sie etwa in den Zeiten des Faustrechts waren, weiter- hin leicht erkennen wird, -- hat vielleicht Herr von Hal- ler nicht einmal gedacht. Seine Aufmerksamkeit ist ei- gentlich auf einen andern, wiewohl mit jenem eng ver- bundenen Gegenstand gerichtet. Er nennt seine Fürsten und Republiken darum vollkommen unabhängig, damit ihre Gewalt ursprünglich sey, und nicht erst über- tragen. In diesem Puncte, über welchen er eifrig ge- gen die von ihm sogenannten Philosophen streitet, werde ich ihm nicht widersprechen. Vielmehr, wenn vom wirk- lichen Staate die Rede ist, bin ich völlig der Meinung, dass übertragene Macht nicht veststehn, folglich nicht Macht seyn würde. Und selbst vom Standpuncte der praktischen Philosophie aus betrachtet, kann man sagen: es ist im Allgemeinen, und hinweggesehen von Orten und Zeiten, für den Staat gleichgültig, woher die Macht stammt, wenn sie nur da ist, und richtig gebraucht wird. Der Bürger, der Unterthan, gehorcht der Obrigkeit, die Gewalt über ihn hat; er beurtheilt nicht das Recht des Herrschers; ihm liegt nur an der Wirkung der Herr- schaft. Und warum sollte man Herrn von Haller wi- dersprechen, wenn er behauptet: "der Mächtigere "herrschet, sobald man seiner Macht bedarf;" ja wenn er sogar ausdrücklich hinzusetzt: "Die Macht "allein giebt nur Ansehen, und noch keine "Herrschaft; zur Bewirkung der letztern muss "ein Bedürfniss hinzukommen*). Diese Worte sind zwar keine scharfe Bezeichnungen eines Rechts- Verhältnisses; und noch weniger genügen sie als Aussa- gen dessen, was, laut Zeugniss der Geschichte, sich zu ereignen pflegt: jedoch können sie kein Motiv abgeben, um Herrn von Haller in Hinsicht seines grossen Eiferns wider die Philosophen, Gleiches mit Gleichem zu ver- gelten. Vielmehr könnte daraus leicht ein Streit entstehn, der am Ende nicht viel mehr als Wortstreit wäre.
*) A. a. O. §. 10.
sie etwa in den Zeiten des Faustrechts waren, weiter- hin leicht erkennen wird, — hat vielleicht Herr von Hal- ler nicht einmal gedacht. Seine Aufmerksamkeit ist ei- gentlich auf einen andern, wiewohl mit jenem eng ver- bundenen Gegenstand gerichtet. Er nennt seine Fürsten und Republiken darum vollkommen unabhängig, damit ihre Gewalt ursprünglich sey, und nicht erst über- tragen. In diesem Puncte, über welchen er eifrig ge- gen die von ihm sogenannten Philosophen streitet, werde ich ihm nicht widersprechen. Vielmehr, wenn vom wirk- lichen Staate die Rede ist, bin ich völlig der Meinung, daſs übertragene Macht nicht veststehn, folglich nicht Macht seyn würde. Und selbst vom Standpuncte der praktischen Philosophie aus betrachtet, kann man sagen: es ist im Allgemeinen, und hinweggesehen von Orten und Zeiten, für den Staat gleichgültig, woher die Macht stammt, wenn sie nur da ist, und richtig gebraucht wird. Der Bürger, der Unterthan, gehorcht der Obrigkeit, die Gewalt über ihn hat; er beurtheilt nicht das Recht des Herrschers; ihm liegt nur an der Wirkung der Herr- schaft. Und warum sollte man Herrn von Haller wi- dersprechen, wenn er behauptet: „der Mächtigere „herrschet, sobald man seiner Macht bedarf;“ ja wenn er sogar ausdrücklich hinzusetzt: „Die Macht „allein giebt nur Ansehen, und noch keine „Herrschaft; zur Bewirkung der letztern muſs „ein Bedürfniſs hinzukommen*). Diese Worte sind zwar keine scharfe Bezeichnungen eines Rechts- Verhältnisses; und noch weniger genügen sie als Aussa- gen dessen, was, laut Zeugniſs der Geschichte, sich zu ereignen pflegt: jedoch können sie kein Motiv abgeben, um Herrn von Haller in Hinsicht seines groſsen Eiferns wider die Philosophen, Gleiches mit Gleichem zu ver- gelten. Vielmehr könnte daraus leicht ein Streit entstehn, der am Ende nicht viel mehr als Wortstreit wäre.
*) A. a. O. §. 10.
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sie etwa in den Zeiten des Faustrechts waren, weiter-
hin leicht erkennen wird, — hat vielleicht Herr von Hal-
ler nicht einmal gedacht. Seine Aufmerksamkeit ist ei-
gentlich auf einen andern, wiewohl mit jenem eng ver-
bundenen Gegenstand gerichtet. Er nennt seine Fürsten
und Republiken darum vollkommen unabhängig, damit
ihre Gewalt ursprünglich sey, und nicht erst über-
tragen. In diesem Puncte, über welchen er eifrig ge-
gen die von ihm sogenannten Philosophen streitet, werde
ich ihm nicht widersprechen. Vielmehr, wenn vom wirk-
lichen Staate die Rede ist, bin ich völlig der Meinung,
daſs übertragene Macht nicht veststehn, folglich nicht
Macht seyn würde. Und selbst vom Standpuncte der
praktischen Philosophie aus betrachtet, kann man sagen:
es ist im Allgemeinen, und hinweggesehen von Orten
und Zeiten, für den Staat gleichgültig, woher die Macht
stammt, wenn sie nur da ist, und richtig gebraucht wird.
Der Bürger, der Unterthan, gehorcht der Obrigkeit, die
Gewalt über ihn hat; er beurtheilt nicht das Recht des
Herrschers; ihm liegt nur an der Wirkung der Herr-
schaft. Und warum sollte man Herrn von Haller wi-
dersprechen, wenn er behauptet: „der Mächtigere
„herrschet, sobald man seiner Macht bedarf;“
ja wenn er sogar ausdrücklich hinzusetzt: „Die Macht
„allein giebt nur Ansehen, und noch keine
„Herrschaft; zur Bewirkung der letztern muſs
„ein Bedürfniſs hinzukommen *). Diese Worte
sind zwar keine scharfe Bezeichnungen eines Rechts-
Verhältnisses; und noch weniger genügen sie als Aussa-
gen dessen, was, laut Zeugniſs der Geschichte, sich zu
ereignen pflegt: jedoch können sie kein Motiv abgeben,
um Herrn von Haller in Hinsicht seines groſsen Eiferns
wider die Philosophen, Gleiches mit Gleichem zu ver-
gelten. Vielmehr könnte daraus leicht ein Streit entstehn,
der am Ende nicht viel mehr als Wortstreit wäre.
*) A. a. O. §. 10.
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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie02_1825/44>, abgerufen am 23.11.2024.
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