wie der Begriff der Causalität, auf Veranlassung des sinnlich-Gegebenen, ursprünglich erzeugt werde: dürften wir wohl wünschen, dass uns hier eine eben so deutliche und nachdrückliche Hinweisung auf den Hauptpunct, möchte zu Hülfe kommen, wie jene von Locke, in Ansehung des Begriffs von der Substanz. Allein schwerlich wird eine solche in den berühmten Werken unserer Vorgän- ger zu finden seyn. Zwar deutet auch diesmal Locke auf die rechte Stelle; man vergleiche Capitel 26. des zweyten Buchs. Allein er ist hier nicht ausführlich; und am wenigsten scheint er geahndet zu haben, wie weit sich seine Nachfolger vom rechten Wege entfernen würden.
Unter diesen wird man hier zuerst und vorzugsweise an einen Schriftsteller denken, dessen ich bisher nicht erwähnt habe, und dem ich in der That, so geistreich er seine Leser zu unterhalten weiss, doch kein grosses Gewicht beylegen kann. Ich meine den berühmten Da- vid Hume; durch dessen Untersuchungen, besonders über den Causal-Begriff, Kant so lebhaft angeregt wurde. Mit Vergnügen zolle ich bey dieser Gelegenheit unserm Kant den Tribut der aufrichtigen Dankbarkeit; denn wenn Hume auf mich äusserst wenig Wirkung macht, so suche ich den Grund davon einzig darin, dass gerade Kant, ungeachtet seiner Fehlgriffe eben in dem Puncte, worüber er wider Humen streitet, doch im Ganzen ge- nommen für uns Deutschen eine kräftigere Gymnastik des Geistes bereitet hat, als diejenige war, mit welcher Er sich behelfen musste. --
Hume beginnt seine ganze Lehre mit der Unter- scheidung der Eindrücke und der Begriffe; er behauptet, die letztern seyen lediglich Copieen der ersteren *). Dies ist ein blosser Einfall; noch dazu ein unglücklicher Ein- fall; endlich ein so wenig überlegter Einfall, dass eine,
*)Hume über die menschliche Natur, übersetzt von Jakob. S. 25.
wie der Begriff der Causalität, auf Veranlassung des sinnlich-Gegebenen, ursprünglich erzeugt werde: dürften wir wohl wünschen, daſs uns hier eine eben so deutliche und nachdrückliche Hinweisung auf den Hauptpunct, möchte zu Hülfe kommen, wie jene von Locke, in Ansehung des Begriffs von der Substanz. Allein schwerlich wird eine solche in den berühmten Werken unserer Vorgän- ger zu finden seyn. Zwar deutet auch diesmal Locke auf die rechte Stelle; man vergleiche Capitel 26. des zweyten Buchs. Allein er ist hier nicht ausführlich; und am wenigsten scheint er geahndet zu haben, wie weit sich seine Nachfolger vom rechten Wege entfernen würden.
Unter diesen wird man hier zuerst und vorzugsweise an einen Schriftsteller denken, dessen ich bisher nicht erwähnt habe, und dem ich in der That, so geistreich er seine Leser zu unterhalten weiſs, doch kein groſses Gewicht beylegen kann. Ich meine den berühmten Da- vid Hume; durch dessen Untersuchungen, besonders über den Causal-Begriff, Kant so lebhaft angeregt wurde. Mit Vergnügen zolle ich bey dieser Gelegenheit unserm Kant den Tribut der aufrichtigen Dankbarkeit; denn wenn Hume auf mich äuſserst wenig Wirkung macht, so suche ich den Grund davon einzig darin, daſs gerade Kant, ungeachtet seiner Fehlgriffe eben in dem Puncte, worüber er wider Humen streitet, doch im Ganzen ge- nommen für uns Deutschen eine kräftigere Gymnastik des Geistes bereitet hat, als diejenige war, mit welcher Er sich behelfen muſste. —
Hume beginnt seine ganze Lehre mit der Unter- scheidung der Eindrücke und der Begriffe; er behauptet, die letztern seyen lediglich Copieen der ersteren *). Dies ist ein bloſser Einfall; noch dazu ein unglücklicher Ein- fall; endlich ein so wenig überlegter Einfall, daſs eine,
*)Hume über die menschliche Natur, übersetzt von Jakob. S. 25.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0350"n="315"/>
wie der Begriff der Causalität, auf Veranlassung des<lb/>
sinnlich-Gegebenen, ursprünglich erzeugt werde: dürften<lb/>
wir wohl wünschen, daſs uns hier eine eben so deutliche<lb/>
und nachdrückliche Hinweisung auf den Hauptpunct, möchte<lb/>
zu Hülfe kommen, wie jene von <hirendition="#g">Locke</hi>, in Ansehung<lb/>
