selben als ein nutzbares Eigenthum betrachtet; und hie- gegen haben sie kein Mittel, als den Versuch, zu ent- fliehen, ohne zu wissen, wohin. So entsteht das Ver- hältniss der Freyen und Unfreyen.
4) Vermöge eines psychologischen Grundes entsteht unter denen, welche die Gemeinde bilden, eine neue Ab- theilung. Die Mitglieder derselben beobachten einander; das heisst, jeder erzeugt in sich die Vorstellungen aller Andern. Gesetzt, diese Vorstellungen seyen ihrer Stärke nach ursprünglich in demselben Verhältnisse, wie die, nach der Hemmung noch frey gebliebene, und daher noch sichtbare, Kraft der vorgestellten Personen: so beginnt nunmehr in dem Geiste eines je- den Beobachters eine neue Hemmung unter diesen Vor- stellungen. Auch hier ereignet es sich abermals, dass die Reste der Vorstellungen bey weitem ungleicher aus- fallen, als die Vorstellungen ursprünglich waren; und dass Viele unter die Schwelle des Bewusstseyns fallen, neben wenigen Hervorragenden. So scheiden sich diese We- nigen, die Angesehenen, von denen, die nicht beach- tet werden, den Gemeinen.
5) Da jedoch die Kräfte nicht wirklich so un- gleich sind als sie scheinen: so fühlt Jeder für seine Person, dass er mehr ist, als er gilt. Hingegen täuscht er sich über die, welche ihm gleich sind, er hält sie für schwächer, als er sich fühlt. Daher verschmilzt, in seinem Bewusstseyn, sein Selbstgefühl viel näher, als es der Wahrheit nach sollte, mit der Vorstellung Des- sen, der in der Gemeine das höchste Ansehn hat. Für diesen Angesehensten nun, dem Alle sich nähern, ent- steht hieraus ein neuer Vortheil; sie richten sich nach seinen Bewegungen; er ist Fürst, selbst noch ehe er es wollte. Mit ihm sind Alle mehr verschmolzen, als unter einander; sie hängen an ihm; er findet sie lenksam. Das ist die älteste, die natürliche Monarchie; keine ab- solute, denn die Lenksamkeit hat ihren bestimmten Grad, und sie kann sehr leicht durch Unbehutsamkeit verdor-
selben als ein nutzbares Eigenthum betrachtet; und hie- gegen haben sie kein Mittel, als den Versuch, zu ent- fliehen, ohne zu wissen, wohin. So entsteht das Ver- hältniſs der Freyen und Unfreyen.
4) Vermöge eines psychologischen Grundes entsteht unter denen, welche die Gemeinde bilden, eine neue Ab- theilung. Die Mitglieder derselben beobachten einander; das heiſst, jeder erzeugt in sich die Vorstellungen aller Andern. Gesetzt, diese Vorstellungen seyen ihrer Stärke nach ursprünglich in demselben Verhältnisse, wie die, nach der Hemmung noch frey gebliebene, und daher noch sichtbare, Kraft der vorgestellten Personen: so beginnt nunmehr in dem Geiste eines je- den Beobachters eine neue Hemmung unter diesen Vor- stellungen. Auch hier ereignet es sich abermals, daſs die Reste der Vorstellungen bey weitem ungleicher aus- fallen, als die Vorstellungen ursprünglich waren; und daſs Viele unter die Schwelle des Bewuſstseyns fallen, neben wenigen Hervorragenden. So scheiden sich diese We- nigen, die Angesehenen, von denen, die nicht beach- tet werden, den Gemeinen.
5) Da jedoch die Kräfte nicht wirklich so un- gleich sind als sie scheinen: so fühlt Jeder für seine Person, daſs er mehr ist, als er gilt. Hingegen täuscht er sich über die, welche ihm gleich sind, er hält sie für schwächer, als er sich fühlt. Daher verschmilzt, in seinem Bewuſstseyn, sein Selbstgefühl viel näher, als es der Wahrheit nach sollte, mit der Vorstellung Des- sen, der in der Gemeine das höchste Ansehn hat. Für diesen Angesehensten nun, dem Alle sich nähern, ent- steht hieraus ein neuer Vortheil; sie richten sich nach seinen Bewegungen; er ist Fürst, selbst noch ehe er es wollte. Mit ihm sind Alle mehr verschmolzen, als unter einander; sie hängen an ihm; er findet sie lenksam. Das ist die älteste, die natürliche Monarchie; keine ab- solute, denn die Lenksamkeit hat ihren bestimmten Grad, und sie kann sehr leicht durch Unbehutsamkeit verdor-
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selben als ein nutzbares Eigenthum betrachtet; und hie-
gegen haben sie kein Mittel, als den Versuch, zu ent-
fliehen, ohne zu wissen, wohin. So entsteht das Ver-
hältniſs der Freyen und Unfreyen.
4) Vermöge eines psychologischen Grundes entsteht
unter denen, welche die Gemeinde bilden, eine neue Ab-
theilung. Die Mitglieder derselben beobachten einander;
das heiſst, jeder erzeugt in sich die Vorstellungen
aller Andern. Gesetzt, diese Vorstellungen seyen ihrer
Stärke nach ursprünglich in demselben Verhältnisse, wie
die, nach der Hemmung noch frey gebliebene,
und daher noch sichtbare, Kraft der vorgestellten
Personen: so beginnt nunmehr in dem Geiste eines je-
den Beobachters eine neue Hemmung unter diesen Vor-
stellungen. Auch hier ereignet es sich abermals, daſs
die Reste der Vorstellungen bey weitem ungleicher aus-
fallen, als die Vorstellungen ursprünglich waren; und daſs
Viele unter die Schwelle des Bewuſstseyns fallen, neben
wenigen Hervorragenden. So scheiden sich diese We-
nigen, die Angesehenen, von denen, die nicht beach-
tet werden, den Gemeinen.
5) Da jedoch die Kräfte nicht wirklich so un-
gleich sind als sie scheinen: so fühlt Jeder für seine
Person, daſs er mehr ist, als er gilt. Hingegen täuscht
er sich über die, welche ihm gleich sind, er hält sie
für schwächer, als er sich fühlt. Daher verschmilzt,
in seinem Bewuſstseyn, sein Selbstgefühl viel näher, als
es der Wahrheit nach sollte, mit der Vorstellung Des-
sen, der in der Gemeine das höchste Ansehn hat. Für
diesen Angesehensten nun, dem Alle sich nähern, ent-
steht hieraus ein neuer Vortheil; sie richten sich nach
seinen Bewegungen; er ist Fürst, selbst noch ehe er es
wollte. Mit ihm sind Alle mehr verschmolzen, als unter
einander; sie hängen an ihm; er findet sie lenksam.
Das ist die älteste, die natürliche Monarchie; keine ab-
solute, denn die Lenksamkeit hat ihren bestimmten Grad,
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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie02_1825/55>, abgerufen am 21.11.2024.
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