ben werden; keine beschränkte, denn es giebt noch keine Gesetze. Man denke an Odysseus, oder Nestor, oder an die Häuptlinge der schottischen Clane.
6) Der Fürst steht nun in zweyen merkwürdigen Verhältnissen zu seinem Adel -- denn das sind die An- gesehenen neben ihm, so fern er sie dafür erkennt, -- und zu den Gemeinen. Am lenksamsten für ihn sind die Gemeinen; denn bey ihnen weicht die scheinbare Kraft am meisten ab von der wahren; ihr Selbstgefühl erhebt sie am weitesten über ihre Geltung, und nähert sie dadurch am entschiedensten dem Fürsten. Aber die Gemeinen würden in ihrer Geltung nicht so herabge- drückt seyn, und folglich der Fürst nicht so hoch über ihnen stehn, ohne den Adel. Daher sind Adel und Ge- meine auf ganz verschiedene Weise wichtig für den Fürsten. Es kann nicht fehlen, dass er dies im Laufe der Zeit wahrnehme, und dem Adel eine gewisse mitt- lere, vortheilhafteste Stellung zu geben suche. -- Man vergleiche hier im §. 55. die beyden Gleichungen A und B; welche zeigen, dass die mittlere Kraft b zwischen zweyen ziemlich nahen Gränzen liegen muss, um nicht unnöthig gross, und doch stark genug zu seyn, damit c neben a und b auf der Schwelle verharre.
7) Der natürliche Gegenstand der Besorgniss für den Fürsten sind die Ersten neben ihm; denn sie kön- nen durch die kleinste Veränderung ihm gleich werden. Das natürliche Hülfsmittel ist, dass er diejenigen, welche er am lenksamsten und am wenigsten gefährlich findet, -- die Gemeinen, -- nicht zu heben, aber in eine nähere Verbindung unter einander zu bringen sucht. Ruft er sie nun zusammen, giebt er ihnen gemeinsame Angele- genheiten: so verschmelzen sie weit inniger; sie werden Bürger. Man denke an die Geschichte; an das, von den Fürsten begünstigte Emporkommen der Städte.
Anmerkung.
Wie man dem Gebirge ansieht, es sey ehedem Meeresboden gewesen: so kann man es dem Bürger-
ben werden; keine beschränkte, denn es giebt noch keine Gesetze. Man denke an Odysseus, oder Nestor, oder an die Häuptlinge der schottischen Clane.
6) Der Fürst steht nun in zweyen merkwürdigen Verhältnissen zu seinem Adel — denn das sind die An- gesehenen neben ihm, so fern er sie dafür erkennt, — und zu den Gemeinen. Am lenksamsten für ihn sind die Gemeinen; denn bey ihnen weicht die scheinbare Kraft am meisten ab von der wahren; ihr Selbstgefühl erhebt sie am weitesten über ihre Geltung, und nähert sie dadurch am entschiedensten dem Fürsten. Aber die Gemeinen würden in ihrer Geltung nicht so herabge- drückt seyn, und folglich der Fürst nicht so hoch über ihnen stehn, ohne den Adel. Daher sind Adel und Ge- meine auf ganz verschiedene Weise wichtig für den Fürsten. Es kann nicht fehlen, daſs er dies im Laufe der Zeit wahrnehme, und dem Adel eine gewisse mitt- lere, vortheilhafteste Stellung zu geben suche. — Man vergleiche hier im §. 55. die beyden Gleichungen A und B; welche zeigen, daſs die mittlere Kraft b zwischen zweyen ziemlich nahen Gränzen liegen muſs, um nicht unnöthig groſs, und doch stark genug zu seyn, damit c neben a und b auf der Schwelle verharre.
7) Der natürliche Gegenstand der Besorgniſs für den Fürsten sind die Ersten neben ihm; denn sie kön- nen durch die kleinste Veränderung ihm gleich werden. Das natürliche Hülfsmittel ist, daſs er diejenigen, welche er am lenksamsten und am wenigsten gefährlich findet, — die Gemeinen, — nicht zu heben, aber in eine nähere Verbindung unter einander zu bringen sucht. Ruft er sie nun zusammen, giebt er ihnen gemeinsame Angele- genheiten: so verschmelzen sie weit inniger; sie werden Bürger. Man denke an die Geschichte; an das, von den Fürsten begünstigte Emporkommen der Städte.
Anmerkung.
