Geschöpfs stark oder schwach, herrschend oder dienend. Hö- len und Muskeln des Vorder- und Hinterhaupts bildeten sich, nachdem die Lymphe gravitirte, kurz nach dem Winkel der organischen Hauptrichtung. Von zahlreichen Proben, die hierüber aus Gattungen und Geschlechtern angeführt werden könnten, führe ich nur zwei oder drei an. Was bildet den organischen Unterschied unsers Haupts vom Kopf des Affen? der Winkel seiner Hauptrichtung. Der Affe hat alle Theile des Gehirns, die der Mensch hat; er hat sie aber nach der Gestalt seines Schädels in einer zurückgedrück- ten Lage, und diese hat er, weil sein Kopf unter einem andern Winkel geformt und er nicht zum aufrechten Gange gemacht ist. Sofort wirkten alle organischen Kräfte anders: der Kopf ward nicht so hoch, nicht so breit, nicht so lang wie der unsre: die niedern Sinne traten mit dem Untertheil des Ge- sichts hervor und es ward ein Thiergesicht, so wie sein zu- rückgeschobnes Gehirn immer nur ein Thiergehirn blieb: wenn er auch alle Theile des menschlichen Gehirns hätte; er hat sie in andrer Lage, in anderm Verhältniß. Die Pa- risischen Zergliederer fanden in ihren Affen die Vordertheile Menschenähnlich; die innern aber von dem kleinen Gehirn alle im Verhältniß tiefer: die Zirbeldrüse war konisch, ihre Spitze nach dem Hinterhaupt gekehrt u. f. -- lauter Ver- hältnisse aus diesem Winkel der Hauptrichtung zu seinem
Gange,
Geſchoͤpfs ſtark oder ſchwach, herrſchend oder dienend. Hoͤ- len und Muskeln des Vorder- und Hinterhaupts bildeten ſich, nachdem die Lymphe gravitirte, kurz nach dem Winkel der organiſchen Hauptrichtung. Von zahlreichen Proben, die hieruͤber aus Gattungen und Geſchlechtern angefuͤhrt werden koͤnnten, fuͤhre ich nur zwei oder drei an. Was bildet den organiſchen Unterſchied unſers Haupts vom Kopf des Affen? der Winkel ſeiner Hauptrichtung. Der Affe hat alle Theile des Gehirns, die der Menſch hat; er hat ſie aber nach der Geſtalt ſeines Schaͤdels in einer zuruͤckgedruͤck- ten Lage, und dieſe hat er, weil ſein Kopf unter einem andern Winkel geformt und er nicht zum aufrechten Gange gemacht iſt. Sofort wirkten alle organiſchen Kraͤfte anders: der Kopf ward nicht ſo hoch, nicht ſo breit, nicht ſo lang wie der unſre: die niedern Sinne traten mit dem Untertheil des Ge- ſichts hervor und es ward ein Thiergeſicht, ſo wie ſein zu- ruͤckgeſchobnes Gehirn immer nur ein Thiergehirn blieb: wenn er auch alle Theile des menſchlichen Gehirns haͤtte; er hat ſie in andrer Lage, in anderm Verhaͤltniß. Die Pa- riſiſchen Zergliederer fanden in ihren Affen die Vordertheile Menſchenaͤhnlich; die innern aber von dem kleinen Gehirn alle im Verhaͤltniß tiefer: die Zirbeldruͤſe war koniſch, ihre Spitze nach dem Hinterhaupt gekehrt u. f. — lauter Ver- haͤltniſſe aus dieſem Winkel der Hauptrichtung zu ſeinem
Gange,
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[202[182]/0204]
Geſchoͤpfs ſtark oder ſchwach, herrſchend oder dienend. Hoͤ-
len und Muskeln des Vorder- und Hinterhaupts bildeten ſich,
nachdem die Lymphe gravitirte, kurz nach dem Winkel der
organiſchen Hauptrichtung. Von zahlreichen Proben,
die hieruͤber aus Gattungen und Geſchlechtern angefuͤhrt
werden koͤnnten, fuͤhre ich nur zwei oder drei an. Was
bildet den organiſchen Unterſchied unſers Haupts vom Kopf
des Affen? der Winkel ſeiner Hauptrichtung. Der Affe
hat alle Theile des Gehirns, die der Menſch hat; er hat ſie
aber nach der Geſtalt ſeines Schaͤdels in einer zuruͤckgedruͤck-
ten Lage, und dieſe hat er, weil ſein Kopf unter einem andern
Winkel geformt und er nicht zum aufrechten Gange gemacht
iſt. Sofort wirkten alle organiſchen Kraͤfte anders: der
Kopf ward nicht ſo hoch, nicht ſo breit, nicht ſo lang wie der
unſre: die niedern Sinne traten mit dem Untertheil des Ge-
ſichts hervor und es ward ein Thiergeſicht, ſo wie ſein zu-
ruͤckgeſchobnes Gehirn immer nur ein Thiergehirn blieb:
wenn er auch alle Theile des menſchlichen Gehirns haͤtte;
er hat ſie in andrer Lage, in anderm Verhaͤltniß. Die Pa-
riſiſchen Zergliederer fanden in ihren Affen die Vordertheile
Menſchenaͤhnlich; die innern aber von dem kleinen Gehirn
alle im Verhaͤltniß tiefer: die Zirbeldruͤſe war koniſch, ihre
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Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 1. Riga u. a., 1784, S. 202[182]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte01_1784/204>, abgerufen am 21.11.2024.
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