willkührlich angenommenen Heischesätzen und fal- schen Axiomen über die Natur der Sprache er ist, hier ganz auseinander setzen, weil der Verfasser immer in einem gewissen Licht erschiene, in dem er hier nicht erscheinen soll -- ich nehme also nur so viel heraus, als nöthig ist: nemlich, "daß in "seinen Einwürfen die Natur einer sich fort- "bildenden menschlichen Sprache und einer "sich fortbildenden menschlichen Seele durch- "aus verkannt sey."
"Wenn man annimmt, daß die Einwohner "der ersten Welt nur aus etlichen tausend Familien "bestanden hätten, da das Licht des Verstandes "durch den Gebrauch der Sprache schon so helle ge- "schienen, daß sie eingesehen, was die Sprache "sey und daß sie also an die Verbesserung dieses herr- "lichen Mittels haben können anfangen zu denken: so - -*)" aber von allen diesen Vordersätzen nimmt niemand nichts an. Mußte mans erst in tausend Generationen einsehen, was Sprache sey? Der erste Mensch sahe es ein, da er den ersten Gedan-
ken
*) S. 80. 81.
willkuͤhrlich angenommenen Heiſcheſaͤtzen und fal- ſchen Axiomen uͤber die Natur der Sprache er iſt, hier ganz auseinander ſetzen, weil der Verfaſſer immer in einem gewiſſen Licht erſchiene, in dem er hier nicht erſcheinen ſoll — ich nehme alſo nur ſo viel heraus, als noͤthig iſt: nemlich, „daß in „ſeinen Einwuͤrfen die Natur einer ſich fort- „bildenden menſchlichen Sprache und einer „ſich fortbildenden menſchlichen Seele durch- „aus verkannt ſey.„
„Wenn man annimmt, daß die Einwohner „der erſten Welt nur aus etlichen tauſend Familien „beſtanden haͤtten, da das Licht des Verſtandes „durch den Gebrauch der Sprache ſchon ſo helle ge- „ſchienen, daß ſie eingeſehen, was die Sprache „ſey und daß ſie alſo an die Verbeſſerung dieſes herr- „lichen Mittels haben koͤnnen anfangen zu denken: ſo ‒ ‒*)„ aber von allen dieſen Vorderſaͤtzen nimmt niemand nichts an. Mußte mans erſt in tauſend Generationen einſehen, was Sprache ſey? Der erſte Menſch ſahe es ein, da er den erſten Gedan-
ken
*) S. 80. 81.
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willkuͤhrlich angenommenen Heiſcheſaͤtzen und fal-
ſchen Axiomen uͤber die Natur der Sprache er iſt,
hier ganz auseinander ſetzen, weil der Verfaſſer
immer in einem gewiſſen Licht erſchiene, in dem
er hier nicht erſcheinen ſoll — ich nehme alſo nur
ſo viel heraus, als noͤthig iſt: nemlich, „daß in
„ſeinen Einwuͤrfen die Natur einer ſich fort-
„bildenden menſchlichen Sprache und einer
„ſich fortbildenden menſchlichen Seele durch-
„aus verkannt ſey.„
„Wenn man annimmt, daß die Einwohner
„der erſten Welt nur aus etlichen tauſend Familien
„beſtanden haͤtten, da das Licht des Verſtandes
„durch den Gebrauch der Sprache ſchon ſo helle ge-
„ſchienen, daß ſie eingeſehen, was die Sprache
„ſey und daß ſie alſo an die Verbeſſerung dieſes herr-
„lichen Mittels haben koͤnnen anfangen zu denken:
ſo ‒ ‒ *)„ aber von allen dieſen Vorderſaͤtzen nimmt
niemand nichts an. Mußte mans erſt in tauſend
Generationen einſehen, was Sprache ſey? Der
erſte Menſch ſahe es ein, da er den erſten Gedan-
ken
*) S. 80. 81.
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Herder, Johann Gottfried von: Abhandlung über den Ursprung der Sprache. Berlin, 1772, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_abhandlung_1772/168>, abgerufen am 16.02.2025.
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