des Begriffs von der Substanz. Allein schwerlich wird<lb/>
eine solche in den berühmten Werken unserer Vorgän-<lb/>
ger zu finden seyn. Zwar deutet auch diesmal <hirendition="#g">Locke</hi><lb/>
auf die rechte Stelle; man vergleiche Capitel 26. des<lb/>
zweyten Buchs. Allein er ist hier nicht ausführlich; und<lb/>
am wenigsten scheint er geahndet zu haben, wie weit<lb/>
sich seine Nachfolger vom rechten Wege entfernen<lb/>
würden.</p><lb/><p>Unter diesen wird man hier zuerst und vorzugsweise<lb/>
an einen Schriftsteller denken, dessen ich bisher nicht<lb/>
erwähnt habe, und dem ich in der That, so geistreich<lb/>
er seine Leser zu unterhalten weiſs, doch kein groſses<lb/>
Gewicht beylegen kann. Ich meine den berühmten <hirendition="#g">Da-<lb/>
vid Hume</hi>; durch dessen Untersuchungen, besonders<lb/>
über den Causal-Begriff, <hirendition="#g">Kant</hi> so lebhaft angeregt wurde.<lb/>
Mit Vergnügen zolle ich bey dieser Gelegenheit unserm<lb/><hirendition="#g">Kant</hi> den Tribut der aufrichtigen Dankbarkeit; denn<lb/>
wenn <hirendition="#g">Hume</hi> auf mich äuſserst wenig Wirkung macht,<lb/>
so suche ich den Grund davon einzig darin, daſs gerade<lb/><hirendition="#g">Kant</hi>, ungeachtet seiner Fehlgriffe eben in <hirendition="#g">dem</hi> Puncte,<lb/>
worüber er wider <hirendition="#g">Humen</hi> streitet, doch im Ganzen ge-<lb/>
nommen für uns Deutschen eine kräftigere Gymnastik<lb/>
des Geistes bereitet hat, als diejenige war, mit welcher<lb/>
Er sich behelfen muſste. —</p><lb/><p><hirendition="#g">Hume</hi> beginnt seine ganze Lehre mit der Unter-<lb/>
scheidung der Eindrücke und der Begriffe; er behauptet,<lb/>
die letztern seyen lediglich Copieen der ersteren <noteplace="foot"n="*)"><hirendition="#g">Hume</hi> über die menschliche Natur, übersetzt von <hirendition="#g">Jakob</hi>.<lb/>
S. 25.</note>. Dies<lb/>
ist ein bloſser Einfall; noch dazu ein unglücklicher Ein-<lb/>
fall; endlich ein so wenig überlegter Einfall, daſs eine,<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[315/0350]
wie der Begriff der Causalität, auf Veranlassung des
sinnlich-Gegebenen, ursprünglich erzeugt werde: dürften
wir wohl wünschen, daſs uns hier eine eben so deutliche
und nachdrückliche Hinweisung auf den Hauptpunct, möchte
zu Hülfe kommen, wie jene von Locke, in Ansehung
des Begriffs von der Substanz. Allein schwerlich wird
eine solche in den berühmten Werken unserer Vorgän-
ger zu finden seyn. Zwar deutet auch diesmal Locke
auf die rechte Stelle; man vergleiche Capitel 26. des
zweyten Buchs. Allein er ist hier nicht ausführlich; und
am wenigsten scheint er geahndet zu haben, wie weit
sich seine Nachfolger vom rechten Wege entfernen
würden.
Unter diesen wird man hier zuerst und vorzugsweise
an einen Schriftsteller denken, dessen ich bisher nicht
erwähnt habe, und dem ich in der That, so geistreich
er seine Leser zu unterhalten weiſs, doch kein groſses
Gewicht beylegen kann. Ich meine den berühmten Da-
vid Hume; durch dessen Untersuchungen, besonders
über den Causal-Begriff, Kant so lebhaft angeregt wurde.
Mit Vergnügen zolle ich bey dieser Gelegenheit unserm
Kant den Tribut der aufrichtigen Dankbarkeit; denn
wenn Hume auf mich äuſserst wenig Wirkung macht,
so suche ich den Grund davon einzig darin, daſs gerade
Kant, ungeachtet seiner Fehlgriffe eben in dem Puncte,
worüber er wider Humen streitet, doch im Ganzen ge-
nommen für uns Deutschen eine kräftigere Gymnastik
des Geistes bereitet hat, als diejenige war, mit welcher
Er sich behelfen muſste. —
Hume beginnt seine ganze Lehre mit der Unter-
scheidung der Eindrücke und der Begriffe; er behauptet,
die letztern seyen lediglich Copieen der ersteren *). Dies
ist ein bloſser Einfall; noch dazu ein unglücklicher Ein-
fall; endlich ein so wenig überlegter Einfall, daſs eine,
*) Hume über die menschliche Natur, übersetzt von Jakob.
S. 25.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825, S. 315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie02_1825/350>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.