Herbart, Johann Friedrich: Lehrbuch zur Psychologie. 2. Aufl. Königsberg, 1834.rüber fragt man
die Erfahrung vergebens. Desto nothwen- 59. Durch die Anerkennung des eben erwähnten Cau- Nun ist zwar der Erfahrung gemäß, daß wir weit all- rüber fragt man
die Erfahrung vergebens. Desto nothwen- 59. Durch die Anerkennung des eben erwähnten Cau- Nun ist zwar der Erfahrung gemäß, daß wir weit all- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0051" n="43"/> rüber fragt man die Erfahrung vergebens. Desto nothwen-<lb/> diger ist es, daß man die, hiebey unvermeidliche, metaphy-<lb/> sische Voraussetzung <hi rendition="#g">irgend eines</hi> mannigfaltigen und ver-<lb/> wickelten <hi rendition="#g">Causal-Verhältnisses, sowohl der ver-<lb/> schiedenen Vermögen unter einander, als ihrer<lb/> aller zu dem vorgeblichen Stoffe</hi>, den sie gemein-<lb/> schaftlich bearbeiten sollen, einsehe und eingestehe.</p><lb/> <p>59. Durch die Anerkennung des eben erwähnten Cau-<lb/> sal-Verhältnisses hat sich die Psychologie bisher die Reihen-<lb/> folge ihrer Lehren bestimmen lassen. Nach dem Satze: <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">nihil<lb/> est in intellectu, quod non prius fuerit in sensu</hi></hi>,<lb/> sind die Sinnes-Vorstellungen zuerst abgehandelt, und von<lb/> dem Übrigen ist in solcher Ordnung geredet worden, wie es all-<lb/> mählig aus jenen hervorzugehn scheint. Die allmählige Entwicke-<lb/> lung des einzelnen Menschen und der Völker, desgleichen der<lb/> Unterschied zwischen Thier und Mensch, giebt hier den Leitfaden. </p><lb/> <p>Nun ist zwar der Erfahrung gemäß, daß wir weit all-<lb/> gemeiner die niedere Sinnlichkeit, als jedes andre geistige<lb/> Leben, dieses aber niemals ohne jene, in der Wirklichkeit<lb/> antreffen, ja daß wir große Mühe haben, mit dem Aus-<lb/> druck: <hi rendition="#g">reine Vernunft</hi> einen nur leidlich bestimmten Sinn<lb/> zu verbinden. Nichts desto weniger giebt es zwey sehr<lb/> wichtige psychologische Thatsachen, die wir nicht anders auf-<lb/> fassen können, denn als dem Causal-Verhältniß zwischen<lb/> Sinnlichkeit und Vernunft fremd oder widerstreitend: <hi rendition="#g">das<lb/> reine Selbstbewußtseyn</hi> und die <hi rendition="#g">sittliche Entschlie-<lb/> ßung</hi>. Was immer wir im Lause der Zeit an uns beobach-<lb/> ten, das muß, als zufallig wechselnd, von unserm wahren<lb/> Jch unterschieden werden; dieses letztere also kennen wir, so<lb/> scheint es, unabhängig selbst vom <hi rendition="#g">innern</hi> Sinne, durch eine so-<lb/> genannte <hi rendition="#g">reine Apperception</hi>. (Jm Allgemeinen heißt<lb/> Apperception soviel als das Wissen von dem, was in uns vorgeht.)<lb/> Und ein Entschluß zeigt sich dann am klärsten als ächt sittlich,<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [43/0051]
rüber fragt man die Erfahrung vergebens. Desto nothwen-
diger ist es, daß man die, hiebey unvermeidliche, metaphy-
sische Voraussetzung irgend eines mannigfaltigen und ver-
wickelten Causal-Verhältnisses, sowohl der ver-
schiedenen Vermögen unter einander, als ihrer
aller zu dem vorgeblichen Stoffe, den sie gemein-
schaftlich bearbeiten sollen, einsehe und eingestehe.
59. Durch die Anerkennung des eben erwähnten Cau-
sal-Verhältnisses hat sich die Psychologie bisher die Reihen-
folge ihrer Lehren bestimmen lassen. Nach dem Satze: nihil
est in intellectu, quod non prius fuerit in sensu,
sind die Sinnes-Vorstellungen zuerst abgehandelt, und von
dem Übrigen ist in solcher Ordnung geredet worden, wie es all-
mählig aus jenen hervorzugehn scheint. Die allmählige Entwicke-
lung des einzelnen Menschen und der Völker, desgleichen der
Unterschied zwischen Thier und Mensch, giebt hier den Leitfaden.
Nun ist zwar der Erfahrung gemäß, daß wir weit all-
gemeiner die niedere Sinnlichkeit, als jedes andre geistige
Leben, dieses aber niemals ohne jene, in der Wirklichkeit
antreffen, ja daß wir große Mühe haben, mit dem Aus-
druck: reine Vernunft einen nur leidlich bestimmten Sinn
zu verbinden. Nichts desto weniger giebt es zwey sehr
wichtige psychologische Thatsachen, die wir nicht anders auf-
fassen können, denn als dem Causal-Verhältniß zwischen
Sinnlichkeit und Vernunft fremd oder widerstreitend: das
reine Selbstbewußtseyn und die sittliche Entschlie-
ßung. Was immer wir im Lause der Zeit an uns beobach-
ten, das muß, als zufallig wechselnd, von unserm wahren
Jch unterschieden werden; dieses letztere also kennen wir, so
scheint es, unabhängig selbst vom innern Sinne, durch eine so-
genannte reine Apperception. (Jm Allgemeinen heißt
Apperception soviel als das Wissen von dem, was in uns vorgeht.)
Und ein Entschluß zeigt sich dann am klärsten als ächt sittlich,
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