Herder, Johann Gottfried von: Von Deutscher Art und Kunst. Hamburg, 1773.durch ein Schnelles, so durch ein Tiefes und Sicher-
durch ein Schnelles, ſo durch ein Tiefes und Sicher-
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0049" n="45"/> durch ein Schnelles, ſo durch ein Tiefes und<lb/> Beſtaͤndiges des Eindrucks aus. Sie dauren,<lb/> und die Seele findet bey jedem neuen wieder-<lb/> holten Eindruck gleichſam noch etwas Tiefers<lb/> und Vollendetes, was ſie anfangs nicht be-<lb/> merkte. Von der zweiten Art muß z. E. <hi rendition="#fr">Klop-<lb/> ſtock</hi> in den ausſtroͤmendſten Stellen ſeiner<lb/> Gedichte ſeyn: <hi rendition="#fr">Gleim,</hi> deſſen Gedichte ſo<lb/> viel Sichtbares vom Erſten Wurf haben: <hi rendition="#fr">Ja-<lb/> cobi,</hi> deſſen Verſe Nichts, als ſanfte Unter-<lb/> haltungen des Moments werden, und andre,<lb/> die die Sache freylich nachher bis zu jeder Nach-<lb/> laͤſſigkeit uͤbertrieben haben. <hi rendition="#fr">Rammler,</hi><lb/> glaube ich, ſucht beyde Arten zu verbinden,<lb/> ob freylich gleich die Erſte, die Ausgedachte,<lb/> bey ihm ungleich ſichtbarer iſt. <hi rendition="#fr">Wieland</hi><lb/> ſucht ſie zu verbinden, ob er gleich immer doch<lb/> mehr, aus dem Fach der Weltkenntniß ſeines<lb/> Herzens zu ſchreiben ſcheint, <hi rendition="#fr">Gerſtenberg</hi><lb/> zu verbinden — und uͤberhaupt verbindet ſie<lb/> in gewiſſem Maaſſe jeder gluͤckliche Kopf: denn<lb/> ſo entfernt beyde Arten im Anfange ſcheinen;<lb/> ſo wenig Ein Genie ſich der Art des Andern<lb/> aus dem Stegreife bemaͤchtigen kann: ſo kom-<lb/> men ſie doch endlich beyde uͤberein; lange und<lb/> ſtark und lebendig gedacht, oder ſchnell und<lb/> wuͤrkſam empfunden — im Punkt der Thaͤ-<lb/> thigkeit wird beydes <hi rendition="#aq">improptns,</hi> oder bekoͤmmt<lb/> die, Feſtigkeit, Wahrheit, Lebhaftigkeit und<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Sicher-</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [45/0049]
durch ein Schnelles, ſo durch ein Tiefes und
Beſtaͤndiges des Eindrucks aus. Sie dauren,
und die Seele findet bey jedem neuen wieder-
holten Eindruck gleichſam noch etwas Tiefers
und Vollendetes, was ſie anfangs nicht be-
merkte. Von der zweiten Art muß z. E. Klop-
ſtock in den ausſtroͤmendſten Stellen ſeiner
Gedichte ſeyn: Gleim, deſſen Gedichte ſo
viel Sichtbares vom Erſten Wurf haben: Ja-
cobi, deſſen Verſe Nichts, als ſanfte Unter-
haltungen des Moments werden, und andre,
die die Sache freylich nachher bis zu jeder Nach-
laͤſſigkeit uͤbertrieben haben. Rammler,
glaube ich, ſucht beyde Arten zu verbinden,
ob freylich gleich die Erſte, die Ausgedachte,
bey ihm ungleich ſichtbarer iſt. Wieland
ſucht ſie zu verbinden, ob er gleich immer doch
mehr, aus dem Fach der Weltkenntniß ſeines
Herzens zu ſchreiben ſcheint, Gerſtenberg
zu verbinden — und uͤberhaupt verbindet ſie
in gewiſſem Maaſſe jeder gluͤckliche Kopf: denn
ſo entfernt beyde Arten im Anfange ſcheinen;
ſo wenig Ein Genie ſich der Art des Andern
aus dem Stegreife bemaͤchtigen kann: ſo kom-
men ſie doch endlich beyde uͤberein; lange und
ſtark und lebendig gedacht, oder ſchnell und
wuͤrkſam empfunden — im Punkt der Thaͤ-
thigkeit wird beydes improptns, oder bekoͤmmt
die, Feſtigkeit, Wahrheit, Lebhaftigkeit und
Sicher-
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