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Herder, Johann Gottfried von: Kapitel 5; Kapitel 6. In: Über die neuere Deutsche Litteratur. […] Dritte Sammlung. Riga, 1767, S. 50–75.

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Schrift vielen Nutzen stiften könnte. - O eine Schrift, die das ist, was eine Erbauungs- eine Bildungsschrift für den größten, nutzbarsten und ehrwürdigsten Theil der Menschen, das Volk, seyn soll: - gebet mir, wenn ich Alexander wäre, einen goldnen Kasten her; ich weiß nichts bessers in demselben zu verwahren! - Doch nein! ich besinne mich! Ein Schriftsteller der Art wird mich mit dieser Ehre auslachen: er hat einen schönern Ort für sein Buch: den armen Kleiderschrank, und für die Lehren, die sein Buch enthält, das Herz des redlichen Bürgers, Frauenzimmers oder Landmannes, der ihn theuer hält. Macht mich mit einer Schrift bekannt, die für den Menschen, den Bürger, für seine Denkart und für sein Herz, für seinen Stand und Bedürfniß geschrieben: die das saget, was er immer gedacht, und doch nicht gedacht, was er thun wollte und muß, und doch nie gethan, worüber er Rath und Unterricht will, und wie er ihn will: die ihm in die Seele spricht, in der er sich finde, die ihm seine Worte von der Zunge, seine Einwendungen und Wün-

Schrift vielen Nutzen stiften könnte. – O eine Schrift, die das ist, was eine Erbauungs- eine Bildungsschrift für den größten, nutzbarsten und ehrwürdigsten Theil der Menschen, das Volk, seyn soll: – gebet mir, wenn ich Alexander wäre, einen goldnen Kasten her; ich weiß nichts bessers in demselben zu verwahren! – Doch nein! ich besinne mich! Ein Schriftsteller der Art wird mich mit dieser Ehre auslachen: er hat einen schönern Ort für sein Buch: den armen Kleiderschrank, und für die Lehren, die sein Buch enthält, das Herz des redlichen Bürgers, Frauenzimmers oder Landmannes, der ihn theuer hält. Macht mich mit einer Schrift bekannt, die für den Menschen, den Bürger, für seine Denkart und für sein Herz, für seinen Stand und Bedürfniß geschrieben: die das saget, was er immer gedacht, und doch nicht gedacht, was er thun wollte und muß, und doch nie gethan, worüber er Rath und Unterricht will, und wie er ihn will: die ihm in die Seele spricht, in der er sich finde, die ihm seine Worte von der Zunge, seine Einwendungen und Wün-

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[61/0013] Schrift vielen Nutzen stiften könnte. – O eine Schrift, die das ist, was eine Erbauungs- eine Bildungsschrift für den größten, nutzbarsten und ehrwürdigsten Theil der Menschen, das Volk, seyn soll: – gebet mir, wenn ich Alexander wäre, einen goldnen Kasten her; ich weiß nichts bessers in demselben zu verwahren! – Doch nein! ich besinne mich! Ein Schriftsteller der Art wird mich mit dieser Ehre auslachen: er hat einen schönern Ort für sein Buch: den armen Kleiderschrank, und für die Lehren, die sein Buch enthält, das Herz des redlichen Bürgers, Frauenzimmers oder Landmannes, der ihn theuer hält. Macht mich mit einer Schrift bekannt, die für den Menschen, den Bürger, für seine Denkart und für sein Herz, für seinen Stand und Bedürfniß geschrieben: die das saget, was er immer gedacht, und doch nicht gedacht, was er thun wollte und muß, und doch nie gethan, worüber er Rath und Unterricht will, und wie er ihn will: die ihm in die Seele spricht, in der er sich finde, die ihm seine Worte von der Zunge, seine Einwendungen und Wün-

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Kapitel 5; Kapitel 6. In: Über die neuere Deutsche Litteratur. […] Dritte Sammlung. Riga, 1767, S. 50–75, hier S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_gedanke_1767/13>, abgerufen am 21.11.2024.