Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 1. Riga u. a., 1784.

Bild:
<< vorherige Seite

Größe eines Esels und in der Türkei ists getiegert. So
gehen die Verschiedenheiten bei allen Thieren fort und sollte
sich der Mensch, der in seinem Muskeln und Nervengebäude
großentheils auch ein Thier ist, nicht mit den Climaten ver-
ändern? nach der Analogie der Natur wäre es ein Wunder,
wenn er unverändert bliebe.

2. Alle gezähmten Thiere sind ehemals wild gewesen
und von den meisten hat man noch, insonderheit in den asia-
tischen Gebürgen ihre wilden Urbilder gefunden; gerade an
dem Ort, wo wenigstens von unsrer obern Erdkugel wahr-
scheinlich das Vaterland der Menschen und ihrer Cultur
war. Je weiter von dieser Gegend, insonderheit wo der
Uebergang schwerer war, mindern sich die Gattungen der ge-
zähmten Thiere, bis endlich in Neuguinea, Neuseeland und
den Jnseln des Südmeers das Schwein, der Hund und die
Katze ihr ganzer Thierreichthum waren.

3. Amerika hatte größtentheils seine eignen Thiere;
völlig seinem Erdstrich gemäß, wie die Bildung desselben
aus lange überschwemmten Tiefen und ungeheuren Höhen
sie haben mußte. Wenige große Landthiere hatte es und
noch weniger die zähmbar oder gezähmt waren; desto mehr
Gattungen von Fledermäusen, Gürtelthieren, Ratten, Mäu-

sen,

Groͤße eines Eſels und in der Tuͤrkei iſts getiegert. So
gehen die Verſchiedenheiten bei allen Thieren fort und ſollte
ſich der Menſch, der in ſeinem Muskeln und Nervengebaͤude
großentheils auch ein Thier iſt, nicht mit den Climaten ver-
aͤndern? nach der Analogie der Natur waͤre es ein Wunder,
wenn er unveraͤndert bliebe.

2. Alle gezaͤhmten Thiere ſind ehemals wild geweſen
und von den meiſten hat man noch, inſonderheit in den aſia-
tiſchen Gebuͤrgen ihre wilden Urbilder gefunden; gerade an
dem Ort, wo wenigſtens von unſrer obern Erdkugel wahr-
ſcheinlich das Vaterland der Menſchen und ihrer Cultur
war. Je weiter von dieſer Gegend, inſonderheit wo der
Uebergang ſchwerer war, mindern ſich die Gattungen der ge-
zaͤhmten Thiere, bis endlich in Neuguinea, Neuſeeland und
den Jnſeln des Suͤdmeers das Schwein, der Hund und die
Katze ihr ganzer Thierreichthum waren.

3. Amerika hatte groͤßtentheils ſeine eignen Thiere;
voͤllig ſeinem Erdſtrich gemaͤß, wie die Bildung deſſelben
aus lange uͤberſchwemmten Tiefen und ungeheuren Hoͤhen
ſie haben mußte. Wenige große Landthiere hatte es und
noch weniger die zaͤhmbar oder gezaͤhmt waren; deſto mehr
Gattungen von Fledermaͤuſen, Guͤrtelthieren, Ratten, Maͤu-

ſen,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0106" n="84"/>
Gro&#x0364;ße eines E&#x017F;els und in der Tu&#x0364;rkei i&#x017F;ts getiegert. So<lb/>
gehen die Ver&#x017F;chiedenheiten bei allen Thieren fort und &#x017F;ollte<lb/>
&#x017F;ich der Men&#x017F;ch, der in &#x017F;einem Muskeln und Nervengeba&#x0364;ude<lb/>
großentheils auch ein Thier i&#x017F;t, nicht mit den Climaten ver-<lb/>
a&#x0364;ndern? nach der Analogie der Natur wa&#x0364;re es ein Wunder,<lb/>
wenn er unvera&#x0364;ndert bliebe.</p><lb/>
          <p>2. Alle geza&#x0364;hmten Thiere &#x017F;ind ehemals wild gewe&#x017F;en<lb/>
und von den mei&#x017F;ten hat man noch, in&#x017F;onderheit in den a&#x017F;ia-<lb/>
ti&#x017F;chen Gebu&#x0364;rgen ihre wilden Urbilder gefunden; gerade an<lb/>
dem Ort, wo wenig&#x017F;tens von un&#x017F;rer obern Erdkugel wahr-<lb/>
&#x017F;cheinlich das Vaterland der Men&#x017F;chen und ihrer Cultur<lb/>
war. Je weiter von die&#x017F;er Gegend, in&#x017F;onderheit wo der<lb/>
Uebergang &#x017F;chwerer war, mindern &#x017F;ich die Gattungen der ge-<lb/>
za&#x0364;hmten Thiere, bis endlich in Neuguinea, Neu&#x017F;eeland und<lb/>
den Jn&#x017F;eln des Su&#x0364;dmeers das Schwein, der Hund und die<lb/>
Katze ihr ganzer Thierreichthum waren.</p><lb/>
          <p>3. Amerika hatte gro&#x0364;ßtentheils &#x017F;eine eignen Thiere;<lb/>
vo&#x0364;llig &#x017F;einem Erd&#x017F;trich gema&#x0364;ß, wie die Bildung de&#x017F;&#x017F;elben<lb/>
aus lange u&#x0364;ber&#x017F;chwemmten Tiefen und ungeheuren Ho&#x0364;hen<lb/>
&#x017F;ie haben mußte. Wenige große Landthiere hatte es und<lb/>
noch weniger die za&#x0364;hmbar oder geza&#x0364;hmt waren; de&#x017F;to mehr<lb/>
Gattungen von Flederma&#x0364;u&#x017F;en, Gu&#x0364;rtelthieren, Ratten, Ma&#x0364;u-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;en,</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[84/0106] Groͤße eines Eſels und in der Tuͤrkei iſts getiegert. So gehen die Verſchiedenheiten bei allen Thieren fort und ſollte ſich der Menſch, der in ſeinem Muskeln und Nervengebaͤude großentheils auch ein Thier iſt, nicht mit den Climaten ver- aͤndern? nach der Analogie der Natur waͤre es ein Wunder, wenn er unveraͤndert bliebe. 2. Alle gezaͤhmten Thiere ſind ehemals wild geweſen und von den meiſten hat man noch, inſonderheit in den aſia- tiſchen Gebuͤrgen ihre wilden Urbilder gefunden; gerade an dem Ort, wo wenigſtens von unſrer obern Erdkugel wahr- ſcheinlich das Vaterland der Menſchen und ihrer Cultur war. Je weiter von dieſer Gegend, inſonderheit wo der Uebergang ſchwerer war, mindern ſich die Gattungen der ge- zaͤhmten Thiere, bis endlich in Neuguinea, Neuſeeland und den Jnſeln des Suͤdmeers das Schwein, der Hund und die Katze ihr ganzer Thierreichthum waren. 3. Amerika hatte groͤßtentheils ſeine eignen Thiere; voͤllig ſeinem Erdſtrich gemaͤß, wie die Bildung deſſelben aus lange uͤberſchwemmten Tiefen und ungeheuren Hoͤhen ſie haben mußte. Wenige große Landthiere hatte es und noch weniger die zaͤhmbar oder gezaͤhmt waren; deſto mehr Gattungen von Fledermaͤuſen, Guͤrtelthieren, Ratten, Maͤu- ſen,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte01_1784
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte01_1784/106
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 1. Riga u. a., 1784, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte01_1784/106>, abgerufen am 21.11.2024.