keit erkennen kann. Man rufe sich in dieser Hinsicht den Begriff der Arbeit zurück (123). Jede Art von Arbeit erfodert, daß das
Wollen des Zwecks veststehe, während diejenigen Willensacte, welche einen Theil
der Arbeit nach dem andern in gehöriger Ordnung vollziehen, in und mit einer Reihe von Vorstellungen im Bewußtseyn ablaufen (zu- weilen mit
Verzögerungen und Anstrengungen, wie in 219). Nun aber setzt sich die planmäßige
Thätigkeit eines gebil- deten Mannes aus vielen und verschiedenen Arbeiten
zusam- men, die selbst eine Reihe von höherer Art ausmachen. Je
verwickelter nun eine solche Thätigkeit ist, desto offen- barer erhellet die
Macht derjenigen herrschenden Vor- stellungsmasse, in
welcher das Wollen der Haupt-Ab- sicht seinen Sitz hat, über die sämmtlichen, in
verschiedenen Abstufungen ihr untergeordneten. Auch fehlt es nicht an Thatsachen, welche viel starker, als nöthig ist, beweisen, wie tyrannisch das
herrschende Wollen oftmals alle kleineren Wünsche aufopfert, so daß ein einziges
Vorurtheil oder eine einzige Leidenschaft das ganze Gemüth gleichsam zu veröden
und zu verwüsten vermag.
Denn man muß sich wohl hüten, die Selbstbeherr- schung, bloß als solche, schon
für etwas Sittlich-Gutes zu halten. Soll ihr dieser Ruhm zukommen, so muß die
Qua- lität, und nicht bloß die Stärke der herrschenden Vorstel- lungsmasse
sie dazu eignen.
Anmerkung. Wem es Ernst ist, sich selbst so viel möglich in seine Gewalt zu bekommen, der hüte sich vor allem vor der Verblendung
durch falsche Theorien, welche ihm seine eigene Freyheit größer darstellen, als
sie ist. Diese ver- mögen nicht, frey zu machen; sie stürzen vielmehr in alle
Gefahren falscher Sicherheit. Dagegen gestehe sich Jeder seine schwachen
Seiten; diese suche er zu bevestigen. Das geschieht nun nicht bloß durch unmittelbare Wachsamkeit;
keit erkennen kann. Man rufe sich in dieser Hinsicht den Begriff der Arbeit zurück (123). Jede Art von Arbeit erfodert, daß das
Wollen des Zwecks veststehe, während diejenigen Willensacte, welche einen Theil
der Arbeit nach dem andern in gehöriger Ordnung vollziehen, in und mit einer Reihe von Vorstellungen im Bewußtseyn ablaufen (zu- weilen mit
Verzögerungen und Anstrengungen, wie in 219). Nun aber setzt sich die planmäßige
Thätigkeit eines gebil- deten Mannes aus vielen und verschiedenen Arbeiten
zusam- men, die selbst eine Reihe von höherer Art ausmachen. Je
verwickelter nun eine solche Thätigkeit ist, desto offen- barer erhellet die
Macht derjenigen herrschenden Vor- stellungsmasse, in
welcher das Wollen der Haupt-Ab- sicht seinen Sitz hat, über die sämmtlichen, in
verschiedenen Abstufungen ihr untergeordneten. Auch fehlt es nicht an Thatsachen, welche viel starker, als nöthig ist, beweisen, wie tyrannisch das
herrschende Wollen oftmals alle kleineren Wünsche aufopfert, so daß ein einziges
Vorurtheil oder eine einzige Leidenschaft das ganze Gemüth gleichsam zu veröden
und zu verwüsten vermag.
Denn man muß sich wohl hüten, die Selbstbeherr- schung, bloß als solche, schon
für etwas Sittlich-Gutes zu halten. Soll ihr dieser Ruhm zukommen, so muß die
Qua- lität, und nicht bloß die Stärke der herrschenden Vorstel- lungsmasse
sie dazu eignen.
Anmerkung. Wem es Ernst ist, sich selbst so viel möglich in seine Gewalt zu bekommen, der hüte sich vor allem vor der Verblendung
durch falsche Theorien, welche ihm seine eigene Freyheit größer darstellen, als
sie ist. Diese ver- mögen nicht, frey zu machen; sie stürzen vielmehr in alle
Gefahren falscher Sicherheit. Dagegen gestehe sich Jeder seine schwachen
Seiten; diese suche er zu bevestigen. Das geschieht nun nicht bloß durch unmittelbare Wachsamkeit;
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keit
erkennen kann. Man rufe sich in dieser Hinsicht den
Begriff der Arbeit zurück (123). Jede Art von Arbeit
erfodert, daß das Wollen des Zwecks veststehe, während
diejenigen Willensacte, welche einen Theil der Arbeit nach
dem andern in gehöriger Ordnung vollziehen, in und mit
einer Reihe von Vorstellungen im Bewußtseyn ablaufen (zu-
weilen mit Verzögerungen und Anstrengungen, wie in 219).
Nun aber setzt sich die planmäßige Thätigkeit eines gebil-
deten Mannes aus vielen und verschiedenen Arbeiten zusam-
men, die selbst eine Reihe von höherer Art ausmachen.
Je verwickelter nun eine solche Thätigkeit ist, desto offen-
barer erhellet die Macht derjenigen herrschenden Vor-
stellungsmasse, in welcher das Wollen der Haupt-Ab-
sicht seinen Sitz hat, über die sämmtlichen, in verschiedenen
Abstufungen ihr untergeordneten. Auch fehlt es nicht an
Thatsachen, welche viel starker, als nöthig ist, beweisen,
wie tyrannisch das herrschende Wollen oftmals alle kleineren
Wünsche aufopfert, so daß ein einziges Vorurtheil oder eine
einzige Leidenschaft das ganze Gemüth gleichsam zu veröden
und zu verwüsten vermag.
Denn man muß sich wohl hüten, die Selbstbeherr-
schung, bloß als solche, schon für etwas Sittlich-Gutes zu
halten. Soll ihr dieser Ruhm zukommen, so muß die Qua-
lität, und nicht bloß die Stärke der herrschenden Vorstel-
lungsmasse sie dazu eignen.
Anmerkung. Wem es Ernst ist, sich selbst so viel
möglich in seine Gewalt zu bekommen, der hüte sich vor
allem vor der Verblendung durch falsche Theorien, welche ihm
seine eigene Freyheit größer darstellen, als sie ist. Diese ver-
mögen nicht, frey zu machen; sie stürzen vielmehr in alle
Gefahren falscher Sicherheit. Dagegen gestehe sich Jeder
seine schwachen Seiten; diese suche er zu bevestigen. Das
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Herbart, Johann Friedrich: Lehrbuch zur Psychologie. 2. Aufl. Königsberg, 1834, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie_1834/193>, abgerufen am 16.02.2025.
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