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Herbart, Johann Friedrich: Lehrbuch zur Psychologie. 2. Aufl. Königsberg, 1834.

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zuvor die Beschäfftigung mit jenen Begriffen u. s. w. Statt
gefunden hatte.

Auch selbst in Hinsicht des Gedächtnisses und der Ein-
bildungskraft läßt sich, den Thatsachen gemäß, die Uebung
weit weniger auf diese Vermögen beziehn als vielmehr auf
die Vorstellungen, welche reproducirt werden. Demjenigen,
der viel auswendig lernt, wird zwar das Memoriren all-
mählig leichter, jedoch nicht anders, als nur in dem näm-
lichen Kreise von Vorstellungen, an die er gewöhnt ist.
Man gebe dem, welcher viel -
Gedachtniß hat für Musik,
eine Reihe von Namen oder Zahlen zu behalten, und man
wird sehen, wie wenig die vorige Uebung des Gedächtnisses
in diesem Felde vermag.

123. Die Ausbildung geht nach zwey Hauptrichtungen
fort; diese bestimmt der innere Sinn, und das äußere
Handeln. Mit beyden hängt die Reflexion zusammen,
von, welcher daher zuerst zu bemerken ist, daß sie (die
Zurückbeugung des Gedankenlaufs auf einen
bestimmten Punct
), bald absichtlich Vorstellungen hebt
und formt (im Arbeiten), bald hervorgerufen wird in der
Apperception des Gegebenen (in der Erfahrung); daß also
im ersten Falle die Thätigkeit von ihr ausgeht und von
ihr regiert wird; im zweyten hingegen der Reiz im Gege-
benen liegt. Aber in keinem dieser Fälle ist der andre ganz
ausgeschlossen. Auch das Arbeiten schafft in jedem Augen-
blick ein neues Gegebenes, indem das Werk vorrückt und
beobachtet wird; hiedurch lenkt es selbst die Reflexion. Um-
gekehrt versetzt uns die Erfahrung im Vergleichen und Ur-
theilen, hiemit aber ins weitere Nachdenken, welches nun
den vorhandenen Begriffen oder Meinungen oder Grillen
als den Haltungspuncten der Reflexion nach der Eigenheit
eines Jeden weiter folgt. Noch anders beschaffen ist die
Reflexion über einen bloß im Denken vestgehaltenen

zuvor die Beschäfftigung mit jenen Begriffen u. s. w. Statt
gefunden hatte.

Auch selbst in Hinsicht des Gedächtnisses und der Ein-
bildungskraft läßt sich, den Thatsachen gemäß, die Uebung
weit weniger auf diese Vermögen beziehn als vielmehr auf
die Vorstellungen, welche reproducirt werden. Demjenigen,
der viel auswendig lernt, wird zwar das Memoriren all-
mählig leichter, jedoch nicht anders, als nur in dem näm-
lichen Kreise von Vorstellungen, an die er gewöhnt ist.
Man gebe dem, welcher viel -
Gedachtniß hat für Musik,
eine Reihe von Namen oder Zahlen zu behalten, und man
wird sehen, wie wenig die vorige Uebung des Gedächtnisses
in diesem Felde vermag.

123. Die Ausbildung geht nach zwey Hauptrichtungen
fort; diese bestimmt der innere Sinn, und das äußere
Handeln. Mit beyden hängt die Reflexion zusammen,
von, welcher daher zuerst zu bemerken ist, daß sie (die
Zurückbeugung des Gedankenlaufs auf einen
bestimmten Punct
), bald absichtlich Vorstellungen hebt
und formt (im Arbeiten), bald hervorgerufen wird in der
Apperception des Gegebenen (in der Erfahrung); daß also
im ersten Falle die Thätigkeit von ihr ausgeht und von
ihr regiert wird; im zweyten hingegen der Reiz im Gege-
benen liegt. Aber in keinem dieser Fälle ist der andre ganz
ausgeschlossen. Auch das Arbeiten schafft in jedem Augen-
blick ein neues Gegebenes, indem das Werk vorrückt und
beobachtet wird; hiedurch lenkt es selbst die Reflexion. Um-
gekehrt versetzt uns die Erfahrung im Vergleichen und Ur-
theilen, hiemit aber ins weitere Nachdenken, welches nun
den vorhandenen Begriffen oder Meinungen oder Grillen
als den Haltungspuncten der Reflexion nach der Eigenheit
eines Jeden weiter folgt. Noch anders beschaffen ist die
Reflexion über einen bloß im Denken vestgehaltenen

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[96/0104] zuvor die Beschäfftigung mit jenen Begriffen u. s. w. Statt gefunden hatte. Auch selbst in Hinsicht des Gedächtnisses und der Ein- bildungskraft läßt sich, den Thatsachen gemäß, die Uebung weit weniger auf diese Vermögen beziehn als vielmehr auf die Vorstellungen, welche reproducirt werden. Demjenigen, der viel auswendig lernt, wird zwar das Memoriren all- mählig leichter, jedoch nicht anders, als nur in dem näm- lichen Kreise von Vorstellungen, an die er gewöhnt ist. Man gebe dem, welcher viel - Gedachtniß hat für Musik, eine Reihe von Namen oder Zahlen zu behalten, und man wird sehen, wie wenig die vorige Uebung des Gedächtnisses in diesem Felde vermag. 123. Die Ausbildung geht nach zwey Hauptrichtungen fort; diese bestimmt der innere Sinn, und das äußere Handeln. Mit beyden hängt die Reflexion zusammen, von, welcher daher zuerst zu bemerken ist, daß sie (die Zurückbeugung des Gedankenlaufs auf einen bestimmten Punct), bald absichtlich Vorstellungen hebt und formt (im Arbeiten), bald hervorgerufen wird in der Apperception des Gegebenen (in der Erfahrung); daß also im ersten Falle die Thätigkeit von ihr ausgeht und von ihr regiert wird; im zweyten hingegen der Reiz im Gege- benen liegt. Aber in keinem dieser Fälle ist der andre ganz ausgeschlossen. Auch das Arbeiten schafft in jedem Augen- blick ein neues Gegebenes, indem das Werk vorrückt und beobachtet wird; hiedurch lenkt es selbst die Reflexion. Um- gekehrt versetzt uns die Erfahrung im Vergleichen und Ur- theilen, hiemit aber ins weitere Nachdenken, welches nun den vorhandenen Begriffen oder Meinungen oder Grillen als den Haltungspuncten der Reflexion nach der Eigenheit eines Jeden weiter folgt. Noch anders beschaffen ist die Reflexion über einen bloß im Denken vestgehaltenen

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Zitationshilfe: Herbart, Johann Friedrich: Lehrbuch zur Psychologie. 2. Aufl. Königsberg, 1834, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie_1834/104>, abgerufen am 21.11.2024.