Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 1. Riga u. a., 1784.

Bild:
<< vorherige Seite

Ob ich sie gefunden habe? darüber mag dieses Werk,
aber noch nicht sein erster Theil entscheiden. Dieser ent-
hält nur die Grundlage, theils im allgemeinen Ueberblick
unsrer Wohnstäte, theils im Durchgange der Organisatio-
nen, die unter und mit uns das Licht dieser Sonne genießen.
Niemanden, hoffe ich, wird dieser Gang zu fern hergeholt
und zu lang dünken: denn da, um das Schicksal der
Menschheit aus dem Buch der Schöpfung zu lesen, es kei-
nen andern als ihn giebt, so kann man ihn nicht sorgsam,
nicht vielbetrachtend gnug gehen. Wer blos metaphysische
Spekulationen will, hat sie auf kürzerm Wege; ich glaube
aber, daß sie, abgetrennt von Erfahrungen und Analogien
der Natur, eine Luftfahrt sind, die selten zum Ziel führet.
Gang Gottes in der Natur, die Gedanken, die der Ewige
uns in der Reihe seiner Werke thätlich dargelegt hat: sie
sind das heilige Buch, an dessen Charakteren ich zwar minder
als ein Lehrling aber wenigstens mit Treue und Eifer buch-
stabirt habe und buchstabiren werde. Wäre ich so glück-
lich, nur Einem meiner Leser etwas von dem süßen Eindruck
mitzutheilen, den ich über die ewige Weisheit und Güte
des unerforschten Schöpfers in seinen Werken mit einem
Zutrauen empfunden habe, dem ich keinen Namen weiß:
so wäre dieser Eindruck von Zuversicht das sichere Band,
mit welchem wir uns im Verfolg des Werks auch in die

La-

Ob ich ſie gefunden habe? daruͤber mag dieſes Werk,
aber noch nicht ſein erſter Theil entſcheiden. Dieſer ent-
haͤlt nur die Grundlage, theils im allgemeinen Ueberblick
unſrer Wohnſtaͤte, theils im Durchgange der Organiſatio-
nen, die unter und mit uns das Licht dieſer Sonne genießen.
Niemanden, hoffe ich, wird dieſer Gang zu fern hergeholt
und zu lang duͤnken: denn da, um das Schickſal der
Menſchheit aus dem Buch der Schoͤpfung zu leſen, es kei-
nen andern als ihn giebt, ſo kann man ihn nicht ſorgſam,
nicht vielbetrachtend gnug gehen. Wer blos metaphyſiſche
Spekulationen will, hat ſie auf kuͤrzerm Wege; ich glaube
aber, daß ſie, abgetrennt von Erfahrungen und Analogien
der Natur, eine Luftfahrt ſind, die ſelten zum Ziel fuͤhret.
Gang Gottes in der Natur, die Gedanken, die der Ewige
uns in der Reihe ſeiner Werke thaͤtlich dargelegt hat: ſie
ſind das heilige Buch, an deſſen Charakteren ich zwar minder
als ein Lehrling aber wenigſtens mit Treue und Eifer buch-
ſtabirt habe und buchſtabiren werde. Waͤre ich ſo gluͤck-
lich, nur Einem meiner Leſer etwas von dem ſuͤßen Eindruck
mitzutheilen, den ich uͤber die ewige Weisheit und Guͤte
des unerforſchten Schoͤpfers in ſeinen Werken mit einem
Zutrauen empfunden habe, dem ich keinen Namen weiß:
ſo waͤre dieſer Eindruck von Zuverſicht das ſichere Band,
mit welchem wir uns im Verfolg des Werks auch in die

