Herder, Johann Gottfried von: Abhandlung über den Ursprung der Sprache. Berlin, 1772.ihre ganze Sprache ist Prose der gesunden Ver- Daraus folgt: daß je älter eine Sprache ist, Noch Eins. Wenn gar an solchen kühnen feine
ihre ganze Sprache iſt Proſe der geſunden Ver- Daraus folgt: daß je aͤlter eine Sprache iſt, Noch Eins. Wenn gar an ſolchen kuͤhnen feine
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0122" n="116"/> ihre ganze Sprache iſt Proſe der geſunden Ver-<lb/> nunft, und hat urſpruͤnglich faſt kein poetiſches<lb/> Wort, das dem Dichter eigen waͤre; aber die<lb/> Morgenlaͤnder? die Griechen? die Englaͤnder?<lb/> und wir Deutſchen?</p><lb/> <p>Daraus folgt: daß je aͤlter eine Sprache iſt,<lb/> je mehr ſolcher Kuͤhnheiten in ihren Wurzeln iſt,<lb/> hat ſie lange gelebt, ſich lange fortgebildet; um ſo<lb/> weniger muß man auf <hi rendition="#fr">jede Kuͤhnheit des Ur-<lb/> ſprungs losdringen,</hi> als wenn <hi rendition="#fr">jeder dieſer</hi> ſich<lb/> durchkreuzenden Begriffe auch <hi rendition="#fr">jedesmal</hi> in <hi rendition="#fr">jedem</hi><lb/> ſpaͤten Gebrauch <hi rendition="#fr">mit gedacht</hi> worden waͤre. Die<lb/> Metapher des Anfangs war Drang zu ſprechen;<lb/> nimmt mans nachher in jedem Fall, wo das Wort<lb/> ſchon gelaͤufig geworden war, und ſeine Schaͤrfe<lb/> abgenuzt hatte, fuͤr Fruchtbarkeit und Energie,<lb/> alle ſolche Sonderbarkeiten zu verbinden — was<lb/> fuͤr klaͤgliche Beiſpiele wimmeln da in ganzen<lb/> Schulen der morgenlaͤndiſchen Sprachen!</p><lb/> <p>Noch Eins. Wenn gar an ſolchen kuͤhnen<lb/> Wortkaͤmpfen, an ſolchen Verſetzungen der Gefuͤhle<lb/> in Einen Ausdruck, an ſolchen Durchkreuzungen<lb/> der Jdeen ohne Regel und Richtſchnur — <hi rendition="#fr">gewiſſe</hi><lb/> <fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">feine</hi></fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [116/0122]
ihre ganze Sprache iſt Proſe der geſunden Ver-
nunft, und hat urſpruͤnglich faſt kein poetiſches
Wort, das dem Dichter eigen waͤre; aber die
Morgenlaͤnder? die Griechen? die Englaͤnder?
und wir Deutſchen?
Daraus folgt: daß je aͤlter eine Sprache iſt,
je mehr ſolcher Kuͤhnheiten in ihren Wurzeln iſt,
hat ſie lange gelebt, ſich lange fortgebildet; um ſo
weniger muß man auf jede Kuͤhnheit des Ur-
ſprungs losdringen, als wenn jeder dieſer ſich
durchkreuzenden Begriffe auch jedesmal in jedem
ſpaͤten Gebrauch mit gedacht worden waͤre. Die
Metapher des Anfangs war Drang zu ſprechen;
nimmt mans nachher in jedem Fall, wo das Wort
ſchon gelaͤufig geworden war, und ſeine Schaͤrfe
abgenuzt hatte, fuͤr Fruchtbarkeit und Energie,
alle ſolche Sonderbarkeiten zu verbinden — was
fuͤr klaͤgliche Beiſpiele wimmeln da in ganzen
Schulen der morgenlaͤndiſchen Sprachen!
Noch Eins. Wenn gar an ſolchen kuͤhnen
Wortkaͤmpfen, an ſolchen Verſetzungen der Gefuͤhle
in Einen Ausdruck, an ſolchen Durchkreuzungen
der Jdeen ohne Regel und Richtſchnur — gewiſſe
feine
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