men, und
absolute Freyheit, die nichts vesthalten würde, ein gleich schädlicher Wahn.
Bewegliche und lenksame Kräfte, die jedoch unter Umständen eine bestimmte Form,
und allmählig einen dauerhaften Charakter gewinnen, sind die
Voraussetzungen der Pädagogik und der Politik. Solche Kräfte sind im
Vorhergehenden nachgewiesen worden.
243. Einen nützlichen Ueberblick über das, wornach die Philosophie der
Geschichte für jeden Zeitpunkt bey jedem Staate zu fragen, und nach dessen
Sicherstellung und Be- gründung sie zu forschen hat, gewähren die schon bekannten
Bedingungen der geistigen Gesundheit, welche sich hier in Gesundheit des
bürgerlichen Lebens verwandelt. Zwar wenn man das Toben der Neuerungssucht, den
durch keine Er- fahrung heilbaren Wahn der Partheyen, die eigensinnige Lossagung einzelner Stände, Communen, Provinzen von dem Bande der allgemeinen
Ordnung und unvermeidlichen Wechselwirkung, das schlaffe und blinde Dulden
solcher ein- reißenden Verkehrtheiten, parallelisiren wollte mit Tobsucht, Wahnsinn, Narrheit und Blödsinn: so möchte eine solche Vergleichung, da sie
nicht genau durchgeführt werden kann, zu hart und zu wenig belehrend erscheinen.
Aber gewiß finden Gleichmuth, Erregbarkeit, Sammlung und gegensei- tiges
Bestimmen aller Vorstellungen durch einander, ihr Ge- genbild in dem gesunden und
wohlgeordneten Staate; wo Jeder mit Ruhe seinem Geschäffte obliegt, Jeder
dennoch aufmerkt und rege wird beym Rufe des allgemeinen Be- dürfnisses,
Alle zusammen das Nöthige vollziehen, aber auch das Ganze den Antrieb aller
Theile empfängt. Der letzte Punkt mag am schwierigsten erscheinen; gewiß aber
ist das öffentliche Leben nicht gesund, wo es von den Angelegen- heiten der
kleinern Kreise sich losreißt, anstatt ihre Opfer nach Möglichkeit zu
vergüten.
244. Aehnlich diesen Grundzügen bilden sich die Men-
men, und
absolute Freyheit, die nichts vesthalten würde, ein gleich schädlicher Wahn.
Bewegliche und lenksame Kräfte, die jedoch unter Umständen eine bestimmte Form,
und allmählig einen dauerhaften Charakter gewinnen, sind die
Voraussetzungen der Pädagogik und der Politik. Solche Kräfte sind im
Vorhergehenden nachgewiesen worden.
243. Einen nützlichen Ueberblick über das, wornach die Philosophie der
Geschichte für jeden Zeitpunkt bey jedem Staate zu fragen, und nach dessen
Sicherstellung und Be- gründung sie zu forschen hat, gewähren die schon bekannten
Bedingungen der geistigen Gesundheit, welche sich hier in Gesundheit des
bürgerlichen Lebens verwandelt. Zwar wenn man das Toben der Neuerungssucht, den
durch keine Er- fahrung heilbaren Wahn der Partheyen, die eigensinnige Lossagung einzelner Stände, Communen, Provinzen von dem Bande der allgemeinen
Ordnung und unvermeidlichen Wechselwirkung, das schlaffe und blinde Dulden
solcher ein- reißenden Verkehrtheiten, parallelisiren wollte mit Tobsucht, Wahnsinn, Narrheit und Blödsinn: so möchte eine solche Vergleichung, da sie
nicht genau durchgeführt werden kann, zu hart und zu wenig belehrend erscheinen.
Aber gewiß finden Gleichmuth, Erregbarkeit, Sammlung und gegensei- tiges
Bestimmen aller Vorstellungen durch einander, ihr Ge- genbild in dem gesunden und
wohlgeordneten Staate; wo Jeder mit Ruhe seinem Geschäffte obliegt, Jeder
dennoch aufmerkt und rege wird beym Rufe des allgemeinen Be- dürfnisses,
Alle zusammen das Nöthige vollziehen, aber auch das Ganze den Antrieb aller
Theile empfängt. Der letzte Punkt mag am schwierigsten erscheinen; gewiß aber
ist das öffentliche Leben nicht gesund, wo es von den Angelegen- heiten der
kleinern Kreise sich losreißt, anstatt ihre Opfer nach Möglichkeit zu
vergüten.
244. Aehnlich diesen Grundzügen bilden sich die Men-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0205"n="197"/>
men, und
absolute Freyheit, die nichts vesthalten würde,<lb/>
ein gleich schädlicher Wahn.
