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Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 1. Riga u. a., 1784.

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4. Als sie höher hinaufschritt, beobachtete sie eben die
weise Vorsicht, das Geschöpf an ein Vielfaches abgetrenneter
Sinne und Triebe nur allmälich zu gewöhnen. Das Jnsekt
konnte auf einmal nicht alles üben, was es üben sollte; es
muß also seine Gestalt und sein Wesen verändern, um
jetzt als Raupe dem Triebe der Nahrung, jetzt als Zwiefal-
ter der Fortpflanzung gnug zu thun: beider Triebe war es
in Einer Gestalt nicht fähig. Eine Art Bienen konnte
nicht alles ausrichten, was der Genuß und die Fortpflanzung
dieses Geschlechts foderte; also theilte die Natur und machte
diese zu Arbeitern, jene zu Fortpflanzern, diese zur Gebähre-
rin; alles durch eine kleine Abänderung der Organisation,
wodurch die Kräfte des ganzen Geschöpfs eine andre Rich-
tung bekamen. Was sie in Einem Modell nicht ausfüh-
ren konnte, legte sie in drei Modellen, die alle zusam-
men gehören, gebrochen aus einander.
So lehrte sie
also ihr Bienenwerk die Biene in drei Geschlechtern, wie sie
den Schmetterling und andre Jnsekten ihren Beruf in zwo
verschiednen Gestalten lehrte.

5. Je höher sie schritt, je mehr sie den Gebrauch meh-
rerer Sinne, mithin die Willkühr zunehmen lassen wollte:
desto mehr that sie unnötige Glieder weg, und simpli-
ficirte den Bau von innen und aussen
. Mit der Haut

der
T

4. Als ſie hoͤher hinaufſchritt, beobachtete ſie eben die
weiſe Vorſicht, das Geſchoͤpf an ein Vielfaches abgetrenneter
Sinne und Triebe nur allmaͤlich zu gewoͤhnen. Das Jnſekt
konnte auf einmal nicht alles uͤben, was es uͤben ſollte; es
muß alſo ſeine Geſtalt und ſein Weſen veraͤndern, um
jetzt als Raupe dem Triebe der Nahrung, jetzt als Zwiefal-
ter der Fortpflanzung gnug zu thun: beider Triebe war es
in Einer Geſtalt nicht faͤhig. Eine Art Bienen konnte
nicht alles ausrichten, was der Genuß und die Fortpflanzung
dieſes Geſchlechts foderte; alſo theilte die Natur und machte
dieſe zu Arbeitern, jene zu Fortpflanzern, dieſe zur Gebaͤhre-
rin; alles durch eine kleine Abaͤnderung der Organiſation,
wodurch die Kraͤfte des ganzen Geſchoͤpfs eine andre Rich-
tung bekamen. Was ſie in Einem Modell nicht ausfuͤh-
ren konnte, legte ſie in drei Modellen, die alle zuſam-
men gehoͤren, gebrochen aus einander.
So lehrte ſie
alſo ihr Bienenwerk die Biene in drei Geſchlechtern, wie ſie
den Schmetterling und andre Jnſekten ihren Beruf in zwo
verſchiednen Geſtalten lehrte.

5. Je hoͤher ſie ſchritt, je mehr ſie den Gebrauch meh-
rerer Sinne, mithin die Willkuͤhr zunehmen laſſen wollte:
deſto mehr that ſie unnoͤtige Glieder weg, und ſimpli-
ficirte den Bau von innen und auſſen
. Mit der Haut

der
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[165[145]/0167] 4. Als ſie hoͤher hinaufſchritt, beobachtete ſie eben die weiſe Vorſicht, das Geſchoͤpf an ein Vielfaches abgetrenneter Sinne und Triebe nur allmaͤlich zu gewoͤhnen. Das Jnſekt konnte auf einmal nicht alles uͤben, was es uͤben ſollte; es muß alſo ſeine Geſtalt und ſein Weſen veraͤndern, um jetzt als Raupe dem Triebe der Nahrung, jetzt als Zwiefal- ter der Fortpflanzung gnug zu thun: beider Triebe war es in Einer Geſtalt nicht faͤhig. Eine Art Bienen konnte nicht alles ausrichten, was der Genuß und die Fortpflanzung dieſes Geſchlechts foderte; alſo theilte die Natur und machte dieſe zu Arbeitern, jene zu Fortpflanzern, dieſe zur Gebaͤhre- rin; alles durch eine kleine Abaͤnderung der Organiſation, wodurch die Kraͤfte des ganzen Geſchoͤpfs eine andre Rich- tung bekamen. Was ſie in Einem Modell nicht ausfuͤh- ren konnte, legte ſie in drei Modellen, die alle zuſam- men gehoͤren, gebrochen aus einander. So lehrte ſie alſo ihr Bienenwerk die Biene in drei Geſchlechtern, wie ſie den Schmetterling und andre Jnſekten ihren Beruf in zwo verſchiednen Geſtalten lehrte. 5. Je hoͤher ſie ſchritt, je mehr ſie den Gebrauch meh- rerer Sinne, mithin die Willkuͤhr zunehmen laſſen wollte: deſto mehr that ſie unnoͤtige Glieder weg, und ſimpli- ficirte den Bau von innen und auſſen. Mit der Haut der T

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 1. Riga u. a., 1784, S. 165[145]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte01_1784/167>, abgerufen am 24.11.2024.