La-
<TEI>
  <text>
    <front>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0018"/>
        <p>Ob ich &#x017F;ie gefunden habe? daru&#x0364;ber mag die&#x017F;es Werk,<lb/>
aber noch nicht &#x017F;ein er&#x017F;ter Theil ent&#x017F;cheiden. Die&#x017F;er ent-<lb/>
ha&#x0364;lt nur die Grundlage, theils im allgemeinen Ueberblick<lb/>
un&#x017F;rer Wohn&#x017F;ta&#x0364;te, theils im Durchgange der Organi&#x017F;atio-<lb/>
nen, die unter und mit uns das Licht die&#x017F;er Sonne genießen.<lb/>
Niemanden, hoffe ich, wird die&#x017F;er Gang zu fern hergeholt<lb/>
und zu lang du&#x0364;nken: denn da, um das Schick&#x017F;al der<lb/>
Men&#x017F;chheit aus dem Buch der Scho&#x0364;pfung zu le&#x017F;en, es kei-<lb/>
nen andern als ihn giebt, &#x017F;o kann man ihn nicht &#x017F;org&#x017F;am,<lb/>
nicht vielbetrachtend gnug gehen. Wer blos metaphy&#x017F;i&#x017F;che<lb/>
Spekulationen will, hat &#x017F;ie auf ku&#x0364;rzerm Wege; ich glaube<lb/>
aber, daß &#x017F;ie, abgetrennt von Erfahrungen und Analogien<lb/>
der Natur, eine Luftfahrt &#x017F;ind, die &#x017F;elten zum Ziel fu&#x0364;hret.<lb/>
Gang Gottes in der Natur, die Gedanken, die der Ewige<lb/>
uns in der Reihe &#x017F;einer Werke tha&#x0364;tlich dargelegt hat: &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;ind das heilige Buch, an de&#x017F;&#x017F;en Charakteren ich zwar minder<lb/>
als ein Lehrling aber wenig&#x017F;tens mit Treue und Eifer buch-<lb/>
&#x017F;tabirt habe und buch&#x017F;tabiren werde. Wa&#x0364;re ich &#x017F;o glu&#x0364;ck-<lb/>
lich, nur Einem meiner Le&#x017F;er etwas von dem &#x017F;u&#x0364;ßen Eindruck<lb/>
mitzutheilen, den ich u&#x0364;ber die ewige Weisheit und Gu&#x0364;te<lb/>
des unerfor&#x017F;chten Scho&#x0364;pfers in &#x017F;einen Werken mit einem<lb/>
Zutrauen empfunden habe, dem ich keinen Namen weiß:<lb/>
&#x017F;o wa&#x0364;re die&#x017F;er Eindruck von Zuver&#x017F;icht das &#x017F;ichere Band,<lb/>
mit welchem wir uns im Verfolg des Werks auch in die<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">La-</fw><lb/></p>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[0018] Ob ich ſie gefunden habe? daruͤber mag dieſes Werk, aber noch nicht ſein erſter Theil entſcheiden. Dieſer ent- haͤlt nur die Grundlage, theils im allgemeinen Ueberblick unſrer Wohnſtaͤte, theils im Durchgange der Organiſatio- nen, die unter und mit uns das Licht dieſer Sonne genießen. Niemanden, hoffe ich, wird dieſer Gang zu fern hergeholt und zu lang duͤnken: denn da, um das Schickſal der Menſchheit aus dem Buch der Schoͤpfung zu leſen, es kei- nen andern als ihn giebt, ſo kann man ihn nicht ſorgſam, nicht vielbetrachtend gnug gehen. Wer blos metaphyſiſche Spekulationen will, hat ſie auf kuͤrzerm Wege; ich glaube aber, daß ſie, abgetrennt von Erfahrungen und Analogien der Natur, eine Luftfahrt ſind, die ſelten zum Ziel fuͤhret. Gang Gottes in der Natur, die Gedanken, die der Ewige uns in der Reihe ſeiner Werke thaͤtlich dargelegt hat: ſie ſind das heilige Buch, an deſſen Charakteren ich zwar minder als ein Lehrling aber wenigſtens mit Treue und Eifer buch- ſtabirt habe und buchſtabiren werde. Waͤre ich ſo gluͤck- lich, nur Einem meiner Leſer etwas von dem ſuͤßen Eindruck mitzutheilen, den ich uͤber die ewige Weisheit und Guͤte des unerforſchten Schoͤpfers in ſeinen Werken mit einem Zutrauen empfunden habe, dem ich keinen Namen weiß: ſo waͤre dieſer Eindruck von Zuverſicht das ſichere Band, mit welchem wir uns im Verfolg des Werks auch in die La-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte01_1784
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte01_1784/18
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 1. Riga u. a., 1784, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte01_1784/18>, abgerufen am 21.11.2024.