Herbart, Johann Friedrich: Lehrbuch zur Psychologie. 2. Aufl. Königsberg, 1834.lebt er in Gesellschaft, und nicht bloß für diese Erde;
theils Jn dem Ganzen jeder Gesellschaft verhalten sich die lebt er in Gesellschaft, und nicht bloß für diese Erde;
theils Jn dem Ganzen jeder Gesellschaft verhalten sich die <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0202" n="194"/> lebt er in Gesellschaft, und nicht bloß für diese Erde; theils<lb/> veranlaßt beydes mancherley Versuche, Jdeale zu zeichnen,<lb/> deren Anziehendes sie zu einer wirklichen geistigen Macht<lb/> erhebt.</p><lb/> <p>Jn dem Ganzen jeder Gesellschaft verhalten sich die<lb/> einzelnen Personen fast so, wie die Vorstellungen in der<lb/> Seele des Einzelnen, wenn die geselligen Verknüpfungen<lb/> eng genug sind, um den gegenseitigen Einfluß vollständig<lb/> zu vermitteln. Die streitenden Jnteressen treten an die<lb/> Stelle des Gegensatzes unter den Vorstellungen; die Nei-<lb/> gungen und Bedürfnisse der Anschließung ergeben das, was<lb/> aus dem Vorigen unter dem Namen der Complexionen<lb/> und Verschmelzungen bekannt ist. Daß Viele von einer<lb/> Minderzahl bis zum Verlust geselliger Bedeutung herab-<lb/> gedrückt, daß in der Minderzahl selbst nur Wenige eines<lb/> hervorragenden Ansehens theilhaftig werden, daß jede Ge-<lb/> sellschaft im Zustande des natürlichen Gleichgewichts eine<lb/> nach oben zugespitzte Form annimmt, dies sind die un-<lb/> mittelbaren Folgen des psychischen Mechanismus, der sich<lb/> hier im Großen gelten macht; und dessen Bewegungsgesetze<lb/> eben so wenig hier als im Einzelnen einen vollkommenen<lb/> Stillstand dulden; aber auch Reproductionen dessen, was<lb/> schon verschwunden schien, herbeyführen, die oft genug durch<lb/> lange Reihen geselliger Verbindungen hindurchwirken. Vor-<lb/> gänge solcher Art liegen der Apperception durch die Gebil-<lb/> deten auf höhern Standpuncten sogar noch weit offener<lb/> vor Augen, als im Jnnern das Verhältniß der untergeord-<lb/> neten zu den höhern Vorstellungsmassen; wofern nämlich<lb/> nicht etwa die Einzelnen selbst schon gewarnt und wachsam<lb/> genug sind, um sich vor lauten und sichtbaren Aeußerungen<lb/> zu hüten. Denn vor roher Gewalt freylich, falls eine solche<lb/> an der Spitze steht, pflegen sie sich zu verstecken; oder wenn<lb/> irgendwo der Thron zum Ruhebette wird, so geht es in<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [194/0202]
lebt er in Gesellschaft, und nicht bloß für diese Erde; theils
veranlaßt beydes mancherley Versuche, Jdeale zu zeichnen,
deren Anziehendes sie zu einer wirklichen geistigen Macht
erhebt.
Jn dem Ganzen jeder Gesellschaft verhalten sich die
einzelnen Personen fast so, wie die Vorstellungen in der
Seele des Einzelnen, wenn die geselligen Verknüpfungen
eng genug sind, um den gegenseitigen Einfluß vollständig
zu vermitteln. Die streitenden Jnteressen treten an die
Stelle des Gegensatzes unter den Vorstellungen; die Nei-
gungen und Bedürfnisse der Anschließung ergeben das, was
aus dem Vorigen unter dem Namen der Complexionen
und Verschmelzungen bekannt ist. Daß Viele von einer
Minderzahl bis zum Verlust geselliger Bedeutung herab-
gedrückt, daß in der Minderzahl selbst nur Wenige eines
hervorragenden Ansehens theilhaftig werden, daß jede Ge-
sellschaft im Zustande des natürlichen Gleichgewichts eine
nach oben zugespitzte Form annimmt, dies sind die un-
mittelbaren Folgen des psychischen Mechanismus, der sich
hier im Großen gelten macht; und dessen Bewegungsgesetze
eben so wenig hier als im Einzelnen einen vollkommenen
Stillstand dulden; aber auch Reproductionen dessen, was
schon verschwunden schien, herbeyführen, die oft genug durch
lange Reihen geselliger Verbindungen hindurchwirken. Vor-
gänge solcher Art liegen der Apperception durch die Gebil-
deten auf höhern Standpuncten sogar noch weit offener
vor Augen, als im Jnnern das Verhältniß der untergeord-
neten zu den höhern Vorstellungsmassen; wofern nämlich
nicht etwa die Einzelnen selbst schon gewarnt und wachsam
genug sind, um sich vor lauten und sichtbaren Aeußerungen
zu hüten. Denn vor roher Gewalt freylich, falls eine solche
an der Spitze steht, pflegen sie sich zu verstecken; oder wenn
irgendwo der Thron zum Ruhebette wird, so geht es in
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