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Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 1. Riga u. a., 1784.

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schließend: wahr wäre und alle Hofnung auf ihr beruhete,
dieser Hofnung unüberwindliche Zweifel entgegen. Jst es
ewig bestimmt, daß die Blume nur Blume, das Thier nur
Thier seyn soll und vom Anfange der Schöpfung her in
präformirten Keimen alles mechanisch dalag: so lebe wohl,
du zauberische Hofnung eines höchsten Daseyns. Zum ge-
genwärtigen und zu keinem höhern Daseyn lag ich ewig im
Keim präformiret: was aus mir sproßen sollte, sind die prä-
formirten Keime meiner Kinder und wenn der Baum stirbt,
ist alle Philosophie der Keime mit ihm gestorben.

Wollen wir uns also in dieser wichtigen Frage nicht mit
süssen Worten täuschen: so müssen wir tiefer und weiter her
anfangen und auf die gesammte Analogie der Natur mer-
ken. Jns innere Reich ihrer Kräfte schauen wir nicht; es
ist also so vergebens als unnoth, innere wesentliche Auf-
schlüße
von ihr, über welchen Zustand es auch sei, zu begeh-
ren. Aber die Wirkungen und Formen ihrer Kräfte liegen
vor uns; sie also können wir vergleichen und etwa aus dem
Gange der Natur hienieden, aus ihrer gesammten herrschenden
Aehnlichkeit Hofnungen sammeln.




Fünf-

ſchließend: wahr waͤre und alle Hofnung auf ihr beruhete,
dieſer Hofnung unuͤberwindliche Zweifel entgegen. Jſt es
ewig beſtimmt, daß die Blume nur Blume, das Thier nur
Thier ſeyn ſoll und vom Anfange der Schoͤpfung her in
praͤformirten Keimen alles mechaniſch dalag: ſo lebe wohl,
du zauberiſche Hofnung eines hoͤchſten Daſeyns. Zum ge-
genwaͤrtigen und zu keinem hoͤhern Daſeyn lag ich ewig im
Keim praͤformiret: was aus mir ſproßen ſollte, ſind die praͤ-
formirten Keime meiner Kinder und wenn der Baum ſtirbt,
iſt alle Philoſophie der Keime mit ihm geſtorben.

Wollen wir uns alſo in dieſer wichtigen Frage nicht mit
ſuͤſſen Worten taͤuſchen: ſo muͤſſen wir tiefer und weiter her
anfangen und auf die geſammte Analogie der Natur mer-
ken. Jns innere Reich ihrer Kraͤfte ſchauen wir nicht; es
iſt alſo ſo vergebens als unnoth, innere weſentliche Auf-
ſchluͤße
von ihr, uͤber welchen Zuſtand es auch ſei, zu begeh-
ren. Aber die Wirkungen und Formen ihrer Kraͤfte liegen
vor uns; ſie alſo koͤnnen wir vergleichen und etwa aus dem
Gange der Natur hienieden, aus ihrer geſammten herrſchenden
Aehnlichkeit Hofnungen ſammeln.




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[262[242]/0264] ſchließend: wahr waͤre und alle Hofnung auf ihr beruhete, dieſer Hofnung unuͤberwindliche Zweifel entgegen. Jſt es ewig beſtimmt, daß die Blume nur Blume, das Thier nur Thier ſeyn ſoll und vom Anfange der Schoͤpfung her in praͤformirten Keimen alles mechaniſch dalag: ſo lebe wohl, du zauberiſche Hofnung eines hoͤchſten Daſeyns. Zum ge- genwaͤrtigen und zu keinem hoͤhern Daſeyn lag ich ewig im Keim praͤformiret: was aus mir ſproßen ſollte, ſind die praͤ- formirten Keime meiner Kinder und wenn der Baum ſtirbt, iſt alle Philoſophie der Keime mit ihm geſtorben. Wollen wir uns alſo in dieſer wichtigen Frage nicht mit ſuͤſſen Worten taͤuſchen: ſo muͤſſen wir tiefer und weiter her anfangen und auf die geſammte Analogie der Natur mer- ken. Jns innere Reich ihrer Kraͤfte ſchauen wir nicht; es iſt alſo ſo vergebens als unnoth, innere weſentliche Auf- ſchluͤße von ihr, uͤber welchen Zuſtand es auch ſei, zu begeh- ren. Aber die Wirkungen und Formen ihrer Kraͤfte liegen vor uns; ſie alſo koͤnnen wir vergleichen und etwa aus dem Gange der Natur hienieden, aus ihrer geſammten herrſchenden Aehnlichkeit Hofnungen ſammeln. Fuͤnf-

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 1. Riga u. a., 1784, S. 262[242]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte01_1784/264>, abgerufen am 26.11.2024.