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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825.

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ligen Unwissenheit am rechten Platze gewesen wäre.
Vollends aber die psychologischen Untersuchungen
mit den physiologischen vermengen, ist nicht bloss ein
metaphysischer, sondern ein logischer Fehler. Die psy-
chologischen Erscheinungen fallen nicht in den Raum;
sondern der Raum selbst, mit allem, was in ihm wahrge-
nommen wird, ist ein psychologisches Phänomen; und
zwar eins der ersten und zugleich der schwersten für die
Psychologie, die sich in der Behandlung desselben sehr
ungeschickt benehmen würde, wenn sie dabey von der
Nervenkraft zu reden anfinge. Denn ihre Frage ist
nicht, woher die Empfindungen kommen? sondern, wie
die Empfindungen, wenn sie da sind, gleichviel woher?
ja sogar gleichviel was auch das Empfundene sey? --
als dann die räumliche Form annehmen mögen.

Nun aber behaupte ich weiter, dass der Unterschied
zwischen todter und belebter Materie, das heisst, zwischen
Physik und Physiologie, nicht eher begriffen werden
könne, als bis man den Geist durch Hülfe der Psycho-
logie kennt. Denn in jedem der unzählbaren (nicht un-
endlich-vielen) Elemente des organischen Leibes -- so-
wohl in der Pflanze als im Thiere, -- ist ein Analogon
der geistigen Ausbildung, welches man unmöglich auf
der Oberfläche der Erscheinungen finden kann. Ein
Fragment unserer eignen geistigen Bildung nehmen
wir innerlich wahr; dieses Fragment ergänzt die specula-
tive Psychologie, gestützt auf Metaphysik, zu einer wis-
senschaftlichen Einsicht; alsdann kommt ihr eine andre,
gleichfalls metaphysische Wissenschaft, die Naturphilo-
sophie, mit dem Begriffe der Materie entgegen; einer
solchen Materie nämlich, wie man sie durch Chemie und
Mechanik kennt; nun erst lässt sich weiter fragen, wie
wohl eine Materie beschaffen seyn würde, deren einzelne
Elemente nicht bloss durch ihre ursprüngliche Qualität,
sondern auch durch eine, der geistigen analoge, Bildung,
bestimmt wären? Nun lässt sich einsehen, dass eine so
geartete Materie im Raume durch Bewegungen erschei-

ligen Unwissenheit am rechten Platze gewesen wäre.
Vollends aber die psychologischen Untersuchungen
mit den physiologischen vermengen, ist nicht bloſs ein
metaphysischer, sondern ein logischer Fehler. Die psy-
chologischen Erscheinungen fallen nicht in den Raum;
sondern der Raum selbst, mit allem, was in ihm wahrge-
nommen wird, ist ein psychologisches Phänomen; und
zwar eins der ersten und zugleich der schwersten für die
Psychologie, die sich in der Behandlung desselben sehr
ungeschickt benehmen würde, wenn sie dabey von der
Nervenkraft zu reden anfinge. Denn ihre Frage ist
nicht, woher die Empfindungen kommen? sondern, wie
die Empfindungen, wenn sie da sind, gleichviel woher?
ja sogar gleichviel was auch das Empfundene sey? —
als dann die räumliche Form annehmen mögen.

Nun aber behaupte ich weiter, daſs der Unterschied
zwischen todter und belebter Materie, das heiſst, zwischen
Physik und Physiologie, nicht eher begriffen werden
könne, als bis man den Geist durch Hülfe der Psycho-
logie kennt. Denn in jedem der unzählbaren (nicht un-
endlich-vielen) Elemente des organischen Leibes — so-
wohl in der Pflanze als im Thiere, — ist ein Analogon
der geistigen Ausbildung, welches man unmöglich auf
der Oberfläche der Erscheinungen finden kann. Ein
Fragment unserer eignen geistigen Bildung nehmen
wir innerlich wahr; dieses Fragment ergänzt die specula-
tive Psychologie, gestützt auf Metaphysik, zu einer wis-
senschaftlichen Einsicht; alsdann kommt ihr eine andre,
gleichfalls metaphysische Wissenschaft, die Naturphilo-
sophie, mit dem Begriffe der Materie entgegen; einer
solchen Materie nämlich, wie man sie durch Chemie und
Mechanik kennt; nun erst läſst sich weiter fragen, wie
wohl eine Materie beschaffen seyn würde, deren einzelne
Elemente nicht bloſs durch ihre ursprüngliche Qualität,
sondern auch durch eine, der geistigen analoge, Bildung,
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[57/0092] ligen Unwissenheit am rechten Platze gewesen wäre. Vollends aber die psychologischen Untersuchungen mit den physiologischen vermengen, ist nicht bloſs ein metaphysischer, sondern ein logischer Fehler. Die psy- chologischen Erscheinungen fallen nicht in den Raum; sondern der Raum selbst, mit allem, was in ihm wahrge- nommen wird, ist ein psychologisches Phänomen; und zwar eins der ersten und zugleich der schwersten für die Psychologie, die sich in der Behandlung desselben sehr ungeschickt benehmen würde, wenn sie dabey von der Nervenkraft zu reden anfinge. Denn ihre Frage ist nicht, woher die Empfindungen kommen? sondern, wie die Empfindungen, wenn sie da sind, gleichviel woher? ja sogar gleichviel was auch das Empfundene sey? — als dann die räumliche Form annehmen mögen. Nun aber behaupte ich weiter, daſs der Unterschied zwischen todter und belebter Materie, das heiſst, zwischen Physik und Physiologie, nicht eher begriffen werden könne, als bis man den Geist durch Hülfe der Psycho- logie kennt. Denn in jedem der unzählbaren (nicht un- endlich-vielen) Elemente des organischen Leibes — so- wohl in der Pflanze als im Thiere, — ist ein Analogon der geistigen Ausbildung, welches man unmöglich auf der Oberfläche der Erscheinungen finden kann. Ein Fragment unserer eignen geistigen Bildung nehmen wir innerlich wahr; dieses Fragment ergänzt die specula- tive Psychologie, gestützt auf Metaphysik, zu einer wis- senschaftlichen Einsicht; alsdann kommt ihr eine andre, gleichfalls metaphysische Wissenschaft, die Naturphilo- sophie, mit dem Begriffe der Materie entgegen; einer solchen Materie nämlich, wie man sie durch Chemie und Mechanik kennt; nun erst läſst sich weiter fragen, wie wohl eine Materie beschaffen seyn würde, deren einzelne Elemente nicht bloſs durch ihre ursprüngliche Qualität, sondern auch durch eine, der geistigen analoge, Bildung, bestimmt wären? Nun läſst sich einsehen, daſs eine so geartete Materie im Raume durch Bewegungen erschei-

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Zitationshilfe: Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie02_1825/92>, abgerufen am 21.11.2024.