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Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 1. Riga u. a., 1784.

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Nun muß es zugegeben werden, daß dieser Gang dem
Menschen nicht so wesentlich sei, daß etwa jeder andre, ihm
so unmöglich wie das Fliegen würde. Nicht nur Kinder
zeigen das Gegentheil: sondern die Menschen, die unter die
Thiere geriethen, habens durch Erfahrung bewiesen. Eilf
bis zwölf Personen *) dieser Art sind bekannt, und obwohl
nicht alle hinlänglich beobachtet und beschrieben worden; so
ergeben doch einige Beispiele deutlich, daß der biegsamen
Natur des Menschen auch der für ihn ungemäßeste Gang
nicht ganz unmöglich werde. Sein Kopf sowohl als sein
Unterleib liegen mehr vorwärts; der Körper kann also auch
vorwärts fallen, wie der Kopf im Schlummer sinket. Kein
todter Körper kann aufrecht stehen und nur durch eine zahl-
lose Menge angestrengter Thätigkeiten wird unser künstliche
Stand und Gang möglich.

Also ist eben auch begreiflich, daß mit dem Thierartigen
Gange viele Glieder des menschlichen Körpers ihre Gestalt
und Verhältniß zu einander ändern müssen; wie abermals
das Beispiel der verwilderten Menschen zeiget. Der Jrrlän-
dische Knabe, den Tulpius beschrieben, hatte eine flache

Stirn,
*) Sie stehen in Linneus Natursystem, in Martini's Nach-
trage zu Buffon und andern Orten.
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Nun muß es zugegeben werden, daß dieſer Gang dem
Menſchen nicht ſo weſentlich ſei, daß etwa jeder andre, ihm
ſo unmoͤglich wie das Fliegen wuͤrde. Nicht nur Kinder
zeigen das Gegentheil: ſondern die Menſchen, die unter die
Thiere geriethen, habens durch Erfahrung bewieſen. Eilf
bis zwoͤlf Perſonen *) dieſer Art ſind bekannt, und obwohl
nicht alle hinlaͤnglich beobachtet und beſchrieben worden; ſo
ergeben doch einige Beiſpiele deutlich, daß der biegſamen
Natur des Menſchen auch der fuͤr ihn ungemaͤßeſte Gang
nicht ganz unmoͤglich werde. Sein Kopf ſowohl als ſein
Unterleib liegen mehr vorwaͤrts; der Koͤrper kann alſo auch
vorwaͤrts fallen, wie der Kopf im Schlummer ſinket. Kein
todter Koͤrper kann aufrecht ſtehen und nur durch eine zahl-
loſe Menge angeſtrengter Thaͤtigkeiten wird unſer kuͤnſtliche
Stand und Gang moͤglich.

Alſo iſt eben auch begreiflich, daß mit dem Thierartigen
Gange viele Glieder des menſchlichen Koͤrpers ihre Geſtalt
und Verhaͤltniß zu einander aͤndern muͤſſen; wie abermals
das Beiſpiel der verwilderten Menſchen zeiget. Der Jrrlaͤn-
diſche Knabe, den Tulpius beſchrieben, hatte eine flache

Stirn,
*) Sie ſtehen in Linneus Naturſyſtem, in Martini's Nach-
trage zu Buffon und andern Orten.
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[175[155]/0177] Nun muß es zugegeben werden, daß dieſer Gang dem Menſchen nicht ſo weſentlich ſei, daß etwa jeder andre, ihm ſo unmoͤglich wie das Fliegen wuͤrde. Nicht nur Kinder zeigen das Gegentheil: ſondern die Menſchen, die unter die Thiere geriethen, habens durch Erfahrung bewieſen. Eilf bis zwoͤlf Perſonen *) dieſer Art ſind bekannt, und obwohl nicht alle hinlaͤnglich beobachtet und beſchrieben worden; ſo ergeben doch einige Beiſpiele deutlich, daß der biegſamen Natur des Menſchen auch der fuͤr ihn ungemaͤßeſte Gang nicht ganz unmoͤglich werde. Sein Kopf ſowohl als ſein Unterleib liegen mehr vorwaͤrts; der Koͤrper kann alſo auch vorwaͤrts fallen, wie der Kopf im Schlummer ſinket. Kein todter Koͤrper kann aufrecht ſtehen und nur durch eine zahl- loſe Menge angeſtrengter Thaͤtigkeiten wird unſer kuͤnſtliche Stand und Gang moͤglich. Alſo iſt eben auch begreiflich, daß mit dem Thierartigen Gange viele Glieder des menſchlichen Koͤrpers ihre Geſtalt und Verhaͤltniß zu einander aͤndern muͤſſen; wie abermals das Beiſpiel der verwilderten Menſchen zeiget. Der Jrrlaͤn- diſche Knabe, den Tulpius beſchrieben, hatte eine flache Stirn, *) Sie ſtehen in Linneus Naturſyſtem, in Martini's Nach- trage zu Buffon und andern Orten. U 2

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 1. Riga u. a., 1784, S. 175[155]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte01_1784/177>, abgerufen am 21.11.2024.