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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825.

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"genten und Regierungen zu heissen, und so die
"Benennung nur von einem einzelnen Nebenumstande,
"und nicht, wie ehemals, von dem Wesen der Sache
herzunehmen *)." Es scheint doch, dass die Fürsten
und die Republiken anderer Meinung sind. Denn warum
führen sie Löwen, Adler, Leoparden und andere dro-
hende Zeichen in ihren Wappen, -- warum ging schon
bey den alten Deutschen der freye Mann stets in Waf-
fen, als deshalb, weil die Unabhängigkeit behauptet seyn
will durch Gewalt, und durch die Anstrengung des Herr-
schens? Vollkommene Unabhängigkeit, die keiner Ge-
walt bedürfte, und von der kein Theil der Kraft durch
die Anstrengung des Herrschens gebunden oder ver-
braucht
würde, ist überirdisch, so lange es wahr bleibt,
dass ein Mensch den andern fürchtet, und des andern
bedarf. Schon diese Probe kann zeigen, dass auch Herr
von Haller, bey allem Schelten auf die Philosophen,
doch immer noch ein wenig in den Lüften schwebt, und
sich noch nicht ganz auf den rauhen Boden der Erde
herabgelassen hat. So gehts, wenn Einer, der über
Staatsklugheit schreibt, sich vom Staatsrechte nicht los-
sagen will! Das unselige Vermengen der theoretischen
und der praktischen Philosophie hat von jeher beyde zu-
gleich verdorben; und deshalb ist an gesetzmässige
Verbindung
beyder nun vollends nicht zu denken.
Eine solche Unabhängigkeit und vollkommene Freyheit,
wobey das Regieren und Herrschen zum Nebenum-
stande
herabsänke, wäre freilich eine schöne moralische
Aufgabe; aber sie kann auch nur durch moralische Kräfte
gelöset werden. Unter guten und gebildeten Menschen
ist sie längst gelöset; gegen sie bedarf es keiner Anstren-
gung des Herrschens.

Jedoch an den Fragepunct, der mir hiebey im Sinne
liegt, und den man in meiner Untersuchung über die
Wirkungsart roher, nicht moralischer Kräfte, wie

*) Ebendaselbst §. 14.

genten und Regierungen zu heiſsen, und so die
„Benennung nur von einem einzelnen Nebenumstande,
„und nicht, wie ehemals, von dem Wesen der Sache
herzunehmen *).“ Es scheint doch, daſs die Fürsten
und die Republiken anderer Meinung sind. Denn warum
führen sie Löwen, Adler, Leoparden und andere dro-
hende Zeichen in ihren Wappen, — warum ging schon
bey den alten Deutschen der freye Mann stets in Waf-
fen, als deshalb, weil die Unabhängigkeit behauptet seyn
will durch Gewalt, und durch die Anstrengung des Herr-
schens? Vollkommene Unabhängigkeit, die keiner Ge-
walt bedürfte, und von der kein Theil der Kraft durch
die Anstrengung des Herrschens gebunden oder ver-
braucht
würde, ist überirdisch, so lange es wahr bleibt,
daſs ein Mensch den andern fürchtet, und des andern
bedarf. Schon diese Probe kann zeigen, daſs auch Herr
von Haller, bey allem Schelten auf die Philosophen,
doch immer noch ein wenig in den Lüften schwebt, und
sich noch nicht ganz auf den rauhen Boden der Erde
herabgelassen hat. So gehts, wenn Einer, der über
Staatsklugheit schreibt, sich vom Staatsrechte nicht los-
sagen will! Das unselige Vermengen der theoretischen
und der praktischen Philosophie hat von jeher beyde zu-
gleich verdorben; und deshalb ist an gesetzmäſsige
Verbindung
beyder nun vollends nicht zu denken.
Eine solche Unabhängigkeit und vollkommene Freyheit,
wobey das Regieren und Herrschen zum Nebenum-
stande
herabsänke, wäre freilich eine schöne moralische
Aufgabe; aber sie kann auch nur durch moralische Kräfte
gelöset werden. Unter guten und gebildeten Menschen
ist sie längst gelöset; gegen sie bedarf es keiner Anstren-
gung des Herrschens.

Jedoch an den Fragepunct, der mir hiebey im Sinne
liegt, und den man in meiner Untersuchung über die
Wirkungsart roher, nicht moralischer Kräfte, wie

*) Ebendaselbst §. 14.
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[8/0043] „genten und Regierungen zu heiſsen, und so die „Benennung nur von einem einzelnen Nebenumstande, „und nicht, wie ehemals, von dem Wesen der Sache herzunehmen *).“ Es scheint doch, daſs die Fürsten und die Republiken anderer Meinung sind. Denn warum führen sie Löwen, Adler, Leoparden und andere dro- hende Zeichen in ihren Wappen, — warum ging schon bey den alten Deutschen der freye Mann stets in Waf- fen, als deshalb, weil die Unabhängigkeit behauptet seyn will durch Gewalt, und durch die Anstrengung des Herr- schens? Vollkommene Unabhängigkeit, die keiner Ge- walt bedürfte, und von der kein Theil der Kraft durch die Anstrengung des Herrschens gebunden oder ver- braucht würde, ist überirdisch, so lange es wahr bleibt, daſs ein Mensch den andern fürchtet, und des andern bedarf. Schon diese Probe kann zeigen, daſs auch Herr von Haller, bey allem Schelten auf die Philosophen, doch immer noch ein wenig in den Lüften schwebt, und sich noch nicht ganz auf den rauhen Boden der Erde herabgelassen hat. So gehts, wenn Einer, der über Staatsklugheit schreibt, sich vom Staatsrechte nicht los- sagen will! Das unselige Vermengen der theoretischen und der praktischen Philosophie hat von jeher beyde zu- gleich verdorben; und deshalb ist an gesetzmäſsige Verbindung beyder nun vollends nicht zu denken. Eine solche Unabhängigkeit und vollkommene Freyheit, wobey das Regieren und Herrschen zum Nebenum- stande herabsänke, wäre freilich eine schöne moralische Aufgabe; aber sie kann auch nur durch moralische Kräfte gelöset werden. Unter guten und gebildeten Menschen ist sie längst gelöset; gegen sie bedarf es keiner Anstren- gung des Herrschens. Jedoch an den Fragepunct, der mir hiebey im Sinne liegt, und den man in meiner Untersuchung über die Wirkungsart roher, nicht moralischer Kräfte, wie *) Ebendaselbst §. 14.

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Zitationshilfe: Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie02_1825/43>, abgerufen am 23.11.2024.