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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825.

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gen, welche in dem Begriffe der Bewegung liegen, und
die schon Zeno von Elea versuchte, auszusprechen. --
Beym Durchlaufen eines Raumes verwandelt sich der
Raum in den Weg; das heisst, alles Nebeneinan-
der
dieses Raumes muss sich in einem Nacheinander
vollständig wiederfinden. Denn das Bewegte soll nirgends
verweilen, auch nichts überspringen; es soll die verschie-
denen Stellen seiner Bahn in eben so vielen verschiede-
nen Zeittheilchen treffen; und für jedes neue Zeittheilen
muss es sich in einem eben so neuen Orte befinden.
Wie ungleichartig nun auch Zeit und Raum seyn mö-
gen, ihre blosse Quantität, abstract gedacht, muss bey
der Bewegung die gleiche seyn; das Quantum der Suc-
cession findet gewiss seinen richtigen Ausdruck in dem
Quantum des durchlaufenen Raumes. Ein Satz, der bey
der ungleichförmigen Bewegung eben so offenbar ist, als
bey der gleichförmigen; denn auch hier sind die sämmt-
lichen Stellen des Weges gewiss successiv durchlaufen
worden, -- daher wenigstens soviel Succession als
Aussereinander; -- und das Bewegte konnte sich nir-
gends ausruhen, sonst wäre es ganz liegen geblieben, --
daher nicht mehr Succession, als Verschiedenheit in
dem Aussereinander. Was ist denn die Zeit? Ist sie
nicht das Quantum der Succession, oder doch dessen
Maass? -- Wenn sie dieses ist: so ist die ungleichför-
mige Bewegung ungereimt, ja alle Verschiedenheit der
Geschwindigkeit ist unmöglich. Denn bey grösserer Ge-
schwindigkeit zeigt die Zeit weniger Succession an, als
der Raum; bey kleinerer umgekehrt; vorausgesetzt, dass
wir einmal bey einer gewissen Geschwindigkeit (welche
zu bestimmen aber Niemand sich die vergebliche Mühe
machen wird,) Raum und Zeit als einander entsprechend
angesehen haben.

Auf diese Ungereimtheit in den Begriffen, durch
welche wir die Wahrnehmungen zu berichtigen glau-
ben, giebt nun im gemeinen Leben Niemand Acht. Auch
die Geometer bekümmern sich nicht darum; und das ge-

gen, welche in dem Begriffe der Bewegung liegen, und
die schon Zeno von Elea versuchte, auszusprechen. —
Beym Durchlaufen eines Raumes verwandelt sich der
Raum in den Weg; das heiſst, alles Nebeneinan-
der
dieses Raumes muſs sich in einem Nacheinander
vollständig wiederfinden. Denn das Bewegte soll nirgends
verweilen, auch nichts überspringen; es soll die verschie-
denen Stellen seiner Bahn in eben so vielen verschiede-
nen Zeittheilchen treffen; und für jedes neue Zeittheilen
muſs es sich in einem eben so neuen Orte befinden.
Wie ungleichartig nun auch Zeit und Raum seyn mö-
gen, ihre bloſse Quantität, abstract gedacht, muſs bey
der Bewegung die gleiche seyn; das Quantum der Suc-
cession findet gewiſs seinen richtigen Ausdruck in dem
Quantum des durchlaufenen Raumes. Ein Satz, der bey
der ungleichförmigen Bewegung eben so offenbar ist, als
bey der gleichförmigen; denn auch hier sind die sämmt-
lichen Stellen des Weges gewiſs successiv durchlaufen
worden, — daher wenigstens soviel Succession als
Auſsereinander; — und das Bewegte konnte sich nir-
gends ausruhen, sonst wäre es ganz liegen geblieben, —
daher nicht mehr Succession, als Verschiedenheit in
dem Auſsereinander. Was ist denn die Zeit? Ist sie
nicht das Quantum der Succession, oder doch dessen
Maaſs? — Wenn sie dieses ist: so ist die ungleichför-
mige Bewegung ungereimt, ja alle Verschiedenheit der
Geschwindigkeit ist unmöglich. Denn bey gröſserer Ge-
schwindigkeit zeigt die Zeit weniger Succession an, als
der Raum; bey kleinerer umgekehrt; vorausgesetzt, daſs
wir einmal bey einer gewissen Geschwindigkeit (welche
zu bestimmen aber Niemand sich die vergebliche Mühe
machen wird,) Raum und Zeit als einander entsprechend
angesehen haben.

Auf diese Ungereimtheit in den Begriffen, durch
welche wir die Wahrnehmungen zu berichtigen glau-
ben, giebt nun im gemeinen Leben Niemand Acht. Auch
die Geometer bekümmern sich nicht darum; und das ge-

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[358/0393] gen, welche in dem Begriffe der Bewegung liegen, und die schon Zeno von Elea versuchte, auszusprechen. — Beym Durchlaufen eines Raumes verwandelt sich der Raum in den Weg; das heiſst, alles Nebeneinan- der dieses Raumes muſs sich in einem Nacheinander vollständig wiederfinden. Denn das Bewegte soll nirgends verweilen, auch nichts überspringen; es soll die verschie- denen Stellen seiner Bahn in eben so vielen verschiede- nen Zeittheilchen treffen; und für jedes neue Zeittheilen muſs es sich in einem eben so neuen Orte befinden. Wie ungleichartig nun auch Zeit und Raum seyn mö- gen, ihre bloſse Quantität, abstract gedacht, muſs bey der Bewegung die gleiche seyn; das Quantum der Suc- cession findet gewiſs seinen richtigen Ausdruck in dem Quantum des durchlaufenen Raumes. Ein Satz, der bey der ungleichförmigen Bewegung eben so offenbar ist, als bey der gleichförmigen; denn auch hier sind die sämmt- lichen Stellen des Weges gewiſs successiv durchlaufen worden, — daher wenigstens soviel Succession als Auſsereinander; — und das Bewegte konnte sich nir- gends ausruhen, sonst wäre es ganz liegen geblieben, — daher nicht mehr Succession, als Verschiedenheit in dem Auſsereinander. Was ist denn die Zeit? Ist sie nicht das Quantum der Succession, oder doch dessen Maaſs? — Wenn sie dieses ist: so ist die ungleichför- mige Bewegung ungereimt, ja alle Verschiedenheit der Geschwindigkeit ist unmöglich. Denn bey gröſserer Ge- schwindigkeit zeigt die Zeit weniger Succession an, als der Raum; bey kleinerer umgekehrt; vorausgesetzt, daſs wir einmal bey einer gewissen Geschwindigkeit (welche zu bestimmen aber Niemand sich die vergebliche Mühe machen wird,) Raum und Zeit als einander entsprechend angesehen haben. Auf diese Ungereimtheit in den Begriffen, durch welche wir die Wahrnehmungen zu berichtigen glau- ben, giebt nun im gemeinen Leben Niemand Acht. Auch die Geometer bekümmern sich nicht darum; und das ge-

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Zitationshilfe: Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825, S. 358. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie02_1825/393>, abgerufen am 24.11.2024.