Herder, Johann Gottfried von: Abhandlung über den Ursprung der Sprache. Berlin, 1772.einer gewissen Vervollkommnung der Kunst geht Nun sieht man auf einmal, wie trüglich der und
einer gewiſſen Vervollkommnung der Kunſt geht Nun ſieht man auf einmal, wie truͤglich der und
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0223" n="217"/> einer gewiſſen Vervollkommnung der Kunſt geht<lb/> uͤber alles fort, (obgleich andre Eigenſchaften der<lb/> Natur wiederum dagegen leiden) und ſo auch uͤber<lb/> die Sprache. Die arabiſche iſt ohne Zweifel hun-<lb/> dertmal feiner, als ihre Mutter im erſten rohen<lb/> Anfange: unſer <hi rendition="#fr">Deutſch</hi> ohne Zweifel feiner, als<lb/> das alte <hi rendition="#fr">Celtiſche:</hi> die Grammatik der <hi rendition="#fr">Griechen</hi><lb/> konnte beſſer ſeyn und werden, als die morgenlaͤn-<lb/> diſche, denn ſie war Tochter: die <hi rendition="#fr">Roͤmiſche</hi> phi-<lb/> loſophiſcher als die <hi rendition="#fr">Griechiſche,</hi> die <hi rendition="#fr">Franzoͤſiſche</hi><lb/> als die <hi rendition="#fr">Roͤmiſche:</hi> — iſt der Zwerg auf den<lb/> Schultern des Rieſen nicht immer groͤßer, als der<lb/> Rieſe ſelbſt?</p><lb/> <p>Nun ſieht man auf einmal, wie truͤglich der<lb/> Beweis fuͤr die Goͤttlichkeit der Sprache aus ihrer<lb/> Ordnung und Schoͤnheit werde — Ordnung und<lb/> Schoͤnheit ſind da, aber wenn? wie und woher<lb/> gekommen? Jſt denn dieſe ſo bewunderte Spra-<lb/> che, die Sprache des Urſprungs? Oder nicht<lb/> ſchon das Kind ganzer Jahrhunderte, und vieler<lb/> Nationen? Siche! an dieſem großen Gebaͤude<lb/> haben Nationen, und Welttheile und Zeitalter ge-<lb/> bauet; und darum konnte jene arme Huͤtte nicht<lb/> der Urſprung der Baukunſt ſeyn? Darum mußte<lb/> gleich ein Gott die Menſchen ſolchen Pallaſt bauen<lb/> lehren? Weil Menſchen <hi rendition="#fr">gleich</hi> ſolchen Pallaſt<lb/> nicht haͤtten bauen koͤnnen — welch ein Schluß!<lb/> <fw place="bottom" type="catch">und</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [217/0223]
einer gewiſſen Vervollkommnung der Kunſt geht
uͤber alles fort, (obgleich andre Eigenſchaften der
Natur wiederum dagegen leiden) und ſo auch uͤber
die Sprache. Die arabiſche iſt ohne Zweifel hun-
dertmal feiner, als ihre Mutter im erſten rohen
Anfange: unſer Deutſch ohne Zweifel feiner, als
das alte Celtiſche: die Grammatik der Griechen
konnte beſſer ſeyn und werden, als die morgenlaͤn-
diſche, denn ſie war Tochter: die Roͤmiſche phi-
loſophiſcher als die Griechiſche, die Franzoͤſiſche
als die Roͤmiſche: — iſt der Zwerg auf den
Schultern des Rieſen nicht immer groͤßer, als der
Rieſe ſelbſt?
Nun ſieht man auf einmal, wie truͤglich der
Beweis fuͤr die Goͤttlichkeit der Sprache aus ihrer
Ordnung und Schoͤnheit werde — Ordnung und
Schoͤnheit ſind da, aber wenn? wie und woher
gekommen? Jſt denn dieſe ſo bewunderte Spra-
che, die Sprache des Urſprungs? Oder nicht
ſchon das Kind ganzer Jahrhunderte, und vieler
Nationen? Siche! an dieſem großen Gebaͤude
haben Nationen, und Welttheile und Zeitalter ge-
bauet; und darum konnte jene arme Huͤtte nicht
der Urſprung der Baukunſt ſeyn? Darum mußte
gleich ein Gott die Menſchen ſolchen Pallaſt bauen
lehren? Weil Menſchen gleich ſolchen Pallaſt
nicht haͤtten bauen koͤnnen — welch ein Schluß!
und
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