Herder, Johann Gottfried von: Abhandlung über den Ursprung der Sprache. Berlin, 1772.seine Logik, jene in sein Wörterbuch! Vernunft Der Mensch ist also als ein horchendes, mer- fchende
ſeine Logik, jene in ſein Woͤrterbuch! Vernunft Der Menſch iſt alſo als ein horchendes, mer- fchende
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ſeine Logik, jene in ſein Woͤrterbuch! Vernunft
und Sprache thaten gemeinſchaftlich einen furcht-
ſamen Schritt und die Natur kam ihnen auf hal-
bem Wege entgegen durchs Gehoͤr. Sie toͤnte
das Merkmal nicht blos vor, ſondern tief in die
Seele hinein! es klang! die Seele haſchte — da
hat ſie ein toͤnendes Wort!
Der Menſch iſt alſo als ein horchendes, mer-
kendes Geſchoͤpf zur Sprache natuͤrlich gebildet,
und ſelbſt ein Blinder und Stummer, ſiehet man,
mußte Sprache erfinden, wenn er nur nicht fuͤhl-
los und taub iſt. Setzet ihn gemaͤchlich und be-
haglich auf eine einſame Jnſel: die Natur wird
ſich ihm durchs Ohr offenbaren: tauſend Geſchoͤpfe,
die er nicht ſehen kann, werden doch mit ihm zu
ſprechen ſcheinen, und bliebe auch ewig ſein Mund
und ſein Auge verſchloſſen, ſeine Seele bleibt nicht
ganz ohne Sprache. Wenn die Blaͤtter des Bau-
mes, dem armen Einſamen Kuͤhlung herabrau-
ſchen, wenn der vorbeimurmelnde Bach ihn in den
Schlaf wieget, und der hinzuſaͤuſelnde Weſt ſeine
Wangen faͤchelt — das bloͤckende Schaaf giebt
ihm Milch, die rieſelnde Quelle Waſſer, der rau-
fchende
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