sind, um dadurch etwas Wesentliches erreichen zu kön- nen. Hieraus würde sich der natürliche innere Zustand der verschiedenen Staaten grossentheils entwickeln las- sen; besonders wenn man hinzunähme, dass zur Kriegs- macht nicht bloss Truppen, sondern auch Geld und Ver- stand gehört; und dass der Erwerb dieser drey Requisite an sehr verschiedene Bedingungen geknüpft ist. So fruchtbar nun diese Betrachtungen werden könnten, so wird man sie doch in dem Nachfolgenden nicht finden. Sie gehören nicht hieher; und ich empfinde kein Bedürf- niss, Alles zu sagen, was ich denke; am wenigsten über Dinge, die hundert Andre besser verstehn.
Platon musste seiner Absicht gemäss, den Staat von der Seite der praktischen Ideen auffassen; und wirklich hat er eine der Ideen, die der Harmonie zwischen Einsicht und Wille, (die nämliche, welche ich in- nere Freyheit nenne,) trefflich entwickelt.
Sein Hauptgedanke ist, dass die Einsichtsvollen re- gieren, die Starken sie unterstützen, und das Volk ge- horchen solle; so dass Jeder das Seinige thue, und sich auf seinen Beruf beschränke. Hingegen Viel- geschäftigkeit ist beym Platon soviel als Ungerech- tigkeit. Darüber ist nun die eigentliche Idee des Rechts bey ihm im Dunkeln geblieben; desgleichen die übrigen praktischen Ideen, welche alle gleichmässig ins Licht zu setzen, und gehörig zu verknüpfen, eigentlich seine Auf- gabe gewesen wäre. Jedoch, so fern er nicht den Staat in der Wirklichkeit, sondern nur die Idee desselben zeichnen wollte, (freylich ist er diesem Vorsatze nicht ganz getreu geblieben, sondern hat mit angenehmer Nach- lässigkeit sich gehen lassen,) kann man ihn nicht sowohl einseitig, als unvollständig nennen; denn die Idee der innern Freyheit ist wirklich die erste von allen; und diejenige, welche sich auf alle übrigen bezieht, um sich in ihnen zu realisiren, so fern man von Realität in der Ideenwelt über- haupt reden kann. Ueber dies Alles bitte ich meine prak- tische Philosophie nachzusehn, und gehörig zu vergleichen.
sind, um dadurch etwas Wesentliches erreichen zu kön- nen. Hieraus würde sich der natürliche innere Zustand der verschiedenen Staaten groſsentheils entwickeln las- sen; besonders wenn man hinzunähme, daſs zur Kriegs- macht nicht bloſs Truppen, sondern auch Geld und Ver- stand gehört; und daſs der Erwerb dieser drey Requisite an sehr verschiedene Bedingungen geknüpft ist. So fruchtbar nun diese Betrachtungen werden könnten, so wird man sie doch in dem Nachfolgenden nicht finden. Sie gehören nicht hieher; und ich empfinde kein Bedürf- niſs, Alles zu sagen, was ich denke; am wenigsten über Dinge, die hundert Andre besser verstehn.
Platon muſste seiner Absicht gemäſs, den Staat von der Seite der praktischen Ideen auffassen; und wirklich hat er eine der Ideen, die der Harmonie zwischen Einsicht und Wille, (die nämliche, welche ich in- nere Freyheit nenne,) trefflich entwickelt.
Sein Hauptgedanke ist, daſs die Einsichtsvollen re- gieren, die Starken sie unterstützen, und das Volk ge- horchen solle; so daſs Jeder das Seinige thue, und sich auf seinen Beruf beschränke. Hingegen Viel- geschäftigkeit ist beym Platon soviel als Ungerech- tigkeit. Darüber ist nun die eigentliche Idee des Rechts bey ihm im Dunkeln geblieben; desgleichen die übrigen praktischen Ideen, welche alle gleichmäſsig ins Licht zu setzen, und gehörig zu verknüpfen, eigentlich seine Auf- gabe gewesen wäre. Jedoch, so fern er nicht den Staat in der Wirklichkeit, sondern nur die Idee desselben zeichnen wollte, (freylich ist er diesem Vorsatze nicht ganz getreu geblieben, sondern hat mit angenehmer Nach- lässigkeit sich gehen lassen,) kann man ihn nicht sowohl einseitig, als unvollständig nennen; denn die Idee der innern Freyheit ist wirklich die erste von allen; und diejenige, welche sich auf alle übrigen bezieht, um sich in ihnen zu realisiren, so fern man von Realität in der Ideenwelt über- haupt reden kann. Ueber dies Alles bitte ich meine prak- tische Philosophie nachzusehn, und gehörig zu vergleichen.
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sind, um dadurch etwas Wesentliches erreichen zu kön-
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der verschiedenen Staaten groſsentheils entwickeln las-
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macht nicht bloſs Truppen, sondern auch Geld und Ver-
stand gehört; und daſs der Erwerb dieser drey Requisite
an sehr verschiedene Bedingungen geknüpft ist. So
fruchtbar nun diese Betrachtungen werden könnten, so
wird man sie doch in dem Nachfolgenden nicht finden.
Sie gehören nicht hieher; und ich empfinde kein Bedürf-
niſs, Alles zu sagen, was ich denke; am wenigsten über
Dinge, die hundert Andre besser verstehn.
Platon muſste seiner Absicht gemäſs, den Staat von
der Seite der praktischen Ideen auffassen; und wirklich
hat er eine der Ideen, die der Harmonie zwischen
Einsicht und Wille, (die nämliche, welche ich in-
nere Freyheit nenne,) trefflich entwickelt.
Sein Hauptgedanke ist, daſs die Einsichtsvollen re-
gieren, die Starken sie unterstützen, und das Volk ge-
horchen solle; so daſs Jeder das Seinige thue, und
sich auf seinen Beruf beschränke. Hingegen Viel-
geschäftigkeit ist beym Platon soviel als Ungerech-
tigkeit. Darüber ist nun die eigentliche Idee des Rechts
bey ihm im Dunkeln geblieben; desgleichen die übrigen
praktischen Ideen, welche alle gleichmäſsig ins Licht zu
setzen, und gehörig zu verknüpfen, eigentlich seine Auf-
gabe gewesen wäre. Jedoch, so fern er nicht den Staat
in der Wirklichkeit, sondern nur die Idee desselben
zeichnen wollte, (freylich ist er diesem Vorsatze nicht
ganz getreu geblieben, sondern hat mit angenehmer Nach-
lässigkeit sich gehen lassen,) kann man ihn nicht sowohl
einseitig, als unvollständig nennen; denn die Idee der innern
Freyheit ist wirklich die erste von allen; und diejenige,
welche sich auf alle übrigen bezieht, um sich in ihnen zu
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haupt reden kann. Ueber dies Alles bitte ich meine prak-
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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie02_1825/41>, abgerufen am 30.01.2025.
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