenheiten, oder, um mich<lb/>„besser auszudrücken, daſs unsre Ideen davon, <hirendition="#g">nicht</hi> von<lb/>„den Figuren und natürlichen Bewegungen, sondern <hirendition="#g">le-<lb/>„diglich von dem freyen Belieben Gottes, der<lb/>„uns diese Ideen giebt</hi>, abhängen <noteplace="foot"n="***)"><hirendition="#g">Ulrichs</hi> angeführte Uebersetzung. Bd. 2. S. 325.</note>.“ So misver-<lb/>
stand <hirendition="#g">Leibnitz</hi> einige von den frommen Aeuſserungen<lb/><hirendition="#g">Locke’s</hi>! — Aber <hirendition="#g">Locke</hi> fährt in jener Stelle folgen-<lb/>
dermaaſsen fort: <hirendition="#i">Theſe mechanical affections of bodies<lb/>
having no affinity at all with those ideas they produce<lb/>
in us, etc.</hi> Wenn solche Behauptungen dem Erfinder<lb/>
der prästabilirten Harmonie nicht zusagten (weil nach der<lb/>
letzteren kein Uebergang von jenen mechanischen Affe-<lb/>
ctionen zu unserer Erkenntniſs statt findet): so sind sie<lb/>
gleichwohl viel leidlicher, als jene <hirendition="#g">verworrene</hi> Kennt-<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[303/0338]
„der zu gleicher Zeit gelb und schmelzbar ist, und der
„Capelle widersteht, so halte ich diesen Körper für ei-
„nen solchen, dessen specifisches Wesen, so unbe-
„kannt es uns auch seiner innern Beschaffen-
„heit nach seyn mag, diese Eigenschaften als
„Grundeigenschaften enthält, und durch sie we-
„nigstens verworren erkannt werden kann *).“
Leibnitz muſs durch Locke’s Weitläuftigkeit ge-
hindert seyn, sich in dem, von ihm zwar ausgezogenen
Werke genau umzusehn; sonst würden ihm mehrere
Stellen, unter andern folgende aufgestoſsen seyn, aus der
er sehen konnte, daſs sein Gegner wenigstens einen Theil
dessen wohl wuſste, was er ihn lehren wollte: It is evi-
dent, that the bulk, figure, and motion of ſeveral bodies
about us, produce in us ſeveral ſenſations, as of colours,
ſounds, taſtes, ſmells, pleaſure, and pain, etc. **). Trotz
dem sagt Leibnitz: „Sie scheinen noch immer anzuneh-
„men, daſs die sinnlichen Beschaffenheiten, oder, um mich
„besser auszudrücken, daſs unsre Ideen davon, nicht von
„den Figuren und natürlichen Bewegungen, sondern le-
„diglich von dem freyen Belieben Gottes, der
„uns diese Ideen giebt, abhängen ***).“ So misver-
stand Leibnitz einige von den frommen Aeuſserungen
Locke’s! — Aber Locke fährt in jener Stelle folgen-
dermaaſsen fort: Theſe mechanical affections of bodies
having no affinity at all with those ideas they produce
in us, etc. Wenn solche Behauptungen dem Erfinder
der prästabilirten Harmonie nicht zusagten (weil nach der
letzteren kein Uebergang von jenen mechanischen Affe-
ctionen zu unserer Erkenntniſs statt findet): so sind sie
gleichwohl viel leidlicher, als jene verworrene Kennt-
*) S. 329. im zweyten Bande der Uebersetzung der Raspeschen
Sammlung, von Ulrich.
**) Book IV. Chap. VI. §. 28.
***) Ulrichs angeführte Uebersetzung. Bd. 2. S. 325.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825, S. 303. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie02_1825/338>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.