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Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 1. Riga u. a., 1784.

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bare Commercium der Geister und Herzen ist die einzige und
größeste Wohlthat der Buchdruckerei, die sonst den schriftstel-
lerischen Nationen eben so viel Schaden als Nutzen gebracht
hätte. Der Verfasser dachte sich in den Kreis derer, die
wirklich ein Jnteresse daran finden, worüber er schrieb und
bei denen er also ihre theilnehmenden, ihre bessern Gedanken
hervorlocken wollte. Dies ist der schönste Werth der Schrift-
stellerei und ein gutgesinneter Mensch wird sich viel mehr über
das freuen, was er erweckte, als was er sagte. Wer daran
denkt, wie gelegen ihm selbst zuweilen dies oder jenes Buch,
ja auch nur dieser oder jener Gedanke eines Buches kam,
welche Freude es ihm verschafte, einen andern von ihm ent-
fernten und doch in seiner Thätigkeit ihm nahen Geist auf
seiner eignen oder einer bessern Spur zu finden, wie uns
oft Ein solcher Gedanke Jahre lang beschäftigt und weiter
führet: der wird einem Schriftsteller, der zu ihm spricht
und ihm sein Jnneres mittheilet, nicht als einen Lohndiener
sondern als einen Freund betrachten, der auch mit unvol-
lendeten Gedanken zutraulich hervortritt, damit der erfahr-
nere Leser mit ihm denke und sein Unvollkommenes der Voll-
kommenheit näher führe.


Bei

bare Commercium der Geiſter und Herzen iſt die einzige und
groͤßeſte Wohlthat der Buchdruckerei, die ſonſt den ſchriftſtel-
leriſchen Nationen eben ſo viel Schaden als Nutzen gebracht
haͤtte. Der Verfaſſer dachte ſich in den Kreis derer, die
wirklich ein Jntereſſe daran finden, woruͤber er ſchrieb und
bei denen er alſo ihre theilnehmenden, ihre beſſern Gedanken
hervorlocken wollte. Dies iſt der ſchoͤnſte Werth der Schrift-
ſtellerei und ein gutgeſinneter Menſch wird ſich viel mehr uͤber
das freuen, was er erweckte, als was er ſagte. Wer daran
denkt, wie gelegen ihm ſelbſt zuweilen dies oder jenes Buch,
ja auch nur dieſer oder jener Gedanke eines Buches kam,
welche Freude es ihm verſchafte, einen andern von ihm ent-
fernten und doch in ſeiner Thaͤtigkeit ihm nahen Geiſt auf
ſeiner eignen oder einer beſſern Spur zu finden, wie uns
oft Ein ſolcher Gedanke Jahre lang beſchaͤftigt und weiter
fuͤhret: der wird einem Schriftſteller, der zu ihm ſpricht
und ihm ſein Jnneres mittheilet, nicht als einen Lohndiener
ſondern als einen Freund betrachten, der auch mit unvol-
lendeten Gedanken zutraulich hervortritt, damit der erfahr-
nere Leſer mit ihm denke und ſein Unvollkommenes der Voll-
kommenheit naͤher fuͤhre.


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[0013] bare Commercium der Geiſter und Herzen iſt die einzige und groͤßeſte Wohlthat der Buchdruckerei, die ſonſt den ſchriftſtel- leriſchen Nationen eben ſo viel Schaden als Nutzen gebracht haͤtte. Der Verfaſſer dachte ſich in den Kreis derer, die wirklich ein Jntereſſe daran finden, woruͤber er ſchrieb und bei denen er alſo ihre theilnehmenden, ihre beſſern Gedanken hervorlocken wollte. Dies iſt der ſchoͤnſte Werth der Schrift- ſtellerei und ein gutgeſinneter Menſch wird ſich viel mehr uͤber das freuen, was er erweckte, als was er ſagte. Wer daran denkt, wie gelegen ihm ſelbſt zuweilen dies oder jenes Buch, ja auch nur dieſer oder jener Gedanke eines Buches kam, welche Freude es ihm verſchafte, einen andern von ihm ent- fernten und doch in ſeiner Thaͤtigkeit ihm nahen Geiſt auf ſeiner eignen oder einer beſſern Spur zu finden, wie uns oft Ein ſolcher Gedanke Jahre lang beſchaͤftigt und weiter fuͤhret: der wird einem Schriftſteller, der zu ihm ſpricht und ihm ſein Jnneres mittheilet, nicht als einen Lohndiener ſondern als einen Freund betrachten, der auch mit unvol- lendeten Gedanken zutraulich hervortritt, damit der erfahr- nere Leſer mit ihm denke und ſein Unvollkommenes der Voll- kommenheit naͤher fuͤhre. Bei

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 1. Riga u. a., 1784, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte01_1784/13>, abgerufen am 24.04.2024.