Wählen, und Beschliessen. Das Erwägen ist eine ab- sichtliche Hingebung an verschiedene Begehrungen und Maximen, um sie in ihrer ganzen Stärke zum Bewusst- seyn kommen zu lassen. Wer erwägt hier? Die apper- cipirenden Vorstellungsmassen; und zwar nach dem zu- sammengesetzten Verhältnisse ihrer zuvor gewonnenen Ausbildung, und des Einflusses, den ihnen die andern, gleichsam gewogenen oder erwogenen, Vorstellungsmas- sen gestatten. -- Das Wählen geschieht, indem ver- nommen wird, welches der Gleichgewichtspunct sey, zu welchem die sämmtlichen erwogenen Vorstellungsmassen sich hinneigen. Wer vernimmt hier? Wiederum die appercipirenden Vorstellungsmassen, indem sie verschmel- zen mit den übrigen, schon zum Gleichgewichte kommen- den Vorstellungen, und zwar so verschmelzen, wie die letztern es möglich und nöthig machen. -- Das Be- schliessen geschieht, indem die sämmtlichen Vorstel- lungsmassen, so wie sie verschmelzen, unverzüglich an- fangen eine Totalkraft des Strebens zu bilden, und als solche zu wirken. Wer beschliesst hier? Das Ganze des gleichzeitigen Bewusstseyns. Der Beschluss würde nicht vest stehn, wenn nicht die durchgängige Verschmelzung so zu Stande käme, wie sie aus den sämmtlichen Vor- stellungsmassen sich ergeben muss.
Begreiflicher Weise kann man die drey eben er- wähnten Operationen nicht streng absondern. Das Wäh- len ist nur der Uebergang vom Erwägen zum Beschlie- ssen. Im Erwägen ist die Wirksamkeit der appercipiren- den Vorstellungsmassen am grössten, indem sie verhin- dern, dass von den übrigen nicht einige vorschnell ver- schmelzen; oder nach populärem Ausdruck, indem die Vernunft verhütet, dass man sich nicht übereile. Dabey würden andre Vorstellungsmassen ausser der Verschmel- zung bleiben; sie würden den Entschluss wandelbar ma- chen. Im Wählen sinkt nun die Thätigkeit der apper- cipirenden Vorstellungsmassen; sie selbst lassen sich die- jenige Art der Verschmelzung gefallen, welche aus allem
Wählen, und Beschlieſsen. Das Erwägen ist eine ab- sichtliche Hingebung an verschiedene Begehrungen und Maximen, um sie in ihrer ganzen Stärke zum Bewuſst- seyn kommen zu lassen. Wer erwägt hier? Die apper- cipirenden Vorstellungsmassen; und zwar nach dem zu- sammengesetzten Verhältnisse ihrer zuvor gewonnenen Ausbildung, und des Einflusses, den ihnen die andern, gleichsam gewogenen oder erwogenen, Vorstellungsmas- sen gestatten. — Das Wählen geschieht, indem ver- nommen wird, welches der Gleichgewichtspunct sey, zu welchem die sämmtlichen erwogenen Vorstellungsmassen sich hinneigen. Wer vernimmt hier? Wiederum die appercipirenden Vorstellungsmassen, indem sie verschmel- zen mit den übrigen, schon zum Gleichgewichte kommen- den Vorstellungen, und zwar so verschmelzen, wie die letztern es möglich und nöthig machen. — Das Be- schlieſsen geschieht, indem die sämmtlichen Vorstel- lungsmassen, so wie sie verschmelzen, unverzüglich an- fangen eine Totalkraft des Strebens zu bilden, und als solche zu wirken. Wer beschlieſst hier? Das Ganze des gleichzeitigen Bewuſstseyns. Der Beschluſs würde nicht vest stehn, wenn nicht die durchgängige Verschmelzung so zu Stande käme, wie sie aus den sämmtlichen Vor- stellungsmassen sich ergeben muſs.
Begreiflicher Weise kann man die drey eben er- wähnten Operationen nicht streng absondern. Das Wäh- len ist nur der Uebergang vom Erwägen zum Beschlie- ſsen. Im Erwägen ist die Wirksamkeit der appercipiren- den Vorstellungsmassen am gröſsten, indem sie verhin- dern, daſs von den übrigen nicht einige vorschnell ver- schmelzen; oder nach populärem Ausdruck, indem die Vernunft verhütet, daſs man sich nicht übereile. Dabey würden andre Vorstellungsmassen auſser der Verschmel- zung bleiben; sie würden den Entschluſs wandelbar ma- chen. Im Wählen sinkt nun die Thätigkeit der apper- cipirenden Vorstellungsmassen; sie selbst lassen sich die- jenige Art der Verschmelzung gefallen, welche aus allem
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Wählen, und Beschlieſsen. Das Erwägen ist eine ab-
sichtliche Hingebung an verschiedene Begehrungen und
Maximen, um sie in ihrer ganzen Stärke zum Bewuſst-
seyn kommen zu lassen. Wer erwägt hier? Die apper-
cipirenden Vorstellungsmassen; und zwar nach dem zu-
sammengesetzten Verhältnisse ihrer zuvor gewonnenen
Ausbildung, und des Einflusses, den ihnen die andern,
gleichsam gewogenen oder erwogenen, Vorstellungsmas-
sen gestatten. — Das Wählen geschieht, indem ver-
nommen wird, welches der Gleichgewichtspunct sey, zu
welchem die sämmtlichen erwogenen Vorstellungsmassen
sich hinneigen. Wer vernimmt hier? Wiederum die
appercipirenden Vorstellungsmassen, indem sie verschmel-
zen mit den übrigen, schon zum Gleichgewichte kommen-
den Vorstellungen, und zwar so verschmelzen, wie die
letztern es möglich und nöthig machen. — Das Be-
schlieſsen geschieht, indem die sämmtlichen Vorstel-
lungsmassen, so wie sie verschmelzen, unverzüglich an-
fangen eine Totalkraft des Strebens zu bilden, und als
solche zu wirken. Wer beschlieſst hier? Das Ganze des
gleichzeitigen Bewuſstseyns. Der Beschluſs würde nicht
vest stehn, wenn nicht die durchgängige Verschmelzung
so zu Stande käme, wie sie aus den sämmtlichen Vor-
stellungsmassen sich ergeben muſs.
Begreiflicher Weise kann man die drey eben er-
wähnten Operationen nicht streng absondern. Das Wäh-
len ist nur der Uebergang vom Erwägen zum Beschlie-
ſsen. Im Erwägen ist die Wirksamkeit der appercipiren-
den Vorstellungsmassen am gröſsten, indem sie verhin-
dern, daſs von den übrigen nicht einige vorschnell ver-
schmelzen; oder nach populärem Ausdruck, indem die
Vernunft verhütet, daſs man sich nicht übereile. Dabey
würden andre Vorstellungsmassen auſser der Verschmel-
zung bleiben; sie würden den Entschluſs wandelbar ma-
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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825, S. 418. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie02_1825/453>, abgerufen am 22.11.2024.
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