Wie man dem Gebirge ansieht, es sey ehedem Meeresboden gewesen: so kann man es dem Bürger-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0056"n="21"/>
ben werden; keine beschränkte, denn es giebt noch keine<lb/>
Gesetze. Man denke an Odysseus, oder Nestor, oder<lb/>
an die Häuptlinge der schottischen Clane.</p><lb/><p>6) Der Fürst steht nun in zweyen merkwürdigen<lb/>
Verhältnissen zu seinem Adel — denn das sind die An-<lb/>
gesehenen neben ihm, so fern er sie dafür erkennt, —<lb/>
und zu den Gemeinen. Am lenksamsten für ihn sind<lb/>
die Gemeinen; denn bey ihnen weicht die scheinbare<lb/>
Kraft am meisten ab von der wahren; ihr Selbstgefühl<lb/>
erhebt sie am weitesten über ihre Geltung, und nähert<lb/>
sie dadurch am entschiedensten dem Fürsten. Aber die<lb/>
Gemeinen würden in ihrer Geltung nicht so herabge-<lb/>
drückt seyn, und folglich der Fürst nicht so hoch über<lb/>
ihnen stehn, ohne den Adel. Daher sind Adel und Ge-<lb/>
meine auf ganz verschiedene Weise wichtig für den<lb/>
Fürsten. Es kann nicht fehlen, daſs er dies im Laufe<lb/>
der Zeit wahrnehme, und dem Adel eine gewisse mitt-<lb/>
lere, vortheilhafteste Stellung zu geben suche. — Man<lb/>
vergleiche hier im §. 55. die beyden Gleichungen <hirendition="#i">A</hi> und<lb/><hirendition="#i">B</hi>; welche zeigen, daſs die mittlere Kraft <hirendition="#i">b</hi> zwischen<lb/>
zweyen ziemlich nahen Gränzen liegen muſs, um nicht<lb/>
unnöthig groſs, und doch stark genug zu seyn, damit <hirendition="#i">c</hi><lb/>
neben <hirendition="#i">a</hi> und <hirendition="#i">b</hi> auf der Schwelle verharre.</p><lb/><p>7) Der natürliche Gegenstand der Besorgniſs für<lb/>
den Fürsten sind die Ersten neben ihm; denn sie kön-<lb/>
nen durch die kleinste Veränderung ihm gleich werden.<lb/>
Das natürliche Hülfsmittel ist, daſs er diejenigen, welche<lb/>
er am lenksamsten und am wenigsten gefährlich findet, —<lb/>
die Gemeinen, — nicht zu heben, aber in eine nähere<lb/>
Verbindung unter einander zu bringen sucht. Ruft er<lb/>
sie nun zusammen, giebt er ihnen gemeinsame Angele-<lb/>
genheiten: so verschmelzen sie weit inniger; sie werden<lb/><hirendition="#g">Bürger</hi>. Man denke an die Geschichte; an das, von<lb/>
den Fürsten begünstigte Emporkommen der Städte.</p><lb/><divn="3"><head><hirendition="#g">Anmerkung</hi>.</head><lb/><p>Wie man dem Gebirge ansieht, es sey ehedem<lb/>
Meeresboden gewesen: so kann man es dem Bürger-<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[21/0056]
ben werden; keine beschränkte, denn es giebt noch keine
Gesetze. Man denke an Odysseus, oder Nestor, oder
an die Häuptlinge der schottischen Clane.
6) Der Fürst steht nun in zweyen merkwürdigen
Verhältnissen zu seinem Adel — denn das sind die An-
gesehenen neben ihm, so fern er sie dafür erkennt, —
und zu den Gemeinen. Am lenksamsten für ihn sind
die Gemeinen; denn bey ihnen weicht die scheinbare
Kraft am meisten ab von der wahren; ihr Selbstgefühl
erhebt sie am weitesten über ihre Geltung, und nähert
sie dadurch am entschiedensten dem Fürsten. Aber die
Gemeinen würden in ihrer Geltung nicht so herabge-
drückt seyn, und folglich der Fürst nicht so hoch über
ihnen stehn, ohne den Adel. Daher sind Adel und Ge-
meine auf ganz verschiedene Weise wichtig für den
Fürsten. Es kann nicht fehlen, daſs er dies im Laufe
der Zeit wahrnehme, und dem Adel eine gewisse mitt-
lere, vortheilhafteste Stellung zu geben suche. — Man
vergleiche hier im §. 55. die beyden Gleichungen A und
B; welche zeigen, daſs die mittlere Kraft b zwischen
zweyen ziemlich nahen Gränzen liegen muſs, um nicht
unnöthig groſs, und doch stark genug zu seyn, damit c
neben a und b auf der Schwelle verharre.
7) Der natürliche Gegenstand der Besorgniſs für
den Fürsten sind die Ersten neben ihm; denn sie kön-
nen durch die kleinste Veränderung ihm gleich werden.
Das natürliche Hülfsmittel ist, daſs er diejenigen, welche
er am lenksamsten und am wenigsten gefährlich findet, —
die Gemeinen, — nicht zu heben, aber in eine nähere
Verbindung unter einander zu bringen sucht. Ruft er
sie nun zusammen, giebt er ihnen gemeinsame Angele-
genheiten: so verschmelzen sie weit inniger; sie werden
Bürger. Man denke an die Geschichte; an das, von
den Fürsten begünstigte Emporkommen der Städte.
Anmerkung.
Wie man dem Gebirge ansieht, es sey ehedem
Meeresboden gewesen: so kann man es dem Bürger-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie02_1825/56>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.