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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825.

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schäffts erinnert, auch wirklich damit in Eine Klasse von
Ereignissen gehört.

In der Geometrie kommt etwas Aehnliches vor, doch
mit einem Umstande behaftet, den wir schon oben, (§. 114.,
in der Anmerkung,) vor Augen hatten. Im Raume näm-
lich vervielfältigen sich oftmals gewisse allgemeine Be-
griffe in mehrere Darstellungen. Wie Parallelen nur ei-
nerley Richtung, vielmal gezeichnet, sind: so auch sind
z. B. Scheitelwinkel nichts anders als ein und derselbe
Unterschied zweyer Richtungen, der nach zwey entgegen-
gesetzten Seiten hin sichtbar wird. Und der Satz, dass
alle Winkel im ebenen Dreyeck zusammen 180 Grade
ausmachen, ist völlig der Formel A=A analog; denn
wenn für zwey convergente Linien der Unterschied ihrer
Richtungen gegen eine dritte bestimmt ist, so liegt darin
unmittelbar die Ungleichheit dieses Unterschiedes, das
heisst, die Verschiedenheit ihrer Richtungen, und eben
diese ist der dritte Winkel im Dreyeck, der nur die 180°
voll macht, welche zwischen jenen Linien an der dritten
statt gefunden hätten, wenn sie parallel gewesen wären,
Es ist längst bemerkt worden, dass die gewöhnlichen
geometrischen Beweise hier nur einen Gedanken ausein-
anderziehn, den man, um ihn vollständig zu erreichen,
unmittelbar durchschauen muss; die Geometrie für An-
fänger ist längst vorhanden, aber die Geometrie für Den-
ker soll noch geschrieben werden. Sie wird weniger
von der Gleichheit zweyer Figuren, deren eine unabhän-
gig von der andern vorhanden scheint, -- und mehr
vom Entstehen vieler Constructionen aus Einem Princip,
zu reden haben. Sie wird z. B. in einem Dreyeck nicht
Eine Parallele mit der Grundlinie willkührlich ziehn, um
die Proportionen in den Dreyecken nachzuweisen: son-
dern, nachdem eine Seite mit zwey anliegenden Winkeln
gegeben worden, sogleich überlegen, dass diese Winkel
sich auf die Gestalt des Dreyecks, mithin auf die Ver-
hältnisse der drey Seiten beziehen; weil die Schenkel ei-
nen Grad von Convergenz an sich tragen, (den man

schäffts erinnert, auch wirklich damit in Eine Klasse von
Ereignissen gehört.

In der Geometrie kommt etwas Aehnliches vor, doch
mit einem Umstande behaftet, den wir schon oben, (§. 114.,
in der Anmerkung,) vor Augen hatten. Im Raume näm-
lich vervielfältigen sich oftmals gewisse allgemeine Be-
griffe in mehrere Darstellungen. Wie Parallelen nur ei-
nerley Richtung, vielmal gezeichnet, sind: so auch sind
z. B. Scheitelwinkel nichts anders als ein und derselbe
Unterschied zweyer Richtungen, der nach zwey entgegen-
gesetzten Seiten hin sichtbar wird. Und der Satz, daſs
alle Winkel im ebenen Dreyeck zusammen 180 Grade
ausmachen, ist völlig der Formel A=A analog; denn
wenn für zwey convergente Linien der Unterschied ihrer
Richtungen gegen eine dritte bestimmt ist, so liegt darin
unmittelbar die Ungleichheit dieses Unterschiedes, das
heiſst, die Verschiedenheit ihrer Richtungen, und eben
diese ist der dritte Winkel im Dreyeck, der nur die 180°
voll macht, welche zwischen jenen Linien an der dritten
statt gefunden hätten, wenn sie parallel gewesen wären,
Es ist längst bemerkt worden, daſs die gewöhnlichen
geometrischen Beweise hier nur einen Gedanken ausein-
anderziehn, den man, um ihn vollständig zu erreichen,
unmittelbar durchschauen muſs; die Geometrie für An-
fänger ist längst vorhanden, aber die Geometrie für Den-
ker soll noch geschrieben werden. Sie wird weniger
von der Gleichheit zweyer Figuren, deren eine unabhän-
gig von der andern vorhanden scheint, — und mehr
vom Entstehen vieler Constructionen aus Einem Princip,
zu reden haben. Sie wird z. B. in einem Dreyeck nicht
Eine Parallele mit der Grundlinie willkührlich ziehn, um
die Proportionen in den Dreyecken nachzuweisen: son-
dern, nachdem eine Seite mit zwey anliegenden Winkeln
gegeben worden, sogleich überlegen, daſs diese Winkel
sich auf die Gestalt des Dreyecks, mithin auf die Ver-
hältnisse der drey Seiten beziehen; weil die Schenkel ei-
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[377/0412] schäffts erinnert, auch wirklich damit in Eine Klasse von Ereignissen gehört. In der Geometrie kommt etwas Aehnliches vor, doch mit einem Umstande behaftet, den wir schon oben, (§. 114., in der Anmerkung,) vor Augen hatten. Im Raume näm- lich vervielfältigen sich oftmals gewisse allgemeine Be- griffe in mehrere Darstellungen. Wie Parallelen nur ei- nerley Richtung, vielmal gezeichnet, sind: so auch sind z. B. Scheitelwinkel nichts anders als ein und derselbe Unterschied zweyer Richtungen, der nach zwey entgegen- gesetzten Seiten hin sichtbar wird. Und der Satz, daſs alle Winkel im ebenen Dreyeck zusammen 180 Grade ausmachen, ist völlig der Formel A=A analog; denn wenn für zwey convergente Linien der Unterschied ihrer Richtungen gegen eine dritte bestimmt ist, so liegt darin unmittelbar die Ungleichheit dieses Unterschiedes, das heiſst, die Verschiedenheit ihrer Richtungen, und eben diese ist der dritte Winkel im Dreyeck, der nur die 180° voll macht, welche zwischen jenen Linien an der dritten statt gefunden hätten, wenn sie parallel gewesen wären, Es ist längst bemerkt worden, daſs die gewöhnlichen geometrischen Beweise hier nur einen Gedanken ausein- anderziehn, den man, um ihn vollständig zu erreichen, unmittelbar durchschauen muſs; die Geometrie für An- fänger ist längst vorhanden, aber die Geometrie für Den- ker soll noch geschrieben werden. Sie wird weniger von der Gleichheit zweyer Figuren, deren eine unabhän- gig von der andern vorhanden scheint, — und mehr vom Entstehen vieler Constructionen aus Einem Princip, zu reden haben. Sie wird z. B. in einem Dreyeck nicht Eine Parallele mit der Grundlinie willkührlich ziehn, um die Proportionen in den Dreyecken nachzuweisen: son- dern, nachdem eine Seite mit zwey anliegenden Winkeln gegeben worden, sogleich überlegen, daſs diese Winkel sich auf die Gestalt des Dreyecks, mithin auf die Ver- hältnisse der drey Seiten beziehen; weil die Schenkel ei- nen Grad von Convergenz an sich tragen, (den man

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Zitationshilfe: Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825, S. 377. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie02_1825/412>, abgerufen am 22.11.2024.