Das Erste ist die Serenate eines Liebhabers in der Abenddämmerung:
Schlummre, schlummr', o Mädchen, Sanft in meine Lieder, Mitternachts, o Mädchen, Weck' ich dich schon wieder!
Was läßt sich seinem Mädchen mehr und süsser sagen? -- Das andre ist ein blosses Bild, eine Fiktion ihrer Mythologie von Donner und Blitz. Jn den Wolken ist eine Nymphe mit einem Wasserkruge in der Hand, bestellet, um zu gehöriger Zeit der Erde Regen zu geben. Unterläßt sies, läßt sie die Erde in Dürre schmach- ten, so kömmt ihr Bruder, zerschlägt ihren Krug, das giebt Blitz und Donner, und denn zugleich Regen. Wenn die Dichtung vom Ungewitter in der Dürre, mit Regen be- gleitet, Jhnen als sinnlich, als anschauend ge- gefällt: so hören sie das Lied oder Gebet an sie, wie Sie wollen:
Schöne Göttin, Himmelstochter! Mit dem vollen Wasserkruge, Den dein Bruder Jetzt zerschmettert Daß es wettert Ungewitter, Blitz und Donner!
Schöne
Das Erſte iſt die Serenate eines Liebhabers in der Abenddaͤmmerung:
Schlummre, ſchlummr’, o Maͤdchen, Sanft in meine Lieder, Mitternachts, o Maͤdchen, Weck’ ich dich ſchon wieder!
Was laͤßt ſich ſeinem Maͤdchen mehr und ſuͤſſer ſagen? — Das andre iſt ein bloſſes Bild, eine Fiktion ihrer Mythologie von Donner und Blitz. Jn den Wolken iſt eine Nymphe mit einem Waſſerkruge in der Hand, beſtellet, um zu gehoͤriger Zeit der Erde Regen zu geben. Unterlaͤßt ſies, laͤßt ſie die Erde in Duͤrre ſchmach- ten, ſo koͤmmt ihr Bruder, zerſchlaͤgt ihren Krug, das giebt Blitz und Donner, und denn zugleich Regen. Wenn die Dichtung vom Ungewitter in der Duͤrre, mit Regen be- gleitet, Jhnen als ſinnlich, als anſchauend ge- gefaͤllt: ſo hoͤren ſie das Lied oder Gebet an ſie, wie Sie wollen:
Schoͤne Goͤttin, Himmelstochter! Mit dem vollen Waſſerkruge, Den dein Bruder Jetzt zerſchmettert Daß es wettert Ungewitter, Blitz und Donner!
Schoͤne
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Das Erſte iſt die Serenate eines Liebhabers
in der Abenddaͤmmerung:
Schlummre, ſchlummr’, o Maͤdchen,
Sanft in meine Lieder,
Mitternachts, o Maͤdchen,
Weck’ ich dich ſchon wieder!
Was laͤßt ſich ſeinem Maͤdchen mehr und ſuͤſſer
ſagen? — Das andre iſt ein bloſſes Bild,
eine Fiktion ihrer Mythologie von Donner und
Blitz. Jn den Wolken iſt eine Nymphe mit
einem Waſſerkruge in der Hand, beſtellet, um
zu gehoͤriger Zeit der Erde Regen zu geben.
Unterlaͤßt ſies, laͤßt ſie die Erde in Duͤrre ſchmach-
ten, ſo koͤmmt ihr Bruder, zerſchlaͤgt ihren
Krug, das giebt Blitz und Donner, und denn
zugleich Regen. Wenn die Dichtung vom
Ungewitter in der Duͤrre, mit Regen be-
gleitet, Jhnen als ſinnlich, als anſchauend ge-
gefaͤllt: ſo hoͤren ſie das Lied oder Gebet an ſie,
wie Sie wollen:
Schoͤne Goͤttin,
Himmelstochter!
Mit dem vollen
Waſſerkruge,
Den dein Bruder
Jetzt zerſchmettert
Daß es wettert
Ungewitter,
Blitz und Donner!
Schoͤne
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Herder, Johann Gottfried von: Von Deutscher Art und Kunst. Hamburg, 1773, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_artundkunst_1773/26>, abgerufen am 16.07.2024.
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