Bewegliche und lenksame<lb/>
Kräfte, die jedoch unter Umständen eine bestimmte Form,<lb/>
und allmählig einen dauerhaften Charakter gewinnen, sind<lb/>
die
Voraussetzungen der Pädagogik und der Politik. Solche<lb/>
Kräfte sind im
Vorhergehenden nachgewiesen worden.</p><lb/><p>243. Einen nützlichen Ueberblick über das, wornach<lb/>
die Philosophie der
Geschichte für jeden Zeitpunkt bey jedem<lb/>
Staate zu fragen, und nach dessen
Sicherstellung und Be-<lb/>
gründung sie zu forschen hat, gewähren die schon bekannten<lb/>
Bedingungen der geistigen Gesundheit, welche sich hier in<lb/>
Gesundheit des
bürgerlichen Lebens verwandelt. Zwar wenn<lb/>
man das Toben der Neuerungssucht, den
durch keine Er-<lb/>
fahrung heilbaren Wahn der Partheyen, die eigensinnige<lb/>
Lossagung einzelner Stände, Communen, Provinzen von<lb/>
dem Bande der allgemeinen
Ordnung und unvermeidlichen<lb/>
Wechselwirkung, das schlaffe und blinde Dulden
solcher ein-<lb/>
reißenden Verkehrtheiten, parallelisiren wollte mit Tobsucht,<lb/>
Wahnsinn, Narrheit und Blödsinn: so möchte eine solche<lb/>
Vergleichung, da sie
nicht genau durchgeführt werden kann,<lb/>
zu hart und zu wenig belehrend erscheinen.
Aber gewiß<lb/>
finden Gleichmuth, Erregbarkeit, Sammlung und gegensei-<lb/>
tiges
Bestimmen aller Vorstellungen durch einander, ihr Ge-<lb/>
genbild in dem gesunden und
wohlgeordneten Staate; wo<lb/>
Jeder mit Ruhe seinem Geschäffte obliegt, Jeder
dennoch<lb/>
aufmerkt und rege wird beym Rufe des allgemeinen Be-<lb/>
dürfnisses,
Alle zusammen das Nöthige vollziehen, aber auch<lb/>
das Ganze den Antrieb aller
Theile empfängt. Der letzte<lb/>
Punkt mag am schwierigsten erscheinen; gewiß aber
ist das<lb/>
öffentliche Leben nicht gesund, wo es von den Angelegen-<lb/>
heiten der
kleinern Kreise sich losreißt, anstatt ihre Opfer<lb/>
nach Möglichkeit zu
vergüten.</p><lb/><p>244. Aehnlich diesen Grundzügen bilden sich die Men-<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[197/0205]
men, und absolute Freyheit, die nichts vesthalten würde,
ein gleich schädlicher Wahn. Bewegliche und lenksame
Kräfte, die jedoch unter Umständen eine bestimmte Form,
und allmählig einen dauerhaften Charakter gewinnen, sind
die Voraussetzungen der Pädagogik und der Politik. Solche
Kräfte sind im Vorhergehenden nachgewiesen worden.
243. Einen nützlichen Ueberblick über das, wornach
die Philosophie der Geschichte für jeden Zeitpunkt bey jedem
Staate zu fragen, und nach dessen Sicherstellung und Be-
gründung sie zu forschen hat, gewähren die schon bekannten
Bedingungen der geistigen Gesundheit, welche sich hier in
Gesundheit des bürgerlichen Lebens verwandelt. Zwar wenn
man das Toben der Neuerungssucht, den durch keine Er-
fahrung heilbaren Wahn der Partheyen, die eigensinnige
Lossagung einzelner Stände, Communen, Provinzen von
dem Bande der allgemeinen Ordnung und unvermeidlichen
Wechselwirkung, das schlaffe und blinde Dulden solcher ein-
reißenden Verkehrtheiten, parallelisiren wollte mit Tobsucht,
Wahnsinn, Narrheit und Blödsinn: so möchte eine solche
Vergleichung, da sie nicht genau durchgeführt werden kann,
zu hart und zu wenig belehrend erscheinen. Aber gewiß
finden Gleichmuth, Erregbarkeit, Sammlung und gegensei-
tiges Bestimmen aller Vorstellungen durch einander, ihr Ge-
genbild in dem gesunden und wohlgeordneten Staate; wo
Jeder mit Ruhe seinem Geschäffte obliegt, Jeder dennoch
aufmerkt und rege wird beym Rufe des allgemeinen Be-
dürfnisses, Alle zusammen das Nöthige vollziehen, aber auch
das Ganze den Antrieb aller Theile empfängt. Der letzte
Punkt mag am schwierigsten erscheinen; gewiß aber ist das
öffentliche Leben nicht gesund, wo es von den Angelegen-
heiten der kleinern Kreise sich losreißt, anstatt ihre Opfer
nach Möglichkeit zu vergüten.
244. Aehnlich diesen Grundzügen bilden sich die Men-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-07-05T12:13:38Z)
Thomas Gloning: Bereitstellung der Texttranskription.
(2013-07-05T12:13:38Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Hannah Sophia Glaum: Umwandlung in DTABf-konformes Markup.
(2013-07-05T12:13:38Z)
Herbart, Johann Friedrich: Lehrbuch zur Psychologie. 2. Aufl. Königsberg, 1834, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie_1834/205>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.