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Herbart, Johann Friedrich: Lehrbuch zur Psychologie. 2. Aufl. Königsberg, 1834.

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schen das Jdeal der Gesellschaft ohne Zweifel öfter, als so,
wie es nach Anleitung der praktischen Philosophie eigentlich
geschehen sollte. Denn was an der Zusammenwirkung der
Kräfte in der Gesellschaft fehlt, was darin sich drangt,
stößt, unnütz aufreibt; das wird leicht bemerkt, und als un-
geschickt getadelt.

Wie aber auch zu dem Mangelhaften ein Besseres möge
hinzugedacht werden: in der Gesellschaft, wie sie seyn sollte,
weiset der Mensch sich den Platz an, den er darin einneh-
men würde. Diesen einzunehmen, denkt er sich als seine
Bestimmung. Als Annäherung dazu gilt ihm sein Be-
ruf
, oder die Stellung und Wirksamkeit, welche in der
wirklichen Gesellschaft der Bestimmung möglichst ähnlich ist.

Hier, wo alle Pläne sich nach Möglichkeit vereinigen,
liegt der Einheitspunct seines Charakters; wiewohl mit gro-
ßen Verschiedenheiten. Denn nicht immer besitzen die Vor-
stellungsmassen, welche sich hier concentriren, eine sichere
Herrschaft. Manche können nur in Augenblicken einer be-
sondern Erhebung überhaupt an ihre Bestimmung denken.

Soll aber ein Charakter ganz zur Reise kommen: so muß
eine Hauptrichtung des Wollens da seyn, welcher alles ein-
zelne Wollen sich fügt. Der Begriff des Menschen von seiner
Bestimmung in der Gesellschaft wird in diesem Falle gleichsam
die Seele jenes psychischen Organismus (238). Wie vielfach
verschieden das Verhältniß der Vorstellungsmassen hievon ab-
weicht, so verschieden sind die Formen des Charakters.

Allein es kommt dabey noch der große Unterschied zwi-
schen Plänen und Maximen in Betracht. Menschen,
die einmal ihre Sphäre gefunden, ihre Bestimmung nach
eigner Ansicht erreicht haben, richten sich nun, ohne mehr
zu verlangen, nach Regeln der Klugheit, der Ordnung, der
Sitte, des Rechts, der Pficht; und dies ohne Ausnahme
pünctlich zu thun, ist der Grund ihrer innern Zufriedenheit.


schen das Jdeal der Gesellschaft ohne Zweifel öfter, als so,
wie es nach Anleitung der praktischen Philosophie eigentlich
geschehen sollte. Denn was an der Zusammenwirkung der
Kräfte in der Gesellschaft fehlt, was darin sich drangt,
stößt, unnütz aufreibt; das wird leicht bemerkt, und als un-
geschickt getadelt.

Wie aber auch zu dem Mangelhaften ein Besseres möge
hinzugedacht werden: in der Gesellschaft, wie sie seyn sollte,
weiset der Mensch sich den Platz an, den er darin einneh-
men würde. Diesen einzunehmen, denkt er sich als seine
Bestimmung. Als Annäherung dazu gilt ihm sein Be-
ruf
, oder die Stellung und Wirksamkeit, welche in der
wirklichen Gesellschaft der Bestimmung möglichst ähnlich ist.

Hier, wo alle Pläne sich nach Möglichkeit vereinigen,
liegt der Einheitspunct seines Charakters; wiewohl mit gro-
ßen Verschiedenheiten. Denn nicht immer besitzen die Vor-
stellungsmassen, welche sich hier concentriren, eine sichere
Herrschaft. Manche können nur in Augenblicken einer be-
sondern Erhebung überhaupt an ihre Bestimmung denken.

Soll aber ein Charakter ganz zur Reise kommen: so muß
eine Hauptrichtung des Wollens da seyn, welcher alles ein-
zelne Wollen sich fügt. Der Begriff des Menschen von seiner
Bestimmung in der Gesellschaft wird in diesem Falle gleichsam
die Seele jenes psychischen Organismus (238). Wie vielfach
verschieden das Verhältniß der Vorstellungsmassen hievon ab-
weicht, so verschieden sind die Formen des Charakters.

Allein es kommt dabey noch der große Unterschied zwi-
schen Plänen und Maximen in Betracht. Menschen,
die einmal ihre Sphäre gefunden, ihre Bestimmung nach
eigner Ansicht erreicht haben, richten sich nun, ohne mehr
zu verlangen, nach Regeln der Klugheit, der Ordnung, der
Sitte, des Rechts, der Pficht; und dies ohne Ausnahme
pünctlich zu thun, ist der Grund ihrer innern Zufriedenheit.


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[198/0206] schen das Jdeal der Gesellschaft ohne Zweifel öfter, als so, wie es nach Anleitung der praktischen Philosophie eigentlich geschehen sollte. Denn was an der Zusammenwirkung der Kräfte in der Gesellschaft fehlt, was darin sich drangt, stößt, unnütz aufreibt; das wird leicht bemerkt, und als un- geschickt getadelt. Wie aber auch zu dem Mangelhaften ein Besseres möge hinzugedacht werden: in der Gesellschaft, wie sie seyn sollte, weiset der Mensch sich den Platz an, den er darin einneh- men würde. Diesen einzunehmen, denkt er sich als seine Bestimmung. Als Annäherung dazu gilt ihm sein Be- ruf, oder die Stellung und Wirksamkeit, welche in der wirklichen Gesellschaft der Bestimmung möglichst ähnlich ist. Hier, wo alle Pläne sich nach Möglichkeit vereinigen, liegt der Einheitspunct seines Charakters; wiewohl mit gro- ßen Verschiedenheiten. Denn nicht immer besitzen die Vor- stellungsmassen, welche sich hier concentriren, eine sichere Herrschaft. Manche können nur in Augenblicken einer be- sondern Erhebung überhaupt an ihre Bestimmung denken. Soll aber ein Charakter ganz zur Reise kommen: so muß eine Hauptrichtung des Wollens da seyn, welcher alles ein- zelne Wollen sich fügt. Der Begriff des Menschen von seiner Bestimmung in der Gesellschaft wird in diesem Falle gleichsam die Seele jenes psychischen Organismus (238). Wie vielfach verschieden das Verhältniß der Vorstellungsmassen hievon ab- weicht, so verschieden sind die Formen des Charakters. Allein es kommt dabey noch der große Unterschied zwi- schen Plänen und Maximen in Betracht. Menschen, die einmal ihre Sphäre gefunden, ihre Bestimmung nach eigner Ansicht erreicht haben, richten sich nun, ohne mehr zu verlangen, nach Regeln der Klugheit, der Ordnung, der Sitte, des Rechts, der Pficht; und dies ohne Ausnahme pünctlich zu thun, ist der Grund ihrer innern Zufriedenheit.

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Zitationshilfe: Herbart, Johann Friedrich: Lehrbuch zur Psychologie. 2. Aufl. Königsberg, 1834, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie_1834/206>, abgerufen am 24.11.2024.